Sehr geehrter Ratsuchender,
Ihre Frage möchte ich Rahmen einer Erstberatung aufgrund des geschilderten Sachverhalts wie folgt beantworten.
Das Aufenthaltsbestimmungsrecht ist Teil des elterlichen Sorgerechts. Das Sorgerecht steht auch bei Trennung und Scheidung grundsätzlich beiden Elternteilen zu. D.h. wichtige Entscheidungen bzgl. des Kindes müssen gemeinsam getroffen werden, auch wenn das Kind nur bei einem Elternteil lebt, wobei letzteres Elternteil über alle übrigen Dinge des alltäglichen Lebens selbst entscheiden darf (siehe § 1687 BGB).
Auf Antrag kann das zuständige Familiengericht das Sorgerecht aber auch auf ein Elterteil allein übertragen (siehe § 1671 BGB). Dies kommt gegen den Willen des anderen Elternteils aber nur in Betracht, wenn die Eltern sich nicht mehr spannungsfrei über die Belange des Kindes verständigen können, bzw. wenn das Kindeswohl gefährdet ist. Diese Entscheidung trifft der Familienrichter mit Hilfe des Jugendamtes im Einzelfall. Wer das Sorgerecht letztlich übertragen bekommt, richtet sich nach dem Kindeswohl. Entscheidungskriterien sind z.B.:
- Wer kann das Kind in Erziehung und Betreuung am besten fördern?
- Zu wem hat das Kind die größere Bindung? In welchem gewohnten Umfeld bewegt sich das Kind und würde es durch die Sorgerechtsübertragung aus diesem Umfeld herausgerissen?
- Welchen Willen äußert das Kind?
Im Fall Ihrer Freundin wird der Familienrichter dies alles zu prüfen haben. Da eine Entscheidung letztlich vom Einzelfall abhängt, kann hier nur eine Prognose anhand des geschilderten Sachverhalts abgegeben werden:
Wenn das Kind bisher von der Mutter "in Vollzeit" betreut wurde und der Ehemann sich vor allem seiner Vollzeit-Arbeit gewidmet hat, sehe ich für den Ehemann keinerlei Chance, das Sorgerecht auf sich übertragen zu bekommen. Kein Familienrichter wird ein einjähriges Kind seiner Mutter wegnehmen und es in die Hände eines Mannes geben, der sich persönlich gar nicht um das Kind kümmern möchte, sondern es von einem Kindermädchen betreuen lassen will. Eine andere Beurteilung wäre nur dann gerechtfertigt, wenn die Mutter sich selbst bisher in grobem Maße nicht um das Kind gekümmert hätte, bzw. drogensüchtig oder krank wäre.
Da dies alles in Ihrem Fall wohl nicht gegeben sein wird, braucht sich Ihre Freundin keine Sorgen machen! Wenn man sich die alltägliche Praxis des Familiengerichts anschaut, wird immer eher der Mutter das Sorgerecht übertragen. Dem Mann dagegen nur in Ausnahmefällen.
Da Sie erwähnen, daß Ihre Freundin wohl eine Halbtagsstelle wird "annehmen müssen", möche ich zum Schluss noch ein Wort zum Unterhalt verlieren:
Auch nach der Unterhaltrechtsreform gilt, daß Mütter in den ersten drei Lebensjahren des zu betreuenden Kindes nicht zum eigenen Erwerb verpflichtet sind (§ 1570 BGB). D.h. Ihre Freundin kann sich -wenn sie möchte- die ersten drei Jahre ganz um ihr Kind kümmern und vom Ehemann Kindes- und Ehegattenunterhalt verlangen (auch schon während der Trennung, wenn noch gar kein Scheidungsverfahren läuft!).
Um hier keine Rechte zu verlieren, sollte Ihre Freundin unverzüglich die Hilfe eines Anwaltes vor Ort in Anspruch nehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Lars Steinfelder
Rechtsanwalt