Sehr geehrter Fragensteller,
bitte beachten Sie, dass meine Antwort in diesem Forum nur eine erste Stellungnahme sein kann. Es liegt ein Fall der Testamentsauslegung vor. Hiernach ist zunächst der wirkliche Wille des Erblassers zu bestimmen. Dieses kann auch anhand von außerhalb des Testaments liegenden Umständen, bspw. mündliche Erklärungen gegenüber einem der Beteiligten oder der üblichen fehlerhaften Verwendung juristischer Termini. Von daher können schon geringe Abweichungen im Sachverhalt rechtlich ein ganz anderes Ergebnis zur Folge haben. Ist der tatsächliche Erblasserwillen festgestellt, ist nach der aktuellen Rechtsprechung (unter berechtigter Kritik der überwiegenden Literatur) jedoch immer noch erforderlich, dass dieser Wille im Testament eine Andeutung findet. Hat eine Auslegungsvariante ggf. die Unwirksamkeit zur Folge spricht vieles dafür, dass die andere Auslegungsvariante gemeint war.
Vorliegend werden die beiden Nichten ausdrücklich als Erben zu je ½ benannt. Der Einleitungssatz über die Anordnung von Vermächtnissen „im Wege der" Aufteilung und Zuwendung steht zu der vorgenannten Quote im Widerspruch. Diese Formulierung dürfte nach den üblichen Auslegungsmethoden (Wortlaut, Sinn und Zweck, Systematik, Historie) nicht als Vermächtnis auszulegen sein. Wobei dieses natürlich auch davon abhängig ist, wie groß die Erbmasse insgesamt ist. Sind die drei Grundstücke und überschaubares Barvermögen der gesamte Nachlass, spricht vieles gegen Vermächtnisse. Denn die Erben stände kaum Erbmasse, dafür aber jede Mende Vermächtnisansprüche gegenüber. Fallen die beiden Grundstücke hingegen vermögensmäßig kaum ins Gewicht kann etwas anderes gelten.
Es spricht daher vieles dafür, dass der Erblasser lediglich eine Teilungsanordnung vornehmen wollte. Problematisch ist, ob diese wirksam ist. Das ist Sie nur, wenn dem ausgleichspflichtigen Erben (Nichte A) noch genug „ideeller Anteil" an teilbarem Nachlass (bspw. Bargeld, Wertpapierdepot, Kunstgegenstände) zur Verfügung steht. Müsste A ihr eigenes Vermögen antasten, um B auszugleichen, ist die Klausel unwirksam. Vorliegend könnte die Klausel daher unwirksam sein. Denn befindet sich noch nach Auszahlung des C genug Geld oder sonstige Vermögensgegenstände (insgesamt doppelter Wert der Ausgleichssumme) im Nachlass?
Unabhängig von der Wirksamkeit steht es den Erben bei gegenseitigem Einverständnis jedoch frei, die Aufteilung trotzdem so vorzunehmen, wie es sich der Erblasser gewünscht hat. Es gibt keine rechtliche Verpflichtung die Unwirksamkeit festzustellen. Allenfalls ist unter Umständen die aus dem Privatvermögen der A gezahlte Summe steuerlich als Einnahme zu erfassen. Denn in Höhe des zusätzlichen Teils liegt ein Erwerb außerhalb der Erbmasse und damit Einkünfte vor.
Ich hoffe Ihnen durch meine Antwort eine erste Entscheidungshilfe gegeben zu haben. Wie gesagt, ist vieles von unter Umständen kleinen Details abhängig. Sollten Sie Anhaltspunkte für ein Vermächtnis haben, sollten Sie diese rasch alle zusammentragen und dann einen Kollegen vor Ort mandatieren.
Christian Spies, LL.M.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht