Sehr geehrter Fragesteller,
Lassen Sie mich Ihre Anfrage wie folgt beantworten:
„Frage 1: Was kann ich tun, um zumindest meinen Pflichtanteil zu erben? Gibt es eine Möglichkeit, dass meine Schwester mir diesen Teil auszahlen muss? Oder geht es nur, wenn meine Mutter ihr Testament anpasst, welches ich nicht kenne, aber welches beim Notar hinterlegt ist? Was mich eigentlich ja auch nichts angeht. Oder werde ich den Pflichtteil abschreiben müssen?"
Der Pflichtteil wird Ihnen in jedem Falle bleiben. Fraglich ist jedoch durchaus, wie hoch dieser noch ausfällt. Einen Pflichtteilsanspruch hat jeder gesetzliche Erbe, der durch Testament oder Erbvertrag enterbt wurde. Wenn Sie und Ihre Schwester die einzigen gesetzlichen Erben wären, dann wäre Ihr gesetzlicher Erbteil 1/2 des Vermögens der Mutter. Der Pflichtteil wäre dann gemäß § 2303 BGB
die Hälfte, also ein Viertel des Wertes des Nachlasses.
Wenn nun der Wert des Nachlasses, wie hier, zu Lebzeiten durch Schenkungen gemindert wird, dann gibt es noch Pflichtteilsergänzungsansprüche gemäß § 2345 BGB
. Dabei wird der Wert des Geschenkes, hier also des Wohnrechts, dem Nachlass fiktiv hinzugerechnet. Das geschieht nicht immer mit dem vollen Wert, für jedes Jahr das seit der Schenkung bis zum Erbfall vergangen ist wird ein Abschlag von 10 % vorgenommen.
Je nachdem, wie lange Ihre Mutter nun noch lebt, berechnet sich daraus ein Pflichtteilsanspruch. Wie hoch dieser ist kann allerdings nach heutigem Stand kein Mensch seriös sagen, schon weil der Inhalt des Testamentes nicht bekannt ist. Ganz abgesehen davon weiß niemand von uns wie lange er noch lebt, auch das hat (wie oben angesprochen) Einfluss auf die Höhe eines eventuellen Pflichtteilsanspruchs.
An der Stelle würde Ihnen nach dem Tode der Mutter nichts anderes übrig bleiben, als die Testamentseröffnung abzuwarten und dann zu sehen was sich geltend machen lässt.
„Frage 2: Angenommen, meine Mutter würde mir einen Anteil am Haus vererben. Bin ich dann verpflichtet, bei Annahme des Erbes alle Instandhaltungskosten zu diesem Anteil zu tragen? Oder kann ich meine Schwester dazu bewegen, mir meinen Anteil auszuzahlen? Sie hat keinen Job und kein Geld, wohnt aber kostenfrei im Haus, welches mir dann ja mit gehören würde. Kann ich da überhaupt etwas ändern?"
In Bezug auf die Unterhaltskosten gibt es nur die klassische Juristen Antwort: es kommt darauf an. Bei Einräumung eines Wohnrechts können sich der Eigentümer und der Berechtigte letztenendes vollkommen frei über die Verteilung der Kosten einigen. Das kann heißen, dass der Eigentümer alles zahlt oder auch der Berechtigte oder es wird (wie auch immer) aufgeteilt.
Als eventueller Erbe Ihrer Mutter würden Sie rechtlich gesehen an deren Stelle treten. Damit wären Sie auch an eine solche vertraglich festgelegte Kostenverteilung gebunden und könnten daran nichts mehr ändern.
Bei der Auszahlung „des Anteils" kommt es darauf an, was Sie damit meinen. Wenn Sie beispielsweise Alleinerbe des Hauses wären, dann hätte die Schwester ja gar keinen Anteil am Eigentum, den sie auszahlen könnte. Das Wohnrecht als solches können Sie der Schwester gegen deren Willen überhaupt nicht nehmen, Da müssten Sie sich mit ihr einigen.
Wenn Sie und die Schwester als Erbengemeinschaft Miteigentümer des Hauses würden, dann wäre die Erbengemeinschaft auseinanderzusetzen. Hier gibt es die Möglichkeit, zur Auseinandersetzung die Teilungsversteigerung des Hauses zu beantragen und selber mit zu steigern.
Einen Anspruch auf Verkauf des Anteils des Miteigentümers gegen diesen gibt es jedoch formell gesehen nicht, bei der Erbengemeinschaft genauso wenig wie sonst auch bei Miteigentum. Wenn man so etwas gegen den Willen des anderen auflösen will dann ist man immer auf die Teilungsversteigerung angewiesen.
„Frage 3: Wenn meine Schwester kein Geld verdient, was bekommt sie dann an Wohngeld oder Sozialhilfe, und kann sie dann überhaupt im Haus wohnen bleiben, wenn meine Mutter verstorben wäre? Oder kann das Sozialamt sie dazu verpflichten auf ihr Wohnrecht zu verzichten, das Haus zu verkaufen und davon eine Mietwohnung zu bezahlen?"
Sofern Ihre Schwester seit mehr als einem Jahr kein eigenes Einkommen hat dann kommt primär ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II (im Volksmund Hartz IV) in Betracht. Für Hartz IV Empfänger gibt es in sehr geringem Umfang Leistungen ähnlich dem Wohngeld, etwa zur Begleichung der Grundsteuer und des Erhaltungsaufwandes.
Zum Verlassen eines angemessenen selbstgenutzten Hauses wird ein Hartz IV Empfänger nicht gezwungen. Das ist in § Ziffer 12 Abs. 3 S.1 Ziff.4 SGB II geregelt. Zur Aufgabe des Wohnrechtes (unabhängig vom Eigentum) würde die Sozialbehörde Ihre Schwester ohnehin nicht zwingen, das wäre ja wegen der dann auflaufenden Mietkosten aus Sicht der Behörde auch widersinnig.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Diese Antwort ist vom 31.01.2017 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Guten Tag Herr Winkler und herzlichen Dank für die Aufklärung.
Ich gehe davon aus, dass ich also einfach abwarten muss und mit den Gegebenheiten leben muss. Meine Schwester hat dies aus niederen Motiven und Ängsten getan (hat sie selbst zugegeben) und sie hat es offensichtlich gut gemacht. So hat sie jetzt das Haus für sich, kostenfrei und mich erfolgreich ausgebootet.
Sollte bei Testamentseröffnung heraus kommen, dass ein Teil des Hauses an mich vererbt würde, dann kann ich diesen Erbteil ja dennoch annehmen und ihn zumindest an meine Kinder weiter vererben.
Letzte Frage:
Wenn meine Mutter, der die Folgen "möglicherweise" nicht bewusst sind, das Testament ändern möchte, könnte dann eine Regelung, dass meine Schwester mir einen bestimmten Betrag oder einen Teil des Pflichtteils (50 % oder 25 %) auszahlen muss, wenn sie das ganze Haus haben will, noch etwas nützen?
Ich vermute, dass meine Schwester kein Geld verdient und dadurch gezwungen wäre, Ihren Hausanteil zu verkaufen und auszuziehen. Oder nicht? Oder sie müsste arbeiten gehen um das Geld hierzu zu verdienen.
Vielen Dank!
Sehr geehrter Fragesteller,
Lassen Sie mich Ihre Nachfrage wie folgt beantworten:
Generell können Sie zu Lebzeiten der Mutter auf dem Rechtsweg gar nichts erreichen. Die Mutter ist völlig frei darin, wem sie etwas von ihrem Vermögen verschenkt. Insofern wäre wirklich im Falle eines Falles erst einmal die Eröffnung des Testaments abzuwarten.
Zu der konkreten Frage:
Da verstehe ich offen gestanden den Sinn nicht. Der Pflichtteil ist ein Geldanspruch des Pflichtteilsberechtigten gegen den oder die Erben. Wenn es Pflichtteilsergänzungsansprüche gäbe, dann hätten Sie ohnehin unter dem Strich einen Anspruch gegen Ihre Schwester auf Geldzahlung.
Was Sie meinen ist wahrscheinlich eher eine Auflage in der Weise, dass die Schwester gegen Zahlung der Summe X auch „Ihren" Anteil am Haus bekommen soll. So etwas wäre machbar, allerdings stellt sich immer die Frage nach dem Sinn wenn die Schwester ohnehin kein Geld für so etwas hat.
Es ist auch sehr die Frage, ob die Schwester überhaupt ein großes Interesse daran hat, das (alleinige) Eigentum am Haus zu bekommen. Die Wohnmöglichkeit hat sie schon durch das Wohnrecht und mit dem Eigentum kommen (wahrscheinlich, s.o.) auch weitere Zahlungsverpflichtungen.
Auch Gläubiger könnten im Falle eines Falles versuchen, wegen ihrer Forderungen die Zwangsversteigerung zu betreiben. Das Wohnrecht als solches bliebe bei einer solchen Zwangsversteigerung grundsätzlich erhalten, außer es wäre im Grundbuch nachrangig nach der Grundschuld eingetragen, aus der vollstreckt wird.
Für einen Mittellosen ist so ein Wohnrecht also erst einmal sehr interessant, unter Umständen interessanter als das Eigentum am Haus. Versuchen können Sie es natürlich auch auf die Art.
Mit freundlichen Grüßen,
Lars Winkler
Rechtsanwalt