Sehr geehrte(r) Fragesteller/in,
vorweg möchte ich Sie darauf hinweisen, dass diese Plattform eine ausführliche und persönliche Rechtsberatung nicht ersetzen kann. Es wird ausschließlich das Ziel verfolgt, eine erste überschlägige Einschätzung Ihres geschilderten Rechtsproblems auf der Grundlage der von Ihnen übermittelten Informationen von einem Rechtsanwalt zu erhalten. Die von mir erteilte rechtliche Auskunft basiert ausschließlich auf den von Ihnen zur Verfügung gestellten Informationen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen im Rahmen Ihrer Schilderung kann eine völlig andere rechtliche Beurteilung die Folge sein.
Nachfolgend nehme ich zu der/den von Ihnen gestellten Frage(n) Stellung, die ich unter Berücksichtigung Ihres Einsatzes wie folgt beantworte:
AGB, die wirksam in einen Vertrag einbezogen wurden, können in der Regel auch oder zu einen späteren Zeitpunkt nachträglich geändert werden, wenn die Änderung den Voraussetzungen des § 305 Abs 2 BGB
genügt.
Eine Änderung ist zunächst natürlich ohne weiteres möglich, indem der andere Vertragspartner bzw. beide Vertragspartner wechselseitig der geänderten AGB-Fassung zustimmen. Ungeachtet davon geltend die AGB regelmäßig für Neukunden. Dies kann allerdings dazu führen, dass gegenüber verschiedenen Kunden auch verschiedene Fassungen der AGB gelten.
Da die ausdrückliche Zustimmung aller Kunden wenig praktikabel ist und natürlich auch die Geltung verschiedener AGB-Fassungen das Arbeiten nicht gerade erleichtert, werden in die AGBs i.d.R. Änderungsvorbehalte aufgenommen. So kann man in die AGB ausdrücklich aufnehmen, dass eine Änderung nicht nur mit ausdrücklicher Zustimmung, sondern unter den nachfolgend aufgeführten erleichterten Voraussetzungen möglich sein soll.
Ein solcher Änderungsvorbehalt muss aber im Hinblick auf die zu berücksichtigenden Interessen der Kunden sachlich gerechtfertigt und so transparent sein, dass auch der Kunde bei Vertragsschluss vorhersehen kann, unter welchen Voraussetzungen mit einer Änderung der AGB zu rechnen ist.
Für einen rechtswirksamen Änderungsvorbehalt ist daher grundsätzlich notwendig, dass die Gründe unter denen eine AGB-Änderung zulässig sein soll, ausdrücklich genannt sind.
Liegen diese Voraussetzungen vor, kann das notwendige Einverständnis des Kunden mit der Geltung der geänderten durch eine sogenannte Erklärungsfiktion, ersetzt werden. Das heißt, dass die Zustimmung nicht ausdrücklich erklärt werden muss, sondern unter bestimmten weiteren Voraussetzungen durch eine „vermutete" Zustimmung ersetzt werden kann.
Solche fingierten Erklärungen sind wiederum nur unter den Voraussetzungen des § 308 Nr.5 BGB
zulässig. Dieser besagt, dass eine Erklärung nur fingiert werden kann, wenn
a)dem Vertragspartner eine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt ist und
b)der Verwender sich verpflichtet, den Vertragspartner bei Beginn der Frist auf die vorgesehene Bedeutung seines Verhaltens besonders hinzuweisen
Die oft gesehene Formulierung, dass die neuen AGB gelten, wenn der Kunde oder Nutzer nicht innerhalb einer bestimmten Frist widerspricht genügt daher nur, wenn dieser auf die fingierte Zustimmung hingewiesen wird und ihm eine angemessenen Frist gesetzt worden ist, zu reagieren.
Um die AGB wirksam ändern zu können, muss zusammengefasst auf folgendes geachtet werden:
- Wirksamer Änderungsvorbehalt in den AGB
- Mitteilung der geänderten Fassung der AGB unter Setzung einer angemessenen Reaktionsfrist
- Hinweis darauf, dass ohne Reaktion die Zustimmung zu den Änderungen angenommen wird
Erst wenn sämtliche Voraussetzungen vorliegen, ist eine wirksame Zustimmung zu den AGB fiktiv möglich, sofern der Kunde von seinem Widerspruchsrecht nicht in der Reaktionszeit Gebrauch gemacht hat.
Wenn eine Änderung nicht wirksam zustande kommt, ist gegenüber dem jeweiligen Nutzer von der Fortgeltung der „alten" AGB auszugehen.
In Ihrem Sachverhalt stellen sich demnach obige Fragen, die nicht abschließend von hier aus, mangels Kenntnis der konkreten AGB, beantwortet werden können.
Gleichwohl halte ich eine Formulierung, dass die Vertragslaufzeit am Wirksamwerden der neuen AGB gekoppelt ist, mitunter bedenklich und als Sinne einer überraschenden Klausel auch als gerichtlich prüfbar.
Zum anderen halte ich die Klausel insoweit m.E. für unzulässig, da sich in der Formulierung „Mit Wirksamwerden der AGB gilt eine Vertragslaufzeit von einem Jahr als vereinbart...." eine meines Erachtens unzulässig Doppelwirkung manifestiert, die gerade nicht von einer Zustimmungsfiktion des § 308 BGB
erfasst ist.
Dieser erfasst insoweit nur die Zustimmung zu Abänderung vertraglicher Bestandteile, mithin die Abänderung der AGB selbst. Demzufolge wäre mangels Ihres ausdrücklichen Widerspruches lediglich die neuen AGB wirksam vereinbart worden. Damit haben Sie aber nicht stillschweigend erklärt, dass Sie mit dem Wirksamwerden der neuen AGB auch einer neuen oder geänderten Vertragslaufzeit zustimmen. Dies wiederrum macht meines Erachtens eine konkrete ausdrückliche Zustimmung erforderlich, die nicht mittels einer Zustimmungsfiktion fingiert werden kann, da es eine neue Vertragsvereinbarung außerhalb derer der AGB-Änderungsvorbehalte ist.
Demnach sind zwar die neuen AGB vereinbart, aber m.E. meiner Auffassung nach nicht, dass sich die Vertragslaufzeit bzw. der Beginn für die Kündigungsfrist nachteilig zu Ihren Lasten ungeachtet der AGB verändert.
Denn dabei handelt es sich um eine gänzlich neue und andere Vereinbarung als die AGB-Änderung selbst und ist meines Erachtens nicht von einem AGB-Änderungsvorbehalt mit umfasst, sondern bedarf grundsätzlich einer ausdrücklichen und gesonderten Erklärung als eine fingierte Annahme der Zustimmung. Insoweit dürfte dieser sich ändernde Vertragsbestandteil unwirksam sein.
Demzufolge gilt die ursprüngliche vertraglich Kündigungsfrist ungeachtet, des Hinweises des Anbieters fort.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit meinen Ausführungen helfen konnte, einen ersten Eindruck in dieser Rechtsangelegenheit gewinnen zu können. Sie können sich gerne bei Nachfrage über die entsprechende Option des Portals mit mir in Verbindung setzen.
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Diese Antwort ist vom 23.06.2011 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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23.06.2011
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16:01
Antwort
vonRechtsanwalt Sascha Lembcke
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