Sehr geehrter Fragesteller,
zu Ihrer Anfrage nehme ich wie folgt Stellung:
1.
Zunächst sei darauf hingewiesen, daß der Verweis auf § 545 BGB
keinerlei rechtliche Wirkung hat, da hier ein Mietvertrag vorliegt, der auf unbestimmte Zeit geschlossen worden ist. Folglich ist, wie Sie schon zutreffend festgestellt haben, eine vermieterseitige Kündigung nur unter engen Voraussetzungen möglich.
2.
Gemäß § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB
kann der Vermieter nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat.
Soweit in § 573 Abs. 2 BGB
Kündigungsgründe aufgeführt sind, handelt es sich lediglich um (typische) Beispiele, jedoch nicht um eine abschließende Regelung.
Eine „Eigenbedarfskündigung" mit der Begründung, ein Mitarbeiter der Kirchengemeinde, der eine Wohnmöglichkeit benötige, solle in das Haus einziehen, wird nicht als rechtmäßig anzusehen sein. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen: Der Vermieter kann Eigenbedarf für einen bestimmten begrenzten Personenkreis geltend machen. Zu diesem Personenkreis gehören aber nicht entfernte Verwandte oder gar fremde Personen.
Diese Grundsätze sind auch auf den vorliegenden Fall zu übertragen. D. h. zugunsten von Mitarbeitern wird die Kirchengemeinde keine Kündigung nach § 573 BGB
aussprechen können. Sollte eine Kündigung darauf gestützt werden, empfehle ich, der Kündigung zu widersprechen.
Anders wird dagegen ggf. die Planung der Kirchengemeinde zu beurteilen sein, ein Teil des Hauses werde für öffentliche Gemeindezwecke (Gemeindebücherei) benötigt, da der ursprüngliche Ort dafür künftig nicht mehr zur Verfügung stehe. Hier könnte sich die Kirchengemeinde auf eine Entscheidung des BayObLG RE in WuM 1981, 32
stützen. Nach dieser Entscheidung soll sich eine Gemeinde, die ein Mietverhältnis über Wohnraum kündige, darauf berufen können, daß der Wohnraum zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben benötigt werde. Darin sei ein berechtigtes Interesse zu sehen.
Wenn man diese Begründung grundsätzlich anerkennt, heißt das aber noch nicht gleichzeitig, daß die Kündigung deshalb rechtmäßig ist. Vielmehr muß die Vermieterseite konkret darlegen, daß anderweitige Räumlichkeiten für eine Gemeindebücherei nicht vorhanden seien. Darüber hinaus wird man in Frage stellen können, ob die teilweise Nutzung des Hauses als Bücherei eine Wohnraumkündigung überhaupt rechtfertigen kann. Schließlich genießt der Wohnraum ebenso wie das Eigentum den Schutz des Grundgesetzes. Damit kann man argumentieren, daß der Wunsch, den Wohnraum in eine Bücherei umzuwandeln, nicht ausreiche, einen Mietvertrag über Wohnraum zu kündigen.
Nach der Sachverhaltsschilderung haben Sie also gute Gründe auf Ihrer Seite, um sich gegen eine Kündigung zur Wehr zu setzen.
3.
Eine besondere Härte wird man aufgrund der Tatsache, daß Sie ein kleines Kind haben, nicht annehmen können. Schließlich ist das kein außergewöhnlicher Härtefall, sondern der Normalfall einer jungen Familie.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Raab
Rechtsanwalt
Diese Antwort ist vom 05.07.2011 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Antwort
vonRechtsanwalt Gerhard Raab
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Sehr geehrter Herr Raab,
vielen Dank für Ihre schnelle und umfangreiche Beantwortung unserer Fragen.
Eine Nachfrage habe wir aber noch: Wie lange zieht sich Ihrer Erfahrung nach ein entsprechendes Gerichtsverfahren, wenn es doch zu einer Kündigung durch den Vermieter und anschließendem Klageweg durch uns (Kündigungsschutzklage) kommt ? Wenn sich ein entsprechendes Gerichtsverfahren über Monate hinziehen sollte könnte man evtl. erst mal den Verlauf abwarten und sich ggf. dann nach einem neuen Mietobjekt umschauen. Wenn hier von einer kurzen Verfahrensdauer ausgegangen werden muss müßten wir ja bereits bei Vorliegen der Kündigung sicherheitshalber nach einer neuen Wohnung suchen, um nicht plötzlich auf der Straße zu stehen (die Entscheidung des Gerichts ist ja, obwohl Sie gute Chancen für uns sehen, natürlich nicht vorhersehbar) ...
Sehr geehrter Fragesteller,
zu Ihrer Nachfrage nehme ich wie folgt Stellung:
Wenn die Vermieterseite Räumungsklage erhebt, wird man in der ersten Instanz mit einer Verfahrensdauer von knapp einem Jahr rechnen können. Das ist natürlich von Amtsgericht zu Amtsgericht und von Abteilung zu Abteilung unterschiedlich. Als beklagte Partei hat man auch die Möglichkeit - zumindest ein wenig - auf die Dauer des Verfahrens einzuwirken.
Sollte eine Beweisaufnahme erforderlich werden, kann sich die Dauer des Verfahrens noch weiter verlängern.
Fällt das Urteil zu Ihrem Nachteil aus, hätten Sie auch die Möglichkeit, gegen das Urteil Berufung einzulegen. Damit ist eine weitere Verlängerung des Verfahrens verbunden.
Denkbar ist auch ein Räumungsvergleich mit einer längeren Räumungsfrist.
D. h., es gibt schon einige Möglichkeiten, die Dauer des Verfahrens bis zu einer evt. Räumung zu beeinflussen.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Raab
Rechtsanwalt