Sehr geehrte Ratsuchende,
zunächst mein aufrichtiges Beileid.
Im Rahmen einer Ersteinschätzung beantworte ich Ihre Fragen gerne wie folgt:
1. Kündigung wegen Krankheit:
Eine krankheitsbedingte Kündigung setzt eine sog. negative Gesundheitsprognose voraus. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung muss davon auszugehen sein, dass nach dem Kündigungstermin aufgrund der Erkrankung noch mit weiteren Störungen bei der Leistungserbringung im bisherigen Umfang zu rechnen ist. Zweck der krankheitsbedingten Kündigung ist also nicht die Sanktionierung des Arbeitnehmers für vergangene krankheitsbedingte Fehlzeiten, sondern die Bewahrung des Arbeitgebers vor künftigen unzumutbaren Belastungen. Hauptanwendungsfälle in der Praxis sind häufige Kurzerkrankungen, die zu unzumutbaren finanziellen Belastungen im Rahmen der Entgeltfortzahlung führen. Bei Langzeiterkrankungen liegt der Kündigungsgrund in den unzumutbaren betrieblichen und wirtschaftlichen Belastungen, die durch die Ungewissheit entstehen, ob und wann der Arbeitnehmer überhaupt noch einmal zur Arbeit im Stande sein wird.
Dies bedeutet für Sie: Ihr Arbeitgeber muss im Falle einer Kündigung darlegen und ggf. beweisen, dass ihm aufgrund der Krankheit die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses wegen einer negativen Gesundheitsprognose unzumutbar ist. Dieser Beweis gelingt in der Praxis allerdings selten, so dass die meisten krankheitsbedingten Kündigungen von den Arbeitsgerichten "kassiert" werden. In Ihrem Fall dürfte sicherlich auch der Umstand der erlittenen Totgeburt Berücksichtigung finden müssen. Insgesamt dürften einer Kündigungsschutzklage im Falle einer Kündigung vorliegend hohe Erfolgsaussichten beschieden sein. Deswegen rate ich auch unbedingt davor ab, einen Aufhebungsvertrag zu unterschreiben.
2. Zum Mutterschutz bis 25.01.2013:
Nach § 9 Abs. 1 MuSchG
ist die Kündigung gegenüber einer Frau während ihrer Schwangerschaft und bis zum Ablauf von 4 Monaten nach der Entbindung unzulässig. Eine Entbindung im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG
ist grundsätzlich auch dann anzunehmen, wenn es zu einer Totgeburt kommt (vgl. BAG Urteil v. 15.12.2005, 2 AZR 462/04
). Der Mutterschutz setzt nicht die Erfüllung einer bestimmten Wartezeit voraus, sondern beginnt sofort mit dem Arbeitsverhältnis.
Bitte beachten Sie: Bei einem Aufhebungsvertrag finden die Grundsätze des Mutterschutzes dagegen keine Anwendung.
Erforderlich für den Sonderkündigungsschutz ist im Fall einer erneuten Schwangerschaft, dass Ihrem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft oder die Entbindung bekannt gewesen ist oder Sie ihm innerhalb von 2 Wochen nach Zugang der Kündigung diese mitteilen, vgl. § 9 Abs.1 MuSchG
. Maßgebend ist dabei der Zugang der Kündigungserklärung bei der Arbeitnehmerin. Die unverschuldete Versäumung der Frist ist unschädlich, wenn die Mitteilung unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern nachgeholt wird.
Weiß Ihr Arbeitgeber im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung nichts von der Schwangerschaft, so müssen Sie in jedem Fall innerhalb der 3-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG
Kündigungsschutzklage erheben. Das gilt auch dann, wenn Sie Ihren Arbeitgeber nachträglich innerhalb der 2-Wochen-Frist über den besonderen Kündigungsschutz informiert haben. § 4 Satz 4 KSchG
findet in diesen Fällen keine Anwendung (vgl. BAG Urteil v. 13.07.2008, AZR 2 864/06).
Das bedeutet in Ihrem Fall: Es reicht nicht aus, nach Erhalt einer Kündigung den Arbeitgeber formlos über die erneute Schwangerschaft zu informieren. Sie müssen innerhalb der 3-wöchigen Frist Kündigungschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht erheben, damit Sie vom Sonderkündigungsschutz profitieren.
3. Erlöschen des Urlaubsanspruchs bei Krankheit:
Kann der Urlaub wegen einer Erkrankung im Kalenderjahr ganz oder anteilig nicht genommen werden, so verfällt dieser nicht gem. § 7 Abs.3 BUrlG
, sondern wird automatisch übertragen. Nach neuester Rechtsprechung des BAG verfällt der Urlaubsanspruch allerdings spätestens 15 Monate nach Ablauf des entsprechenden Urlaubsjahres (vgl. BAG Urteil v. 07.08.2012, 9 AZR 353/10
). Dies bedeutet, dass Ihre Ansprüche aus dem Jahr 2011 spätestens zum Ablauf des 31.03.2013 verfallen (Urlaubsansprüche aus diesem Jahr entsprechend zum 31.03.2014 usw.)
Alternativ zur Krankmeldung könnten Sie nach Ablauf des Mutterschutzes auch erst einmal den nicht genommenen Urlaub aus dem Vorjahr nutzen. Hierbei sollten Sie aber rechtzeitig einen entsprechenden Antrag beim Arbeitgeber stellen.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Markus Mehlig, Rechtsanwalt
Diese Antwort ist vom 21.12.2012 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Sehr geehrter Herr Mehlig,
vielen Dank für Ihre detaillierte und genaue Antwort. Sie haben mir mit Ihrer Antwort sehr geholfen.
Ein Frage zum Urlaubsanspruch habe ich noch. Wenn ich krank bin, habe ich ein Recht auf Auszahlung meines Urlaubs?
Ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Start ins Jahr 2013 wünsche ich Ihnen.
Beste Grüße
Sehr geehrte Ratsuchende,
ein Anspruch auf Auszahlung des Urlaubs während einer Erkrankung besteht nicht, da der Urlaub primär der Erholung dient und bezahlte Freizeit darstellt. Eine Abgeltung des Urlaubanspruchs besteht lediglich im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wenn der Urlaub deswegen nicht mehr genommen werden kann, vgl. § 7 Abs.4 BUrlG
.
Ich wünsche Ihnen ebenfalls ein frohes Weihnachtsfest und ein gutes neues Jahr 2013.
M. Mehlig
Rechtsanwalt