Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegeben Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Eine Lossagung vom Wettbewerbsverbot ist nur durch den Arbeitnehmer möglich, wenn er selbst das Arbeitsverhältnis außerordentlich wegen eines Verhaltens des Arbeitgebers kündigt (§ 75 Abs. 1 HGB
in Verbindung mit § 626 BGB
), oder wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigt und der Arbeitnehmer sich vom Wettbewerbsverbot daraufhin lossagt (§ 75 Abs. 2 Satz 1 HGB
).
Der Arbeitgeber kann sich nur vom Wettbewerbsverbot lossagen, wenn er das Arbeitsverhältnis fristlos auf Grund des Verhaltens des Arbeitnehmers gekündigt hat. (Die Rechtsprechung leitet dies aus einer entsprechenden Anwendung des § 75 HGB
her: BAG, Urteil vom 31.07.2002 - Az.: 10 AZR 513/01
, juris).
Auf Grund einer ordentlichen, fristgemäßen Kündigung des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber kein Recht, sich einseitig von der Vereinbarung über das Wettbewerbsverbot bzw. die Karenzentschädigung loszusagen oder sie "fristlos" zu kündigen.
Der Arbeitgeber hat vielmehr lediglich gemäß § 75a HGB
bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (auch wenn die Kündigung schon übergeben ist), durch schriftliche Erklärung einseitig auf das Wettbewerbsverbot zu verzichten. In diesem Fall wird der Arbeitnehmer sofort vom Wettbewerbsverbot frei. Trotzdem ist der Arbeitgeber dann noch für die Dauer eines Jahres zur Zahlung der vreinbarten Karenzentschädigung verpflichtet.
Die von Ihrem Arbeitgeber erklärte "Kündigung" des Wettbewerbsverbots ist unwirksam. Sie ist aber gemäß § 140 BGB
in einen Verzicht nach § 75a HGB
umzudeuten, da dessen Wirkungen weniger weitreichend sind als eine fristlose Kündigung, und anzunehmen ist, dass der Verzicht dem hypothetischen Willen des Arbeitgebers entspricht. Nach Satz 3 seiner Erklärung hat der Arbeitgeber außerdem "hilfsweise" für den Fall der Unwirksamkeit auf das Wettbewerbsverbot verzichtet.
(Satz 2 der Erklärung des Arbeitgebers ist eine Feststellung des Arbeitgebers über die seiner Meinung nach geltende Rechtslage, die aber sachlich falsch und rechtlich ohne Bedeutung ist.)
Nach der Rechtsprechung ist die Feststellungsklage gegenüber der Zahlungsklage subsidiär, d.h. sie ist unzulässig, wenn auch die Möglichkeit der Zahlungsklage besteht. Dies bedeutet, Sie müssen den ersten Fälligkeitstermin der Zahlung der Karenzentschädigung abwarten und dann - wenn der Arbeuitgeber nicht zahlt - Zahlungsklage vor dem Arbeitsgericht erheben. Bei wiederkehrenden Leistungen - darum handelt es sich bei monatlich für die Dauer eines Jahres zu zahlenden Karenzentschädigungen - können Sie nach §§ 258
, 259 ZPO
in Verbindung mit § 46 Abs. 2 ArbGG
auch bereits auf erst zukünftig fällig werdende Zahlungen Klage erheben, wenn die Besorgnis besteht, dass der Arbeitgeber auch zukünftig die Karenzentschädigungen nicht zahlen wird. Sie müssen dann nicht jeden Monat eine neue Zahlungsklage erheben.
Möglicherweise ist Ihr Arbeitgeber einsichtig und lässtt sich rechtzeitig belehren, so dass ein Pozess entbehrlich bleibt. Deshalb empfiehlt es sich auf jeden Fall, dass Sie der "Kündigung" widersprechen, den Arbeitgeber auf die Rechtslage hinweisen und im Falle der Nichtzahlung eine Zahlungsklage androhen. Andererseits brauchen Sie der unwirksamen "Kündigung" nicht schriftlich zu widersprechen. Ein unterlassener Widerspruch steht einem positiven Anerkenntis der "Kündigung" oder der Einwilligung in eine - prinzipiell zulässige - Aufhebungsvereinbarung über das Wettbewerbsverbot nicht gleich.
Wegen der außergerichtlichen bzw. gerichtlichen Geltendmachung der Karenzentschädigung sollten Sie Ihren Arbeitsvertrag darauf durchsehen, ob dort zeitliche Ausschluss- und Verfallklauseln für die Geltendmachung von Ansprüchen bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen enthalten sind. Diese können evtl. auch in einem anwendbaren Tarifvertrag enthalten sein.
Ob Ihr Arbeitgeber aus Rechtsirrtum gehandelt hat, oder Sie vorsätzlich täuschen wollte, vermag ich nicht zu beurteilen. Aus den §§ 74 ff. HGB
ergibt sich zwar kein sofortiges Kündigungsrecht des Wettbewerbsverbots durch den Arbeitgebers für den Fall der ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer; dies schließt aber nicht aus, dass Ihr Arbeitgeber trotzdem gutgläubig der Ansicht war, eine Abrede über ein Wettbewerbsverbot auf Grund eines allgemein geltenden Kündigungsrechts kündigen zu dürfen. Die §§ 74 ff. HGB
sind in einem sehr altertümlichen, heute nicht mehr leicht verständlichen Deutsch formuliert, zum Teil wird dort auf Paragraphen verwiesen, die schon seit langem aufgehoben sind (etwa in § 75 Abs. 1 auf §§ 70 und 71),zum Teil vom BVerfG für unwirksam erklärt worden sind (§ 75 Abs. 3). Durch die Rechtsprechung sind die §§ 74 ff. HGB
wiederholt modifiziert oder ausgeweitet worden. Auch für einen Arbeitgeber müssen diese Vorschriften, zumal in ihrer Auslegung durch die Rechtsprechung, daher nicht unbedingt verständlich sein. (Sollten Sie sich mit dem Gedanken tragen, Ihren Arbeitgeber wegen Betruges anzuzeigen, wird er sich nach meiner Einschätzung wahrscheinlich mit Erfolg auf Rechtsirrtum berufen können. Dies auch deshalb, weil die Staatsanwaltschaften erfahrungsgemäß keine große Lust haben, private Anzeigen wegen Betruges zu verfolgen, und sich deshalb gegenüber Schutzbehauptungen der Beschuldigten oft "gewogen" zeigen.)
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Carsten Neumann, Rechtsanwalt
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Diese Antwort ist vom 03.11.2013 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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