Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne auf Basis Ihres Einsatzes und des von Ihnen mitgeteilten Sachverhalts wie folgt beantworte:
1.
Das Bundearbeitsgericht (BAG) hat die grundsätzliche Geltung des § 613a BGB
(Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang) auch bei Betriebsveräußerungen durch den Insolvenzverwalter bejaht.
Soweit hier mal die Erfüllung der Voraussetzungen des § 613a BGB
unterstellt wird, gilt folgendes (Näheres unterfällt einer konkreten Prüfung der Einzelfallumstände, was diese Erstberatung leider nicht leisten kann):
Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein.
Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Dieses gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden.
Vor Ablauf der vorgenannten Frist können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.
Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.
Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:
1.
den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
2.
den Grund für den Übergang,
3.
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
4.
die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.
Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.
Es wäre also zu prüfen,
- wann Sie in dem oben genannten Sinne vollständig unterrichtet worden sind und
- ob Sie (belegbar) nicht doch schon zugestimmt haben bzw. nicht fristgerecht mehr Widerspruch deswegen einlegen können.
Die Widerspruchsfrist beginnt mit dem Zugang der ordnungs- und formgemäßen Unterrichtung
Anderweitige Kenntniserlangung vom Betriebsübergang ist für den Fristbeginn unschädlich.
Da es sich bei der Monatsfrist um eine Ausschlussfrist handelt, geht bei ihrer Nichteinhaltung das Widerspruchsrecht unter.
Fehlt eine ordnungsgemäße Unterrichtung, muss der Arbeitnehmer das Widerspruchsrecht (mit der 1-Monatsfrist) erst dann ausüben, wenn er nachträglich vollumfänglich unterrichtet wurde.
Einer wirksamen Ausübung des Widerspruchsrechts steht nicht entgegen, dass im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung das Arbeitsverhältnis bereits beendet ist.
Für die Ausübung des Widerspruchs gibt es keine zeitliche Höchstgrenze
Es ist aber an Verwirkung oder widersprüchliches Verhalten zu denken (Gebot von Treu und Glauben), was ebenfalls dazu führen kann, das eine Widerspruch ausgeschlossen ist.
Eine lediglich unvollständige Unterrichtung kann eher zu einer Verwirkung führen als eine völlig unterbliebene Unterrichtung. Hat einer der beiden möglichen Adressaten eines Widerspruchs (neuer und/oder alter Arbeitgeber) Kenntnis von Umständen, die zur Verwirkung des Rechts auf Widerspruch führen, so kann sich der andere Widerspruchsadressat hierauf berufen.
Allein die widerspruchslose Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebserwerber kann das so genannte Umstandsmoment für eine Verwirkung (daneben ist auf ein Zeitmoment zu erfüllen; eine Verwirkung ist schwierig und wäre auch der Gegenseite schlüssig darzulegen und zu beweisen) nicht erfüllen. Dieses liegt nur vor, wenn der Berechtigte unter Umständen untätig geblieben ist, die den Eindruck erweckt haben, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle.
Bei der bloßen Weiterarbeit fehlt es an einer besonderen vertrauensbegründenden Verhaltensweise. Zudem würde bei gegenteiliger Auffassung das Ziel, falsch unterrichteten Arbeitnehmern das Widerspruchsrecht zu erhalten, unterlaufen.
Hier kommt es wie gesagt darauf an, ob Sie bereits mündlich der Übernahme zugestimmt haben, siehe oben.
Wie Sie schon erkennen können, sind die Einzelheiten schwierig und nur anhand der mir nicht näher bekannten Einzelfallumstände zu prüfen, was ich Ihnen empfehle.
Nach unbestrittener Auffassung gilt, dass Rechtsfolge des wirksam erklärten Widerspruchs der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zum bisherigen Arbeitgeber ist (auch bezüglich der Bezahlung).
2.
Die Kündigungsfrist ist nach meiner Meinung richtig, Sie entspricht der (§ 622 BGB
- vertraglich fixierbaren) Regelung. Entscheidend ist aber, ob dieses so im Arbeitsvertrag/Tarifvertrag ggf. geschrieben steht, was ich vermutete.
Nur ein Auflösungsvertrag kann zu einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen; außerordentliche Kündigungsgründe sehe ich hier nicht (bis auf die anders geartete Widerspruchsmöglichkeit, siehe oben).
Ich hoffe, Ihnen damit weitergeholfen zu haben und wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.
Diese Antwort ist vom 17.09.2010 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Am 30.7. erfolgte in der Betriebsversammlung lediglich eine mündliche Information,
über einen Kaufvertrag des neuen Arbeitgebers durch den Insolvenzanwalt.
Wobei ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass zu diesem Zeitpunkt weder
alle vertragliche Unterschriften, noch die Bezahlung vorlag.
In diesem gespräch habe ich nicht ausdrücklich wiedersprochen,
jedoch auch nicht zugestimmt, allenfals stillschweigend.
Ist dies schon als die von Ihnen als unvolständige unterrichtung zu sehen,
und habe ich hierdurch schon mein Recht auf wiederspruch verwirkt?
Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Nachfrage beantworte ich gerne wie folgt:
Schon allein mangels Textform (und auch ansonsten) ist die Unterrichtung fehlerhaft bzw. nicht vollständig gewesen, so dass bei unterstelltem Betriebsübergang Ihnen das Widerspruchsrecht noch zusteht.
Sie sollten eventuell einen Anwalt Ihrer Wahl mit Ihrer Interessenwahrnehmung beauftragen; ich stehe Ihnen diesbezüglich gerne zur Verfügung.
Ich hoffe, Ihnen damit gedient zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Hesterberg
Rechtsanwalt