Sehr geehrte(r) Ratsuchende(r),
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Das Gesetz beinhaltet keine Regelung speziell zur Vorlage von Kontoauszügen. In § 60 Abs. 1 SGB I
verpflichtet es Personen, die Sozialleistungen (z.B. ALG II) beantragen, allgemein wie folgt:
Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat
1. alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen,
2. Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen,
3. Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen...
Die Behörden stellen sich gern auf den Standpunkt, dass die Vorlage vollständiger, ungeschwärzter Kontoauszüge für das letzte Vierteljahr grundsätzlich für die Frage der Leistungsbewilligung erheblich sei, also ein Fall des § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I
gegeben sei. Denn es könnte ja sein, dass auf dem Konto Geldbewegungen stattgefunden haben (und zwar sowohl Zu- als auch Abgänge), die einen Anspruch auf ALG II ausschließen.
Dies ist in dieser Allgemeinheit definitiv nicht richtig. Grundsätzlich geht es bei der Frage, ob jemand Anspruch auf ALG II hat, nur um seine aktuelle wirtschaftliche Lage, also nur um seinen aktuellen Kontostand. Allerdings gibt es nach dem SGB II bestimmte Tatbestände, die selbst bei aktueller Bedürftigkeit des Antragstellers einen Anspruch auf ALG II ausschließen, insbesondere wenn der Antragsteller vorhandenes Vermögen in vorwerfbarer Weise "verschleudert" hat. Dies lässt sich natürlich allein aus dem aktuellen Kontostand nicht ablesen, vielmehr muss hierfür die Vergangenheit durchleuchtet werden. Da der Datenschutz jedoch als ein mindestens ebenso hohes Gut anzusehen ist wie das Interesse des Staates an der lückenlosen Klärung der Anspruchsberechtigung des Antragstellers, kann man eine allgemeine Berechtigung des Staates, Antragsteller zur Vorlage von Kontoauszügen für die Vergangenheit zu verpflichten, nicht annehmen. Vielmehr kann eine solche Berechtigung nur dann bestehen, wenn es Hinweise darauf gibt, dass ein Ausschlusstatbestand vorliegen könnte, die nur durch Einsicht in die Kontoauszüge verifiziert werden können. Genauso hat übrigens auch das hessische Landessozialgericht in einem Beschluss vom 22.08.2005 (Az.: L 7 AS 32/05 ER
) entschieden.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen eine fundierte Einschätzung der Rechtslage vermitteln. Für einen Nachfrage stehe ich Ihnen gern zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Jana Laurentius
(Rechtsanwältin)
Diese Antwort ist vom 22.07.2006 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Hallo,
vielen Dank zunächst mal für die schnelle Antwort.
Was bedeutet denn:
"...wenn es einen Hinweis darauf gibt, dass ein Ausschlusstatbestand vorliegen könnte..."
Muss von Seitens der Behörde dieser "Hinweis" genauer benannt werden, oder reicht es schon, wenn der/die Sachbearbeiter/in
mündlich äußert, es gäbe einen Verdacht auf einen Ausschlusstatbestand.
Danke schon mal und
viele Grüße
Es reicht natürlich nicht, wenn der Sachbearbeiter einfach nur so dahersagt, dass es einen Verdacht auf einen Ausschlusstatbestand gäbe. Wenn man sich auf der Behörde scheuen sollte, hierzu klar Farbe zu bekennen, sollten Sie sich am besten einen Rechtsanwalt nehmen, der Akteneinsicht nehmen kann. Dann wissen Sie definitiv, wie Ihre Position ist.
Mit freundlichen Grüßen
Jana Laurentius
(Rechtsanwältin)