Sehr geehrter Ratsuchender,
Sie haben schon zutreffend ausgeführt, dass auf der einen Seite unbedingt die Abänderung des Titels erfolgen muss. Dazu ist das gerichtliche Abänderungsverfahren zwingend einzuleiten.
Das sollte auch so schnell wie möglich geschehen.
Die Abänderung der Jugendamtsurkunde erfolgt nach § 238 FamFG.
Die wesentlich geänderten Grundlagen liegen darin, dass Sie nicht mehr vielschichtig erwerbstätig sein können. Sie müssen aber auch im Verfahren darlegen, wovon Sie jetzt leben.
Während Titel nur ab Antragstellung, längstens 1 Jahr rückwirkend vor der Rechtshängigkeit möglich sind, ist es bei der Abänderung der Urkunde anders. Dazu hat das OLG Naumburg schon in seinem Beschluss vom 10.09.2014 Az.: 4 UF 43/14 schon ausgeführt:
Zitat:
Hierbei hat das Amtsgericht offensichtlich nicht beachtet, dass die für eine Abänderung von gerichtlichen Entscheidungen nach § 238 Abs. 3 FamFG vorgesehene zeitliche Sperrwirkung in Ermangelung einer entsprechenden Vorschrift im hier maßgeblichen Anwendungsbereich des § 239 FamFG nicht gilt (vgl. Lorenz, in: Zöller, ZPO, 30. Auflage, 2014, § 239 FamFG Rdnr. 3), weshalb Jugendamtsurkunden auch rückwirkend für die Zeit vor einem Auskunfts- oder Verzichtsverlangen abgeändert werden können.
Das bedeutet, dass hier beantragt werden sollte, die Urkunde auch rückwirkend abzuändern.
Dem Jugendamt gegenüber muss ganz klar Stellung bezogen werden.
Zum einen können Sie sich auf die Verjährung berufen. Zum anderen auch zusätzlich auf die Verwirkung. Ansprüche können dann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn das Jugendamt seinen Anspruch über einen längeren Zeitraum nicht verfolgt und Sie den Eindruck dadurch erlangt haben, dass Sie auch nicht in Anspruch genommen werden. Das wird man an Hand des früheren Schriftwechsels klären müssen. Man sollte dieses aber auf jeden Fall einwenden.
Zudem ist unbedingt die Frage der unerlaubten Handlung mit dem Insolvenzverwalter zu klären. Das Jugendamt kann das nicht einfach behaupten, zumal Sie erwerbsgemindert sind und demnach nicht arbeiten können.
Das werden Sie alles nachweisen müssen. Ich denke aber, dass Ihnen das an Hand ärztlicher Unterlagen möglich sein wird.
Abschließend zur Frage der Vertretung.
Ich rate Ihnen dringend einen Anwalt vor Ort zu beauftragen. Dieser Fall ist wegen dem Umfang nach meinem Dafürhalten nicht geeignet als reines „Onlinemandat" geführt zu werden. Der persönliche Kontakt ist gerade nach meinem Verständnis und meiner Arbeitsweise unerlässlich.
Zudem kommen wegen der Ortsverschiedenheit zusätzliche Kosten, auch im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe auf Sie zu, die auch nicht erstattet werden.
Das sollten Sie bedenken und deswegen mein Rat, einen Anwalt vor Ort zu beauftragen.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwältin
Sylvia True-Bohle