Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Gemäß § 62 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
b) EStG sind Sie kindergeldberechtigt als auf Antrag als unbeschränkt steuerpflichtig geltende Anspruchsberechtigte. Die Vorschrift lautet:
(1) 1Für Kinder im Sinne des § 63 hat Anspruch auf Kindergeld nach diesem Gesetz, wer
1. im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder
oder
2. ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland
a) nach § 1 Absatz 2 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder
b) nach § 1 Absatz 3 als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird.
2Voraussetzung für den Anspruch nach Satz 1 ist, dass der Berechtigte durch die an ihn vergebene Identifikationsnummer (§ 139b
der Abgabenordnung) identifiziert wird. 3Die nachträgliche Vergabe der Identifikationsnummer wirkt auf Monate zurück, in denen die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes macht das Gesetz die Anspruchsberechtigung nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG
—anders als in den Fällen des § 62 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 Buchst. a EStG
— von der einkommensteuerrechtlichen Behandlung des Antragstellers abhängig. Eine Behandlung nach § 1 Abs. 3 EStG
setzt daher voraus, dass das FA in dem maßgeblichen Einkommensteuerbescheid dem Antrag des Steuerpflichtigen entsprochen und ihn demnach gemäß § 1 Abs. 3 EStG
veranlagt hat. (Bundesfinanzhof: Urteil vom 22.02.2018 – III R 10/17
). Hier können Sie das Urteil nachlesen:
https://www.iww.de/quellenmaterial/id/202266
Das bedeutet, dass erst ein Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2019 die Grundlage für die Bescheidung des Kindergeldes darstellt.
Der BFH hat mit Urteil vom 14.3.2018, III R 5/17
entschieden, dass der Anspruch auf Kindergeld nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG
nur für die Monate besteht, in denen der Steuerpflichtige inländische Einkünfte i.S.d. § 49 EStG
erzielt.
Nach § 49 Abs. 1 Nr. 2f) EStG sind beschränkt steuerpflichtige Einkünfte solche aus Vermietung und Verpachtung.
Mit Schreiben vom 15.8.2019, BStBl I 2019, 846 nimmt das Bundeszentralamt für Steuern Stellung zu den Gesetzesänderungen durch das Gesetz vom 11.7.2019, BGBl I 2019, 1066
: § 66 Abs. 3 EStG
wird aufgehoben. Dem § 70 Abs. 1 EStG
werden die folgenden Sätze angefügt: Die Auszahlung von festgesetztem Kindergeld erfolgt rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist.
Das wiederum heißt, dass aufgrund Ihres Antrages auf Zahlung von Kindergeld dieses festgesetzt werden, aber rückwirkend nur für sechs Monate gezahlt werden wird.
Kindergeld soll den Aufwand der Lebenshaltungskosten mindern, die für ein Kind in Deutschland entstehen. Lebt das Kind nicht in Deutschland, wird die Zahlung von den in Deutschland erzielten Einkünften abhängig gemacht. Ihre in Deutschland erzielten Mieteinnahmen berechtigen Sie dazu, als unbeschränkt steuerpflichtig im Hinblick auf die Berechtigung zum Bezug von Kindergeld zu gelten, allerdings ist das an die Erfüllung von Nachweispflichten gebunden. Daher der mühsame Weg der Antragsbescheidung. Die erst seit kurzem geltende Auszahlungsbeschränkung auf (rückwirkend) sechs Monate folgt aus einem Gesetz zur Bekämpfung des Missbrauchs bei der Beantragung des Kindergeldes durch EU-Ausländer. Dass dadurch auch im Ausland lebende Deutsche betroffen werden, ist unvermeidbare Nebenfolge. Sie können aber trotzdem Einspruch einlegen, wenn Sie der Meinung sind, dass Ihr Antrag auf Zahlung des Kindergeldes nicht rechtmäßig beschieden wurde.
Ich hoffe, Ihnen weitergeholfen zu haben, und verbleibe mit freundlichen Grüßen!
Elisabeth v. Dorrien
Rechtsanwältin
Ich bedanke mich sehr für Ihre ausführliche Antwort.
Ich hatte schon Einspruch eingelegt und dieser wurde als sachlich unbegründet zurückgewiesen weil ich leider keinen Nachweis des Finanzamtes vorlegen konnte dass ich nach §1 Abs. 3 EStG steuerpflichtig bin. Es ist mir selber leider nicht möglich einen solchen Nachweis vor Juli/August 2020 zu erhalten. Sobald ich diesen erhalte würde ich diesen selbstverständlich der Familienkasse nachreichen.
Ich habe nur noch eine Frage, verstehe ich es richtig, dass sofern meinem Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht entsprochen wird ich auch ab Juni 2019 als unbeschränkt steuerpflichtig gelte, oder erst ab Antragstellung?
Vielen Dank.
Vielen Dank für Ihre Nachfrage!
Mit Ihren (fortlaufenden) Mieteinkünften sind Sie gem. § 49 EStG
beschränkt steuerpflichtig in Deutschland. Davon zu trennen ist der Antrag auf (fiktive) unbeschränkte Steuerpflicht, um Kindergeld erhalten zu können.
Sie sollten tatsächlich sowohl einen Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht gem. § 1 Abs. 3 EStG
stellen als auch einen Antrag auf Zahlung von Kindergeld, weil das eine zwar vom anderen abhängig ist, aber beides für sich genommen nachgewiesen und beschieden werden muss. Dabei gilt für das Kindergeld das sog. Monatsprinzip (BFH, Urteil vom 14.3.2018, III R 5/17
, DStR 2018, 1167
ff.)
Auch wenn der Steuerpflichtige regelmäßig für das gesamte Kalenderjahr nach § 1 Abs. 3 EStG
als fiktiv unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wird und sich aus dem entsprechenden Einkommensteuerbescheid nicht ergibt, in welcher Zeit er inländische Einkünfte erzielt hat, ist für den Kindergeldanspruch allein das in § 66 Abs. 2 EStG
verankerte Monatsprinzip entscheidend.
Insofern kann nicht sicher gesagt werden, ab wann (ab welchem Monat) die Kindergeld-Berechtigung vom Finanzamt akzeptiert werden wird. Deshalb sollten Sie beide Anträge sogleich einreichen, auch wenn Ihnen gesagt wurde, dass es erst im August 2020 die Anlage EU/EWR gefertigt werde.
Die Finanzämter haben meist mit den Anträgen von Grenzpendlern bzw. ausländischen Saisonarbeitern zu tun, die Kindergeld beabspruchen. Ihr Fall der (fiktiven) unbeschränkten Steuerpflicht aufgrund der (§ 49 EStG-) Mieteinkünfte ist sicher eher ungewöhnlich, daher sollten Sie durch die frühzeitige Stellung der Anträge Ihre Rechtsposition auf jeden Fall sichern. Bitte lesen Sie auch folgendes Urteil des Bundesfinanzhofes:
BFH Urteil vom 20.11.2008, III R 53/05
, BFH/NV 2009, 564
. Zitat:
"Der Kindergeldanspruch setzt u.a. voraus, dass der Antragsteller, wenn er nicht den inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat (§ 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG
) nach § 1 Abs. 3 EStG
als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird (§ 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG
).
Dabei ist zu beachten, dass die Einkommensteuerfestsetzung und die Kindergeldfestsetzung in unterschiedlichen Verfahren erfolgen, so dass hinsichtlich des inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts im Inland der Einkommensteuerbescheid für die Kindergeldfestsetzung nicht bindend ist. Die Familienkasse muss also selbständig prüfen, ob ein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Inland vorliegt.
Für die Kindergeldvoraussetzung der unbeschränkten Steuerpflicht auf Antrag nach § 1 Abs. 3 EStG
ist allerdings die Entscheidung im Veranlagungsverfahren zur Einkommensteuer für die Familienkasse bindend. Hierzu muss zwingend beim Finanzamt ein Antrag nach § 1 Abs. 3 EStG
gestellt werden, andernfalls ist das Kindergeld zu versagen. Dafür sprechen auch Gründe der Praktikabilität, da durch diese Anknüpfung an das Veranlagungsverfahren die Familienkassen von der Prüfung der zum Teil schwierigen Sach- und Rechtsfragen entlastet werden."
Ich hoffe, die Antwort auf Ihre Frage ist nun noch etwas klarer geworden.
Nochmals viele Grüße!