Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Ich kann Ihnen nur dringend davon abraten, den Termin bei der Polizei wahrzunehmen.
Die Grenzen zwischen der Vernehmung als Zeuge, der sogenannten „informatorischen Befragung" und dann der Beschuldigtenvernehmung sind in der Praxis fließend und werden von der Polizei bei der Einvernahme leider nicht immer beachtet.
Soweit Sie beabsichtigen, dort lediglich „die Akte einzusehen", wird Ihnen die Polizei erfahrungsgemäß schon aus ermittlungstaktischen Gründen den Akteninhalt nicht zugänglich machen. Dazu ist sie auch nicht berechtigt oder verpflichtet.
Wenn Sie (was das einzig Richtige ist) also ohnehin keine Angaben zur Sache machen wollen, sollten Sie den Termin absagen und sich schnellstmöglich mit einem Rechtsanwalt in Verbindung setzen. Dieser wird dann die Akte einsehen und gegebenenfalls darauf hinwirken, dass Ihre Rolle im Verfahren (Zeuge oder Beschuldigter) geklärt wird.
Ich kann ohnehin nicht nachvollziehen, inwieweit Sie bloß aufgrund Ihrer Haltereigenschaft, als Zeuge in Betracht kommen. Zeugen haben die Aufgabe, eigene Wahrnehmungen zu einem Sachverhalt wiederzugeben. Entweder Sie waren an dem angeblichen Unfall beteiligt, dann wären Sie als Beschuldigter zu vernehmen oder Sie wissen davon nichts, dann ist für mich nicht nachvollziehbar, inwieweit hier eine Vernehmung als Zeuge in Betracht kommen.
Es spricht also vieles dafür, dass es sich hier um einen ermittlungstaktischen Trick handelt, um Sie möglicherweise zu einer für Sie ungünstigen Aussage zu bewegen.
Denken Sie bitte daran, dass bereits allein die Tatsache, dass Sie einräumen, zum fraglichen Zeitpunkt der Führer des Fahrzeugs gewesen zu sein, Siee sehr erheblich belasten kann. Meiner Meinung nach gibt es keine Alternative zu dem vorgeschlagenen Vorgehen, also den Termin bei der Polizei nicht wahrzunehmen und unverzüglich einen Anwalt zu beauftragen.
Sie könnten alternativ allenfalls abwarten, ob Sie, wenn sie den Termin zur Zeugenvernehmung nicht wahrnehmen, irgendwann eine Vorladung zur Beschuldigtenvernehmung erhalten.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Nachfrage vom Fragesteller
25.11.2018 | 20:18
Sehr geehrte Herr Kinder,
vielen Dank für Ihre Antwort und die ausführlichen Erklärungen. Wie Sie empfehlen, werde ich den Termin bei der Polizei nicht wahrnehmen (und dem Sachbearbeiter das telefonisch mittteilen). Wie geschildert, möchte ich zu jetzigen Zeitpunkt als „Zeuge" aus Kostengründen noch keinen Rechtsanwalt beauftragen. Ich bin mir überhaupt nicht sicher, dass ich einen Unfall tatsächlich verursachte.
Ich möchte, wie von Ihnen vorgeschlagen, die zweite Option wahrnehmen: abwarten, bis ich ggf. eine Vorladung zu Beschuldigtenvernehmung erhalte. Darf ich aber die Vernehmung als „Zeuge" verweigern? Bin ich nicht verpflichtet bei der Polizei zu erscheinen und Aussagen zu machen?
Mit freundlichen Grüßen
Antwort auf die Nachfrage vom Anwalt
25.11.2018 | 23:12
Leider hat sich hier die Rechtslage etwas zuungunsten der Bürger geändert. Bis etwa Mitte 2017 war es so, dass man Vorladungen der Polizei einfach ignorieren konnte. Es war jedoch immer schon so, dass man zu richterlichen oder staatsanwaltschaftlichen Vernehmungen auch als Zeuge erscheinen musste. Nunmehr ist in § 163
III der Strafprozessordnung geregelt, dass Zeugen verpflichtet sind, zu erscheinen, wenn ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zu Grunde liegt. Es muss also einen entsprechenden Auftrag der Staatsanwaltschaft geben. Bei einer „einfachen" Vorladung durch die Polizei hat sich hingegen nichts geändert. Gibt es keinen Auftrag der Staatsanwaltschaft, gilt auch keine Pflicht, dass der Zeuge erscheinen muss. Letzteres ist in der Praxis nach wie vor der absolute Regelfall, da die Staatsanwaltschaft gerade bei Massendelikten in der Regel keine Zeit hat, sich im Einzelnen um das Verfahren zu kümmern. Außerdem muss einer solchen Beauftragung der Polizei immer eine Einzelfallentscheidung bezogen auf das konkrete Ermittlungsverfahren zugrundeliegen. Letztendlich kommt es also auf den Inhalt der Vorladung an. Darüber hinaus ist es natürlich so, dass Sie zwar zum Erscheinen gezwungen werden können (wenn die obigen Voraussetzungen vorliegen) aber selbstverständlich nichts sagen müssen. Das bedeutet im Ergebnis: wenn sie rechtswidrig von der Polizei gezwungen werden (zum Beispiel, indem sie „abgeholt werden", was ich allerdings auch seit der Gesetzesänderung noch nicht erlebt habe) sollten Sie in jedem Fall schweigen und einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 163 V StPO
beantragen.
Ich habe die Rechtslage jetzt noch mal etwas ausführlicher dargestellt. In der Praxis spielt die Neuregelung bisher zumindest in meinem Landgerichtsbezirks so gut wie keine Rolle. Wenn Sie der Vorladung nicht entnehmen können, dass diese auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft erfolgt, ist es am besten ist, Sie rufen bei der Polizei an, teilen mit, dass Sie nicht erscheinen werden und hören sich dann mal an, wie der Beamte reagiert. Gegebenenfalls müssten Sie je nach Lage der Dinge nochmal nachfragen, was Sie tun sollen, da es nicht möglich ist in diesem Rahmen alle Varianten (Zeugnisverweigerungsrechte zB) und taktischen Vorgehensweisen "prophylaktisch" durchzugehen.
Alles Gute.
MK