Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Ich möchte diese anhand des geschilderten Sachverhaltes im Rahmen dieser Erstberatung wie folgt beantworten:
Zu Frage 1. Inwieweit können wir als Töchter die Frau dafür haftbar machen, dass sie unseren Vater in ihrer Pflicht als Pflege wie auch Frau so stark vernachlässigt hat, dass er fast gestorben wäre, wo doch seine Frau bis zum Einschalten des Pflegedienstes Pflegegeld bezogen hat und die Pflege aber nachlässig vollzogen hat?
Die geschilderte Vernachlässigung Ihres Vaters durch dessen Frau stellt eine schwerwiegende Verletzung der Fürsorgepflicht aus der ehelichen Gemeinschaft dar, für welche die Ehefrau auch haftbar gemacht werden kann. Hier dürften Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche seitens Ihres Vaters entstanden sein, welche jedoch nicht Sie als Töchter, sondern nur Ihr Vater selbst bzw. dessen Betreuer im Namen Ihres Vaters geltend machen könnte.
Vorgenannte Ansprüche resultieren aus § 823 Abs.2 BGB
in Verbindung mit einem Schutzgesetz. Schutzgesetze im Sinne dieser Vorschrift sind insbesondere auch Strafrechtliche Normen. Angesichts Ihrer Schilderung ist hier davon auszugehen, dass die Ehefrau zumindest den Tatbestand der Körperverletzung gemäß § 223 StGB
, unter Umständen sogar des versuchten Totschlags gemäß §§ 212
, 23 StGB
verwirklicht haben könnte. Die Ehefrau hat zwar aktiv an derartigen Taten nicht mitgewirkt, allerdings können die vorgenannten Delikte gemäß § 13 StGB
auch durch das Unterlassen einer gebotenen Handlung verwirklicht werden. Dies setzt rechtlich eine Garantenpflicht auf Seiten der Ehefrau voraus, was eine rechtliche Handlungspflicht bedeutet, dass bei Ihrem Vater ein bestimmter Erfolg (hiermit ist die weitere gesundheitliche Verschlechterung etc. gemeint) nicht eintritt. Eine solche Garantenpflicht war hier offenkundig auch gegeben, denn diese resultiert bei Ehegatten bereits aus dem Gesetz, § 1353 BGB
. Danach sind Ehegatten immer verpflichtet, Leibes- und Lebensgefahren voneinander abzuwenden (BGH 19, 168). Entsprechend Ihrer Schilderung ist dies hier nicht erfolgt, so dass die Ehefrau für die entstandenen gesundheitlichen Verschlechterungen Ihres Vaters grundsätzlich haftbar gemacht werden kann.
Zu Frage 2. An wen können wir uns in diesem Fall erfolgreich wenden? Gibt es hierfür einen Fachanwalt od. ähnliches?
Um die Ansprüche Ihres Vaters geltend zu machen, müssen Sie sich zunächst an den Betreuer wenden und mit diesem die weitere Vorgehensweise abstimmen. Denn der Betreuer ist gesetzlicher Vertreter Ihres Vaters und diesem obliegt unter anderem auch die entsprechende Personensorge. Zugleich empfiehlt es sich, zur erfolgreichern Durchsetzung der Ansprüche Ihres Vaters, einen vor Ort ansässigen Rechtsanwalt mit dessen Interessenwahrnehmung zu beauftragen, welcher den direkten Kontakt mit dem Betreuer Ihres Vaters suchen und mit diesem eng zusammenarbeiten wird.
Zu Frage 3. Inwieweit trägt das Amt eine Mitschuld daran, dass Pflegegeld an eine Alkoholikerin auszahlt (was ihnen bekannt war) und eine Eignung dafür nicht überprüft?
Eine Mitschuld dürfte in Ihrem Fall das Amt insoweit zu tragen haben, als dass es sehenden Auges das Pflegegeld an eine ungeeignete Person ausgezahlt hat. Angesichts Ihrer Schilderung hätte das Amt bei Kenntnis der Sachlage damit rechnen müssen, dass die Ehefrau das Geld nicht zweckentsprechend für Ihren Vater verwendet, sondern vielmehr den eigenen Alkoholkonsum damit finanzieren wird. Insoweit hätte das Amt nach meiner Einschätzung das Pflegegeld eher an den Betreuer als an die Ehefrau auszahlen müssen, derartige Überlegungen sind aber offensichtlich in zumindest grob fahrlässiger Weise nicht einmal angestellt worden. Vor diesem Hintergrund könnte sich gegebenenfalls auch das Amt im Rahmen dieser Mitschuld gegenüber Ihrem Vater wegen Amtspflichtverletzung gemäß § 839 BGB
ergänzend schadensersatzpflichtig gemacht haben, sofern die Ehefrau das ausgezahlte Pflegegeld zweckentfremdet verwendet hat.
Zu Frage 4. Geben Sie bitte uns eine Empfehlung, ob wir diesen Fall weiterverfolgen sollen oder nicht. Uns ist daran gelegen, dass die Frau zur Verantwortung gezogen wird.
Ich empfehle Ihnen, sich zunächst auf die Durchsetzung der Ansprüche Ihres Vaters (wie bei Frage 1 und 2 aufgezeigt) gegenüber der Ehefrau zu konzentrieren und in Absprache mit dem Betreuer einen anwaltlichen Kollegen vor Ort damit zu beauftragen. Wegen der unter Frage 1 außerdem geschilderten strafrechtlichen Verantwortlichkeit können Sie zugleich Strafanzeige gegen die Ehefrau erstatten. Ob Sie dann gegebenenfalls noch wegen der unter Frage 3. geschilderten Umstände ergänzend gegen das Amt vorgehen, sollten Sie erst einmal nachrangig entscheiden bzw. diese Entscheidung zurückstellen und sich auf das Vorgehen gegen die Ehefrau konzentrieren. Grund hierfür ist, dass erfahrungsgemäß Amtshaftungsansprüche gemäß § 839 BGB
rein praktisch in der Regel nur sehr schwer durchsetzbar sind und oft aus kaum nachvollziehbaren Gründen von den Gerichten abgelehnt werden.
Zu Frage 5. Ist es Rechtens, dass sie das Wohnrecht, welches unserem Vater und unserer verstorbenen Mutter galt nutzt unter dem Vorwand sie wäre seine Frau und holt sich auch noch ihren Ex-Freund ins Haus?
Zur Nutzung des Wohnrechts ist sie allein aufgrund ihrer rechtlichen Stellung als (Noch)Ehefrau leider erst einmal berechtigt, solange die Scheidung noch nicht abgeschlossen ist. Aufgrund der geschilderten schweren ehelichen Verfehlungen der Frau gegenüber Ihrem Vater könnte aber auch mit dieser Begründung noch während bzw. im Rahmen des laufenden Scheidungsverfahrens versucht werden, eine vorzeitige Auflösung der gemeinsamen ehelichen Wohnung durchzusetzen. Denn spätestens wenn Ihr Vater seinem geäußertem Wunsch entsprechend nach Besserung seines Zustandes in der Lage und Willens ist, wieder nach Hause zurückzukehren, würde das ihm allein zustehende Wohnrecht sicherlich stärker wiegen. Die Ehefrau müsste dann selbst dafür Sorge tragen, sich eine eigene anderweitige Wohnung zu suchen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen einen ersten Überblick verschaffen und meine Ausführungen helfen Ihnen weiter. Außerdem würde mich über eine entsprechend positive Bewertung durch Sie sehr freuen.
Bei verbliebenen Unklarheiten können Sie bitte gern die kostenlose Nachfragefunktion nutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Joschko
Rechtsanwalt
Diese Antwort ist vom 08.05.2010 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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