Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen nach erster summarischer Prüfung der Rechtslage wie folgt beantworten:
Aus § 640 BGB ist der Besteller in der Tat zur Abnahme des Gewerkes verpflichtet. Aber eben nicht unter allen Umständen. Denn aus § 640 Abs. 1 BGB muss das Gewerke vertragsgemäß hergestellt worden sein. Dies erscheint mir hier nicht der Fall zu sein.
Vertraglich haben Sie sich verpflichtet das Gewerbe bei Bezugsfertigkeit abzunehmen.
Hier erscheint mir jedenfalls noch keine Fertigstellung des Gebäudes vorzuliegen. Der Begriff Fertigstellung ist nach allgemein rechtlichem Sprachgebrauch nicht gleichzusetzen mit der Bezugsfertigkeit.
Während die Bezugsfertigkeit schon vorliegt, wenn das Objekt genutzt werden kann, ist Fertigstellung erst gegeben, wenn alle Arbeiten erbracht und sämtliche, vorhandenen Mängel, jedenfalls die wesentlichen, beseitigt sind (vgl. BGH, Urt. v. 20.01.2000 - VII ZR 224/98).
Es stellt sich also die Frage, ob das Gewerke bereits genutzt werden kann. Das Gewerk ist darüber hinaus abnahmereif, wenn es zum einen vollständig und zum anderen ohne wesentliche Mängel ist. Bei wesentlichen Mängeln kann das Gewerke aber nicht benutzt werden.
Ob dem Besteller eine Abnahme zuzumuten ist, hängt von der Art, dem Umfang und vor allem von den Auswirkungen eines Mangels ab und lässt sich nur unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles beurteilen. Wichtige Beurteilungshilfen sind insoweit, ob Einzelheiten in Rede stehen, deren Bedeutung für den Besteller im Rahmen der Vertragsverhandlungen hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht wurde (vgl. BGH, Urt.v. 15.06.2000 - VII ZR 30/99).
Wesentliche Mängel, die zur Abnahmeverweigerung berechtigen, können vorliegen, wenn die über das Gesamtwerk verteilten Mängel in ihrer Summe wesentlich sind und zudem die Gebrauchsfähigkeit beeinträchtigen (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 22.12.1999 - 4 U 105/99).
Hier erscheinen mir die von Ihnen geschilderten Mängel sicherlich erheblich, in der Summe aller Mängel würde ich mit dem OLG Stuttgart aber nicht von einer Gesamtbeinträchtigung ausgehen. Die Abnahme könne sie daher aus meiner Sicht nicht verweigern.
Sollten Sie abnehmen, so sind alle Mängel in das Abnahmeprotokoll aufzunemmen und die Abnahme unter dem Vorbehalt der Mängelbeseitigung zu erklärt.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen.
Mit freundlichen Grüßen