Irrtum - Anfechtung - Auslegung
16.10.2006 23:08
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Sehr geehrte Damen und Herren,
ich hatte einen halbjährigen Werkvertrag mit einer Firma, der zur beiderseitigen Zufriedenheit durchgeführt wurde. Da die Firma großes Interesse an einer ununterbrochen fortgesetzten Zusammenarbeit zeigte, wies ich einen Monat vor Ablauf des Vertragszeitraums darauf hin, daß ich einen neuen Werkvertrag nur zu verbesserten Konditionen eingehen würde. Diesbezüglich führte ich Vorverhandlungen mit dem Geschäftsführer der Filiale, für die ich tätig bin. Da der neue Werkvertrag ausschließlich von der Zentrale (Einkauf der Firma) angeboten werden kann, einigten wir uns telefonisch einige Tage vor Ablauf des ersten Werkvertrags darauf, daß er der Zentrale den ausgehandelten neuen Stundensatz vorschlagen würde, damit diese mir auf dieser Basis ein neues Angebot machen könne. Diese Information erreichte die Zentrale jedoch erst später, da sich der Geschäftsführer der Filiale schon auf dem Weg in einen 14tägigen Urlaub befand. Kurz danach erreichte mich ein neues Angebot der Zentrale per E-Mail-Anhang; ich nahm das Angebot an, ohne vollständige Kenntnis vom genauen Inhalt zu haben, indem ich den Auftrag fortsetzte. Auf der Vorderseite (Seite 1) befand sich eine Berechnung des Gesamtbestellwertes, die noch auf dem alten Stundensatz aus dem Vorvertrag und einer geschätzten Stundenzahl basierte. Der Auftragszeitraum begann rückwirkend bereits einen Monat früher, d.h. mit einmonatiger Überlappung zu dem gerade zuendegehenden Auftragszeitraum.
Knapp 14 Tage später, nach der Rückkehr des Filialleiters aus dem Urlaub, suchte ich diesen auf mit der Bitte, von der Zentrale den bereits begonnenen Werkvertrag rückwirkend auf den mündlich besprochenen Stundensatz ändern zu lassen. Dabei fiel mir auf, daß auf Seite 2 des Vertrags der Gesamtbestellwert aus dem Vorvertrag eingetragen war, gekennzeichnet als „vorläufige Bestellobergrenze“, und der Stundensatz mit demselben Wert wie der auf Seite 1 errechnete Gesamtbestellwert angegeben war. Im Text findet sich die Bestimmung, daß auf der Basis der tatsächlich geleisteten Arbeit zu dem angegebenen Stundensatz abgerechnet wird. Ich wies auf den offensichtlichen Irrtum zu meinen Gunsten hin und bat darum, diesen Fehler ebenfalls zu beseitigen. Der Filialleiter sagte mir dies zu und leitete die Informationen (neuer Stundensatz, im Vertragstext enthaltene Fehler) sofort an die Zentrale weiter.
Nach zehn Tagen fragte ich beim Filialleiter ergebnislos nach dem geänderten Vertrag. Nach einer weiteren Woche fragte ich nochmals erfolglos nach. Als mein Abrechnungszeitpunkt am Monatsende drei Wochen nach Bekanntgabe des Irrtums kam, stellte ich meine Rechnung auf der Basis des schriftlich explizit genannten Stundensatzes. Weiterhin meldete sich niemand bei mir. Erst auf telefonische Nachfrage erfuhr ich, daß meine Rechnung zurückgewiesen würde, weil ich den im Vertrag genannten Stundensatz zugrundegelegt hatte, mit der Begründung, es handele sich um einen Schreibfehler und sei offensichtlich falsch. Die Informationen über den Irrtum und den mündlich ausgehandelten Stundensatz seien angekommen und ins firmeneigene Abrechnungssystem übertragen worden; der geänderte Werkvertrag sei erstellt, aber „aus unerfindlichen Gründen“ nicht an mich gesendet worden. Ich teilte daraufhin mit, daß ich nunmehr an dem vertraglich festgelegten Stundensatz und damit an meiner Rechnung festhalten wolle. Mir wurde entgegnet, daß man den eigentlichen Willen, der bei der Abfassung des Werkvertrags zugrundegelegen habe, leicht durch Auslegung erkennen könne, indem man den Stundensatz betrachte, der bei der Berechnung des vorläufigen Gesamtbestellwertes auf Seite 1 zugrundegelegt worden sei. Eine Anfechtung des fehlerhaften Vertrags sei deswegen nicht erforderlich gewesen. Ich solle eine geänderte Rechnung auf der Basis des mündlich mit dem Filialleiter abgesprochenen Stundensatzes stellen, der sich an keiner Stelle des schriftlichen Vertrags findet.
Meine Fragen hierzu:
1. Handelt es sich bei der (überhöhten) Stundensatzangabe im Angebot, auf dessen Basis der Vertrag zustandekam, um einen verdeckten Kalkulationsirrtum, da sich keine (sinnvolle) Berechnungsgrundlage für diesen Wert im Vertragstext befindet? Oder
2. handelt es sich um einen offenen Kalkulationsirrtum, da angeblich versehentlich das Ergebnis der Berechnung des Gesamtbestellwertes in das Feld für den Stundensatz eingetragen wurde? Oder
3. handelt es sich um einen Schreibfehler?
4. Kann anhand der völlig inkonsistenten Kalkulation der genaue Inhalt des Vertrags auf dem Wege der Auslegung bestimmt werden, weil bei der Berechnung des unverbindlichen Gesamtbestellwertes ein anderer Stundensatz verwendet wurde als der ausdrücklich im Vertragstext benannte?
5.Kann ich, nachdem der durch mich bekanntgemachte Irrtum und mein Angebot zur Änderung des fehlerhaften Vertragstextes ca. einen Monat ignoriert wurden, nunmehr von einer endgültigen Wirksamkeit des Vertrags ausgehen, oder muß ich mir ggf. eine vom Wortlaut abweichende Auslegung gefallen lassen?
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!