Sehr geehrter Mandant,
zunächst möchte ich mich für die eher späte Beantwortung Ihrer Frage entschuldigen. Das ist allerdings dem Umstand geschuldet, dass ich erst jetzt auf Ihre Frage aufmerksam geworden bin, obwohl wir in unserer Kanzlei auch schwerpunktmäßig medizinische Fälle bearbeiten. Nunmehr möchte ich Ihre Fragen auf Basis der mir bereitgestellten Informationen wie folgt beantworten:
Gemäß der gesetzlichen Bestimmungen zur Ausübung Ihrer Aufklärungspflicht sind Sie oder einer Ihrer Mitarbeiter, der über die nötige Ausbildung verfügt, grundsätzlich verpflichtet über alle für die Impfung wesentlichen Umstände aufzuklären. Die Rechtsprechung erachtet hier allerdings eine Aufklärung über die der jeweiligen Impfung anhaftenden Risiken, die bei Verwirklichung der Lebensführung den Patienten besonders belasten, als ausreichend. Ferner sind sie gemäß der gesetzlichen Bestimmungen befugt, auf die ausgeteilte Informationsbroschüre Bezug zu nehmen. Die Aufklärung des Patienten ist ferner dann nicht notwendig, wenn dieser ernstlich und unmissverständlich auf eine Aufklärung verzichtet.
Zusammenfassend möchte ich daher Frage 1. wie folgt beantworten: Sie sind verpflichtet, die Eltern über die jeweiligen spezifischen Risiken mündlich abzuklären. Dabei dürfen Sie auf die Broschüre Bezug nehmen. Das bloße Austeilen der Broschüre ist nicht ausreichend.
Frage zwei möchte ich zusammenfassend wie folgt beantworten: Soweit die Eltern ausdrücklich zugeben, die Broschüre nicht gelesen zu haben und mit der Impfung trotzdem einverstanden sind, dürfte dies als Aufklräungsverzicht zu werten sein. Um allerdings eine eindeutige Rechtslage zu schaffen, würde ich Ihnen raten ausdrücklich zu fragen, ob die betroffenen Eltern auf eine Aufklärung verzichten.
Nun zur Frage drei: Nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen sind Sie leider verpflichtet, den Patienten so aufzuklären, dass es für Ihn verständlich ist. Demgemäß müssten Sie die Eltern trotzdem, evt. in möglichst einfacher Sprache, über die spezifischen Risiken der jeweiligen Impfung aufklären.
In der von Ihnen unter Frage vier geschilderten Sachverhaltskonstellation sollten Sie zunächst versuchen in einfacher und verständlicher Alltagssprache über die Risiken aufzuklären. Soweit Migranten-Eltern betroffen sind, könnten Sie evt. mit diesen vorher abklären, ob Sie nicht jemanden, der der deutschen Sprache mächtig ist, als Übersetzer zu dem Impftermin mitbringen können. Soweit auch dies nicht möglich ist, rate ich Ihnen, mit dem zuständigen Jugendamt Rücksprache zu halten, um evt. Haftungsfällen aus dem Weg zu gehen.
Bezüglich der unter Frage fünf geschilderten Massenimpfungen gelten ebenfalls die oben geschilderten Aufklärungsvorgaben für Routineimpfungen. Die von Ihnen geschilderten Vorgänge entsprechen nicht den gesetzlichen Vorgaben.
Zur Frage sechs: Meines Erachtens dürfte bei einem entsprechenden Nachweis (der praktisch kaum gelingen dürfte) Ihr Haftpflichtschutz nicht gefährdet sein. Grobfahrlässig handelt nämlich nach der gängigen Rechtsprechung nur derjenige, der das außer Acht lässt, was einem Jeden in der konkreten Situation hätte einleuchten müssen. Da Sie ja eine Broschüre austeilen und bisher jedenfalls ein Aufklärungsgespräch anbieten, sehe ich hier keine Veranlassung dazu, dass sie das missachten, was einem jeden einleuchten müsste. Grobe Fahrlässigkeit dürfte Ihnen mithin nicht vorwerfbar sein.
Ihre Frage sieben möchte ich zusammenfassend und unter Berücksichtigung des oben gesagten wie folgt beantworten: Leider werden Sie, wie oben bereits geschildert, von der Rechtsprechung dazu verpflichtet, wenigstens über die spezifischen Risiken der konkreten Impfung aufzuklären. Dies sollte möglichst in verständlicher und alltäglicher Sprache geschehen. Möglich ist natürlich auch die Aufklärung an einen Ihrer Mitarbeiter zu delegieren. Da dieser jedoch über die zur Durchführung der Maßnahme erforderliche Ausbildung verfügen muss, müsste es sich bei dem Mitarbeiter gemäß den gesetzlichen Bestimmungen jedenfalls um medizinisches Fachpersonal handeln.
Ich hoffe, Ihnen umfassend und verständlich weitergeholfen zu haben. Soweit Sie dennoch Fragen haben, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Nutzen Sie hierfür gern die kostenlose Nachfragefunktion.
Freundliche Grüße,
Rechtsanwalt Becker
Diese Antwort ist vom 31.10.2016 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Sehr geehrter Herr RA Becker,
herzlichen Dank für Ihre Antwort.
Leider hilft sie mir nicht wirklich weiter, weil meine gestellten Fragen nicht alle beantwortet wurden.
Meine Frage 1 war, ob ich aktiv NACHFRAGEN und mich ÜBERZEUGEN muss, ob Eltern die Aufklärungsbroschüre gelesen haben. Muss ich also fragen: "Haben Sie die Aufklärungsbroschüre gelesen und verstanden?" oder reicht meine Frage: "Haben Sie noch Fragen zu der Impfung?"
Ihre Antwort beantwortet diese Frage nicht.
Meine Frage 2 beantworten Sie so, dass ich auch impfen darf, wenn die Eltern ganz offensichtlich nicht aufgeklärt sind und eine Aufklärung ausdrücklich ablehnen.
Meine Frage 3 schildert den Fall, dass Eltern die medizinischen Sachverhalte gar nicht verstehen. Ihre Antwort:
"Nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen sind Sie leider verpflichtet, den Patienten so aufzuklären, dass es für Ihn verständlich ist. Demgemäß müssten Sie die Eltern trotzdem, evt. in möglichst einfacher Sprache, über die spezifischen Risiken der jeweiligen Impfung aufklären."
beantwortet meine Frage nicht.
Ich hatte danach gefragt, was zu tun ist, wenn Eltern mangels Verständnis auch in einfacher Sprache nicht aufgeklärt werden können. Beispiel: Die 16-jährige junge Mutter aus Syrien, die weder eine Leber, noch Gehirnhäute, noch die Atemwege, noch das Nervensystem kennt und somit über die Meningitis-Impfung, Hepatitis-Impfung, über Keuchhusten und Kinderlähmungsimpfung nicht aufgeklärt werden kann.
Die Problematik eines Dolmetschers, der selbst diese ganzen anatomischen Gegebenheiten nicht kennt und selbst wenn er sie kennt und übersetzt bei der Mutter trotzdem zu lkeinem Verständnis führt hatte ich ebenso geschildert wie den Umstand, dass man in Berlin mit 95% Migranten nicht für jede Impfung das Jugendamt einschalten kann.
Frage 5 wird von Ihnen dahingehend beantwortet, dass auch bei Massenimpfungen die gesetzlichen Vorgaben einzuhalten sind.
Frage 6 beantworten Sie so: Grobfahrlässig handelt nämlich nach der gängigen Rechtsprechung nur derjenige, der das außer Acht lässt, was einem Jeden in der konkreten Situation hätte einleuchten müssen.
Diese salomonische Antwort laß ich mal so stehen, obwohl ich hier durchaus Möglichkeiten sehe genau das dem impfenden Arzt vorzuwerfen: Dass er nämlich das außer Acht läßt (eine korrekte Impfaufklärung eben), was einem Jeden in der konkreten Situation hätte einleuchten müssen. Der nicht STIKO-konform aufklärende Arzt läßt nämlich genau diese korrekte Impfaufklärung außer Acht.
Frage 7 beantworten Sie nicht darauf eingehend, dass in 99% der Impfungen eine ordnungsgemäße STIKO-konforme Impfaufklärung in der Praxis aus Zeitgründen nicht geleistet werden kann, die Aufklärungsbroschüren nicht gelesen werden oder die medizinischen Sachverhalte nicht verstanden werden. In allen diesen Fällen können die Eltern als nicht aufgeklärt bezeichnet werden. Anders sind aber 20 - 30 Impfungen pro Tag in einer Kinderarztpraxis nicht durchführbar. Die Frage war, wie der Arzt aus diesem Spannungsfeld entkommen kann. Sie antworten mit Allgemeinplätzen.
Zugegeben ist es ein schwieriges und komplexes Thema.
Ich möchte im Rahmen der Nachfrage aber um die konkrete Beantwortung der Fragen 1 und 3 bitten.
Sehr geehrter Mandant,
Ihre Nachfragen sind zum größten Teil unberechtigt. Aus Kulanzgründen bin ich dennoch zur Beantwortung Ihrer Frage bereit: Ich hatte Ihnen bezüglich der Frage 1 mitgeteilt, dass Sie nach der gängigen Rechtdprechung dazu verpflichtet sind, über die spezifischen Auswirkungen der jeweiligen Impfungen aufzuklären. Sie müssen also jedenfalls darüber aufklären, welche Begleiterscheinungen (zB. Fieber oder Schüttelfrost) auftreten können. Dies muss mündlich geschehen. Aktives Nachfragen bzw. überzeugen reicht nicht.
Soweit die Eltern medizinische Nachfragen nicht verstehen, sind Sie dazu angehalten, auch diesen Eltern die spezifischen Risiken und zwar in einer alltäglichen Sprache (zB. Fieber/ Schüttelfrost/Hautausschlag/ schlecht Luft kriegen/ Durchfall etc.) zu erklären. Ich gehe davon aus, dass eine solche Alltagssprache auch von bildungsfernen Eltern verstanden wird und auch ein Dolmetscher sowas übersetzen könnte.
Es tut mir leid, wenn die Antwort nicht in Ihrem Sinne ist oder Sie gern etwas anderes gehört hätten. Die von mir geschilderte Rechtslage entspricht dem geltenden Recht. Dieses regelt in erster Linie das Verhältnis des Patienten zum Arzt und zwar unabhängig davon, ob ein "Impfalltag" so möglich ist oder nicht. Sichergestellt werden soll ein vertrauenswürdiges Verhältnis zwischen Patient und Arzt. Ob dies wirtschaftlich machbar ist bzw. ob der behandelnde Arzt dann keine Zeit mehr für andere Untersuchungen hat, spielt für den Gesetzgeber und für die Rechtsprechung leider keine Rolle. Soweit diese Vorgaben nicht beachtet werden, kann sich ein Arzt potentiell regresspflichtig machen.
Freundliche Grüße,
Rechtsanwalt Becker
Es muss natürlich heißen "soweit die Eltern medizinische SACHVERHALTE nicht verstehen". Dieser Schreibfehler ist der Autokorrektur geschuldet und beim Korrekturlesen übersehen worden.