Gerne zu Ihrem Fall:
Ihre Nachbarn sind nicht komplett im Unrecht. Man muss differenzieren:
Richtig (und auch ökonomisch vernünftig) ist, dass in solchen Angelegenheiten ein Schiedsverfahren obligatorisch ist.
Richtig ist auch, dass nach § 910 BGB
der Nachbar Wurzeln eines Baumes oder eines Strauchs , die von Ihrem Grundstück eingedrungen sind, abscheiden und behalten darf (damit wäre allerdings "ein Schmeißen des gesammelte Laub zurück auf Ihr Grundstück" nicht gerechtfertigt.
Das Gleiche gilt von herüberragenden Zweigen, wenn der Eigentümer dem Besitzer des Nachbargrundstücks eine angemessene Frist zur Beseitigung bestimmt hat und die Beseitigung nicht innerhalb der Frist erfolgt.
Das "Behalten dürfen" bedeutet aber nicht, dass der Nachbar das auf seine eigenen Kosten entsorgen muss; vielmehr könnte er das nach angemessener Frist im Wege der Ersatzvornahme auf Ihre Kosten.
Hier käme Ihnen nur der Absatz 2 zur Hilfe: "2) Dem Eigentümer steht dieses Recht nicht zu, wenn die Wurzeln oder die Zweige die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen".
Um das Ausmaß dieser (nicht ganz unerheblichen) Beeinträchtigung rankt sich eine Fülle von kasuistischer (= Einzelfall bezogener) Rechtsprechung.
Relativ aktuell dazu der BGH (Urteil vom 20. September 2019 – V ZR 218/18
:
Kommt es trotz Einhaltung der Abstandsgrenzen zu natürlichen Immissionen auf dem Nachbargrundstück, ist der Eigentümer des Grundstücks hierfür nach der von dem Gesetzgeber vorgenommenen Wertung regelmäßig nicht verantwortlich. Aus Art. 124
EGBGB folgt nichts anderes. Richtig ist zwar, dass der Landesgesetzgeber nicht dem Nachbarn Rechte nehmen kann, die sich aus § 1004 Abs. 1 BGB
ergeben. Darum geht es hier jedoch nicht. Vielmehr stellt sich die (Vor-)Frage, ob einGrundstückseigentümer für natürliche Immissionen überhaupt verantwortlich ist. Scheidet dies aus, gibt es den von dem Berufungsgericht beschriebenen Konflikt zwischen den Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs und den
landesrechtlichen Vorschriften nicht. Zudem sprechen §§ 907
, 910 BGB
und die Gesetzesmaterialien zu diesen Vorschriften dafür, dass der Grundstückseigentümer für solche natürlichen Einwirkungen auf das Nachbargrundstück, die von § 910 BGB
(Überhang) nicht erfasst werden, regelmäßig nicht verantwortlich sein soll,wenn die Anpflanzungen mit dem Landesnachbarrecht in Einklang stehen. Ein Beseitigungsanspruch lässt sich auch nicht aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis herleiten, da die Beeinträchtigungen zwar erheblich, abernicht derart schwer sind, dass der Kläger sie trotz der in § 16 Abs. 1 Nr. 4a
i.V.m. Abs. 2 Satz 1 NRG-BW a. F zum Ausdruck gekommenen Wertung nicht mehr hinzunehmen hätte.
Der mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch auf eine Entschädigung von monatlich 230 € in den Monaten Juni bis November besteht nicht. Da der Beklagte für die Beeinträchtigungen nicht verantwortlich ist, kommt ein Ausgleichsanspruch gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB
weder in unmittelbarer noch in entsprechender Anwendung in Betracht.
Zur Zeit sind Sie - besser die brütende Vögel - allerdings bis zum Ende der sog. Schnittperiode nach dem Bundesnaturschutzgesetz vor Rückschnittansprüchen geschützt.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Hallo,
ganz herzlichen Dank für Ihre Antwort und die Zitate.
Könnten sie mir im Kurzen bitte das BGH-Urteil ohne Paragraphen kurz zusammenfassen?
Vielen Dank!
Gerne zu Ihrer Nachfrage:
Urteil vom 20. September 2019 – V ZR 218/18
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein Grundstückseigentümer von seinem Nachbarn in aller Regel nicht die Beseitigung von Bäumen wegen der von ihnen ausgehenden natürlichen Immissionen auf sein Grundstück verlangen kann, wenn die für die Anpflanzung bestehenden landesrechtlichen Abstandsregelungen eingehalten sind.
Natürliche Immissionen: Das sind Herbstlaub, Samen von Birken etc. die bislang (vor der neuen Rspr. des BGH) eine sog. Laubrente zu Ihrem Nachteil generieren konnte.
Aber Vorsicht: Es kommt letztlich auf die Überzeugung des einzelnen Richters über das Ausmaß der Immissionen an. Deshalb nach meiner Erfahrung: Den Gang zum teuren Gericht tunlichst vermeiden, weshalb in NRW das ungleich preiswertere (ca. EUR 50,--) Schiedsamtsverfahren einer Klage zwingend vorgeschaltet ist.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Position bestärken und verbleibe,
mit freundlichen Grüßen,
Ihr
Willy Burgmer
- Rechtsanwalt