Sehr geehrter Ratsuchender,
vielen Dank für Ihre Anfrage!
Nachfolgend möchte ich gerne unter Berücksichtigung Ihrer Sachverhaltsschilderung sowie Ihres Einsatzes Ihre Frage wie folgt beantworten:
1. Zwar handelt es sich beim Abschluss einer PKV um einen zivilrechtlichen Vertrag, über dessen Inhalt die Parteien grundsätzlich frei entscheiden können, jedoch macht der Gesetzgeber den Versicherungsunternehmen für das Leistungsspektrum einer PKV in § 12 Abs. 1a Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) Vorgaben im Sinne eines Mindeststandards.
Diese Regelung gilt ab dem 01.01.2009.
Danach müssen die Versicherer einen Basistarif anbieten, dessen Vertragsleistungen in Art, Umfang und Höhe den Leistungen nach Kapitel 3 SGB V (§§ 11 – 68 SGB V) jeweils vergleichbar sind.
Nach § 32 i.V.m. § 92 SGB V werden in den Heilmittelrichtlinien die Heilmittel und Behandlungsmaßnahmen aufgeführt, die ausreichenden und zweckmäßigen Versorgungsleistungen katalogisiert.
Wie Sie richtig feststellen, sind logopädische und ergotherapeutische Leistungen darin enthalten (Heilmittelrichtlinie, Erster Teil, IV u. V – abrufbar unter http://www.g-ba.de/downloads/62-492-65/RL-Heilmittel-04-12-21.pdf).
Damit stellt sich die Frage, ob der Leistungskatalog in einer PKV, der Logopädie und Ergotherapie ausschließt, die gesetzlichen Vorgaben erfüllt. Diese sprechen zwar nur von einem vergleichbaren Leistungsangebot, so dass nicht alle Standards der GKV erfüllt sein müssen.
Jedoch sehen die Heilmittelrichtlinien nur die vier von Ihnen genannten Therapieformen vor: A:
die physikalische, die podologische, die Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie sowie die
Ergotherapie. Zwei von vier Behandlungsrichtungen wegzustreichen kann kein Leistungsniveau darstellen, das den Standards der GKV noch entspricht.
Dennoch muss ich darauf hinweisen, dass ich Gerichtsentscheidungen zu dieser Frage nicht auffinden konnte, so dass im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung ein Prozessrisiko verbleibt.
2. Ist die PKV bereits vor dem 01.01.2009 abgeschlossen worden, gilt im Umkehrschluss die Vorgabe nicht, dass die Standards einer GKV annähernd erfüllt sein müssen.
In diesem Fall ist es grundsätzlich Sache des Versicherungsnehmers, sich über am Markt vorhandenen Leistungsangeboten anderer Versicherer zu informieren und die bestehende Versicherung gegebenenfalls zu kündigen.
Der Versicherungsnehmer kann gemäß § 204 VVG zwar im Rahmen des Vertragsverhältnisses in einen Tarif mit erweitertem Leistungsumfang wechseln, jedoch kann der Versicherer hierauf mit einem Leistungsausschluss, Wartezeiten und Prämienerhöhung reagieren.
Gerade wenn die angedachte Behandlung (Ergotherapie, Logopädie) gegenüber dem Versicherer schon zur Sprache gebracht und ggf. abgelehnt wurde, ist dies von Nachteil, da der Versicherer gezielt einen Leistungsausschluss einsetzen könnte.
3. Für den Fall, dass die GKV schon vor 01.01.2009 abgeschlossen wurde und die Definition des Begriffes „Heilmittel" sich erst im „Kleingedruckten" oder den Versicherungsbedingungen befand ist folgendes zu sagen:
Angaben im Kleingedruckten und in den Versicherungsbedingungen stellen AGB im Sinne von § 305 ff BGB dar und sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Verbraucher sie verstehen darf (BGH Urteil vom 30.10.2002, AZ.: IV ZR 119/01).
Danach ist hier m.E. ein Verstoß gegen das Verbot überraschender Klauseln gegeben (§ 305 c BGB). Eine überraschende Klausel, die nach den Umständen des Vertragsschlusses und –gegenstandes so ungewöhnlich ist, dass nicht mit ihr gerechnet werden muss, braucht der Versicherungsnehmer sich nicht entgegenhalten lassen. Der Kunde soll dadurch gegen einen Überrumpelungseffekt geschützt werden.
Entscheidend für die Frage, was überraschend ist, sind die Umstände bei Vertragsschluss.
Gerade bei einer PKV darf der Kunde davon ausgehen, dass die anerkannten Therapieformen abgedeckt sind. Allenfalls Formen der alternativen Medizin sind erwartungsgemäß ausgeschlossen.
Für den Fall, dass die PKV erst vor wenigen Jahren abgeschlossen wurde, wäre die Klausel m.E. als überraschend einzustufen.
Denn Ergotherapie und Logopädie gelten bereits seit spätestens 2004 zu den anerkannten Behandlungsformen, sodasss nicht damit gerechnet werden muss, dass diese im Kleingedruckten / in den Versicherungsbedingungen ausgeschlossen werden (siehe die o.g. Heilmittelrichtlinien von 2004).
In diesem Fall würde die einschränkende Definition des Begriffes Heilmittel nicht gelten und der Versicherer für die Übernahme der Kosten für Ergotherapie und Logopädie haften.
Ich hoffe Ihnen eine erste rechtliche Orientierung ermöglicht zu haben und wünsche Ihnen viel Erfolg und alles Gute!
Ich möchte Sie gerne noch abschließend auf Folgendes hinweisen:
Die von mir erteilte rechtliche Auskunft basiert ausschließlich auf den von Ihnen zur Verfügung gestellten Sachverhaltsangaben. Bei meiner Antwort handelt es sich lediglich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes, die eine vollumfängliche Begutachtung des Sachverhalts nicht ersetzen kann.
Ich hoffe, dass Ihnen meine Ausführungen geholfen haben. Sie können natürlich gerne über die Nachfrageoption mit mir Verbindung aufnehmen, wenn noch Unklarheiten bestehen.
Mit freundlichen Grüßen
Ingo Driftmeyer
Rechtsanwalt