Sehr geehrte Fragestellerin,
ich bedanke mich für Ihre Frage, zu der ich auf der Grundlage Ihrer Schilderung gerne wie folgt Stellung nehme:
I. Aus meiner Sicht ist das Mehrfamilienhaus, das sie erworben haben, mangelhaft, weil die Wohnfläche nicht – wie insbesondere im Exposé angegeben – "ca. 325 m²", sondern nur 246 m² beträgt.
Zwar liegt insoweit kein Mangel im Sinne des § 434 I 1 BGB
vor; das heißt, der Kaufsache fehlt keine vereinbarte Beschaffenheit. Denn im notariellen Kaufvertrag findet sich die Angabe, die Wohnfläche betrage (circa) 325 m² nicht, und dass der Verkäufer vor dem Abschluss dieses – formbedürftigen – Vertrags Entsprechendes erklärt hat, reicht für eine Beschaffenheitsvereinbarung nicht aus (vgl. nur BGH, Urt. v. 06.11.2015 – V ZR 78/14
, BGHZ 207, 349
Rn. 15).
Das Gebäude leidet aber an einem Mangel im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Satz 3 BGB
. Denn es hat hinsichtlich der Wohnfläche nicht die Eigenschaft, die Sie als Käufer nach den Angaben im Exposé erwarten durften (vgl. dazu etwa BGH, Urt. v. 19.01.2018 – V ZR 256/16
, NJW-RR 2018, 752
Rn. 10).
II. Problematisch ist, dass der Verkäufer zwar nicht seine Haftung für einen Mangel im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB
, wohl aber seine Haftung für einen Mangel im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Satz 3 BGB
ausschließen kann (vgl. BGH, Urt. v. 19.01.2018 – V ZR 256/16
, NJW-RR 2018, 752
Rn. 22).
Anders gewendet: Läge hier deshalb ein Mangel vor, weil die Wohnfläche deutlich geringer ist als im notariellen Kaufvertrag vereinbart, dann hätte der Verkäufer seine Haftung für diesen Mangel nicht ausschließen dürfen. Das Gebäude ist indes "nur" deshalb mangelhaft, weil die Wohnfläche hinter derjenigen zurückbleibt, die sie nach den Angaben im Exposé erwarten durften. Für einen solchen Mangel lässt sich die Haftung des Verkäufers grundsätzlich ausschließen, und von dieser Möglichkeit hat der Verkäufer offenbar auch Gebrauch gemacht.
Ich meine aber, dass sich der Verkäufer auf den Haftungsausschluss nicht berufen darf, weil ihm eine arglistige Täuschung zur Last fällt (§ 444 Fall 1 BGB
). Denn nach Ihrer Schilderung wusste der Verkäufer bei Abschluss des notariellen Kaufvertrags – und damit bei Vereinbarung des Haftungsausschlusses – positiv, dass die Wohnfläche des Gebäudes deutlich geringer ist als insbesondere im Exposé angegeben. Er wäre daher, um dem Vorwurf der Arglist zu entgehen, verpflichtet gewesen, die im Vorfeld des Vertragsschlusses gemachten Angaben zu berichtigen. Das ist offenbar nicht geschehen.
III. Sie dürften deshalb das Recht haben, den Kaufpreis zu mindern (§ 437 Nr. 2 Fall 2
, § 441 BGB
). Außerdem kommt in Betracht, den Kaufvertrag wegen einer arglistigen Täuschung anzufechten oder Schadensersatz wegen der Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht zu verlangen.
Ich hoffe, dass ich Ihnen weiterhelfen konnte. Bitte nutzen Sie gegebenenfalls die Möglichkeit, eine kostenlose Nachfrage zu stellen.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Trettin
Rechtsanwalt
05.02.2021
|
07:42
Antwort
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