Sehr geehrter Fragesteller,
hier ist eine Situation eskaliert, daran können Sie nichts mehr ändern. Was aber die Aufforderung der Polizei angeht, sich zu äußern, kann ich Ihnen nur dringend davon abraten, mit der Polizei zu sprechen.
Wenn Sie eine Aufforderung erhalten haben, bei der Polizei eine Aussage zu machen, dann können Sie das getrost ignorieren, denn einer solchen Aufforderung müssen Sie nur folgen, wenn die Polizei durch die Staatsanwaltschaft beauftragt wurde und sich dies aus dem Schreiben direkt ergibt.
Aber selbst dann können und müssen Sie schweigen. Jedes Wort von Ihnen zu dem Vorfall wird nichts verbessern, kann aber vieles verschlimmern. Die Polizei stellt sich oftmals direktcauf die Seite eines Amtsträgers, in diesem Fall des Bürgermeisters, so dass Sie bei der Polizei nichts gewinnen können, wenn Sie hier eine Aussage machen. Es wird eher als Rechtfertigungsversuch und Schutzbehauptung gewertet und die Sache letztlich noch schlimmer gemacht.
Sie haben wahrscheinlich recht, dass die Anzeige des Bürgermeisters eine simple Retourkutsche Ihrer Strafanzeige gewesen ist, aber diese Anzeige ist nun einmal in der Welt. Es ist nun Ihre Entscheidung, ob Sie bereits jetzt einen Strafverteidiger beauftragen und ihm die Sache schildern, damit Sie gewappnet sind, wenn hier weitere Maßnahmen seitens der Staatsanwaltschaft erfolgen sollten.
Grundsätzlich stellt jegliches unberechtigtes Parken auf privaten Grundstücken einen Eingriff in das Privateigentum dar, und die Gemeinde ist nach Ihrer Schilderung Eigentümerin dieser Flächen, die als Campingparkplätze dienen sollen. Wer ohne Erlaubnis des Besitzers oder des Eigentümers des Privatgrundstücks sein Fahrzeug dort abstellt, handelt rechtlich gesehen in sog. verbotener Eigenmacht und begeht eine Besitzstörung (§ 858 BGB
) oder eine Eigentumsstörung (§ 1004 BGB
).
Der Grundstücksbesitzer, also hier die Gemeinde, vertreten durch den Bürgermeister, dürfte daher die Entfernung des Fahrzeugs verlangen. Da Sie als "Störer" im Rechtssinne dieser Aufforderung nicht nachgekommen sind, haben Sie möglicherweise tatsächlich einen Hausfriedensbruch gem. § 123 StGB
begangen, wofür es leider auch eine Menge Zeugen zu geben scheint.
Zugleich hat nach Ihrer Schilderung aber auch der Bürgermeister einen solchen Hausfriedensbruch begangen, indem er Ihr Privatgrundstück betreten und trotz Ihrer Aufforderung, dieses zu verlassen, dort verblieben ist. Auch dafür müsste es ja dieselben Zeugen geben, so dass die Situation sich hier so darstellt, dass einerseits Sie und andererseits der Bürgermeister einer Tat nach § 123 StGB
verdächtig sind. Diesen Sachverhalt muss die Polizei ermitteln, und insofern sollten Sie Ihre Anzeige gegen den Bürgermeister vielleicht um den Vorwurf eines Hausfriedensbruchs ergänzen.
Was Ihren Vorwurf gegenüber dem Bürgermeister im Hinblick auf eine versuchte Körperverletzung angeht, so ist auch dieses zunächst nur ein Verdacht und insofern Gegenstand der Ermittlungen der Polizei. Um diesen Verdacht zu erhärten, sind Sie auf die Aussagen der genannten Zeugen angewiesen, welche bestätigen müssten, dass der Bürgermeister Sie tätlich angegriffen hat. Auch hier ist es Tatfrage und Gegenstand der Ermittlungen durch die Polizei, ob das von Ihnen beschriebene Gerangel schon die Schwelle einer versuchten Körperverletzung überschritten haben mag.
Versuchte Körperverletzung liegt dann vor, wenn die Absicht, eine Körperverletzung zu begehen, klar erkennbar und nachweisbar ist. Für versuchte Körperverletzung hängt im übrigen die Rechtsfolge davon ab, wie eine vollendete Tat bestraft worden wäre. Hier stellt sich natürlich die Frage, ob ein Vorsatz des Bürgermeisters nachweisbar wäre, Sie mit dem Coronavirus zu infizieren. Dies setzte ja voraus, dass er selbst Träger dieses Virus gewesen wäre und es ihm bewusst war und auch seine Absicht, Sie ebenfalls damit zu infizieren. Dies dürfte nur schwer nachweisbar sein.
Fazit: Ich kann Ihnen nur raten, erst einmal nichts zu tun bzw. allenfalls die Anzeige gegen den Bürgermeister um den Vorwurf des Hausfriedensbruchs zu erweitern. Ansonsten müssen Sie abwarten, ob die Polizei oder die Staatsanwaltschaft sich noch einmal an Sie wendet. Sollte dies der Fall sein, dann rate ich Ihnen, spätestens jetzt einen Strafverteidiger zu beauftragen, der Akteneinsicht nimmt und mit Ihnen das weitere Vorgehen bespricht.
Ich hoffe, Ihnen einen Überblick gegeben und Sie ein wenig beruhigt zu haben. Sollte noch etwas unklar geblieben sein, so fragen Sie gerne nach. Vorerst verbleibe ich mit freundlichen Grüßen!
Elisabeth v. Dorrien
Rechtsanwältin
Vielen dank fuer Ihre schnelle Antwort!
Eine Rueckfrage habe ich dennoch. Koennen Sie mir eine Einschaetzung geben, was schlimmstenfallls in diesem Fall passieren kann, bzw. auch was aus Ihrer Sicht die Wahrscheinlichkeit ist, dass die Ermittlungen eingestellt werden?
Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre freundliche Nachfrage!
Zunächst ist festzustellen, dass die Polizei die Ermittlungen nicht einstellen kann, das kann nur die Staatsanwaltschaft. Wenn also eine Strafanzeige des Bürgermeisters vorliegt, dann ermittelt die Polizei und gibt die Sache dann an die Staatsanwaltschaft ab. Dort kann dann Akteneinsicht beantragt werden. Bei der Staatsanwaltschaft kann auch der Antrag auf Einstellung des Verfahrens gestellt werden.
Eine Anklage wegen des angeblichen Hausfriedensbruch halte für äußerst unwahrscheinlich, zumal dann, wenn Sie strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten sind.
Wenn die Staatsanwaltschaft zu der Überzeugung gelangt, dass Sie hier grundlos das Wegfahren Ihres Autos verweigert und damit einen Hausfriedensbruch begangen haben, dann könnte ein Strafbefehl auf Sie zukommen. Die Höhe der Geldstrafe hängt wiederum davon ab, ob Sie vorbestraft sind oder nicht. Ich gehe von letzterem aus, dann kann mit einer Tagessatzanzahl von 40 bis 80 Tagessätze zu rechnen sein, alles darüber Liegende hielte ich für zu hoch und muss aus anwaltlicher Sicht angefochten werden. Die Tagessatzhöhe hängt von Ihrem monatlichen Nettoeinkommen (geteilt durch 30) ab.
Sollte ein Strafbefehl ergehen, dann kommt es darauf an, wie hoch die Geldstrafe ausfällt, ob Sie diesen
Strafbefehl dann akzeptieren oder einen Einspruch dagegen einlegen. Dann würde es zu einer Hauptverhandlung kommen, in der Sie Ihre Sicht der Sache noch einmal darlegen könnten. Sie könnten aber auch den Einspruch auf die Höhe der Strafe beschränken.
Tatsächlich aber rate ich Ihnen, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, denn erfahrungsgemäß erreicht ein Strafverteidiger eher eine Einstellung des Verfahrens gemäß § 153 StPO
wegen der Feststellung, dass Ihre Schuld als gering anzusehen ist. Allenfalls käme eine Einstellung des Verfahrens gegen eine sog. Auflagenzahlung (Geldbetrag an die Staatskasse oder eine gemeinnützige Einrichtung) gem. § 153a StPO
in Betracht.
Das alles hängt aber - wie gesagt - von der Beurteilung des Falles durch die Staatsanwaltschaft ab. Insofern rate ich Ihnen nochmals, über einen Strafverteidiger Akteneinsicht zu beantragen, um festzustellen, was der Bürgermeister in dieser Sache vorträgt und was die Zeugen ausgesagt haben. Daraufhin kann Ihr Strafverteidiger dann eine Stellungnahme abgeben, in der Sie einige Dinge richtig stellen können. Im Zuge dessen kann Ihr Strafverteidiger dann auch die Einstellung des Verfahrens beantragen.
Ich drücke Ihnen wirklich die Daumen, dass diese Angelegenheit möglichst schnell erledigt werden kann. Eigentlich ist es doch den ganzen Ärger nicht wert, und der Bürgermeister hat hier aus meiner Sicht erheblich überreagiert.
Alles Gute!
EvD