Sehr geehrte Fragestellerin,
zu Ihrer Anfrage nehme ich wie folgt Stellung:
1.
Ab dem Zeitpunkt der Trennung steht dem Ehegatten, der das geringere Einkommen erzielt, Trennungsunterhalt zu.
Zu beachten ist, dass Unterhalt für die Vergangenheit jedoch nicht verlangt und rechtlich durchgesetzt werden kann. D.h., wenn Sie zum Beispiel ein halbes Jahr getrennt leben, bisher aber keinen Trennungsunterhalt geltend gemacht haben, kann für das vergangene halbe Jahr kein Trennungsunterhalt verlangt werden.
Deshalb ist es wichtig, den anderen Ehegatten, von dem Unterhalt begehrt wird, unter Fristsetzung aufzufordern, Auskunft über seine Einkünfte zu erteilen und diese Auskünfte zu belegen (zum Beispiel durch Gehaltsabrechnungen). Durch die Fristsetzung gerät der andere Ehegatte in Verzug, d.h., ab dem Monat, ab dem die Frist zur Auskunftserteilung gesetzt worden ist, kann vom Grundsatz her gesehen Unterhalt verlangt werden.
Die Auskunftserteilung ist auch weiterhin von Bedeutung, weil die genauen Einkünfte die Grundlage einer Unterhaltsberechnung sind.
Ihre Rechtsanwältin hat also vollkommen korrekt gehandelt, wenn sie Ihren Ehemann außergerichtlich aufgefordert hat, Auskunft über seine Einkünfte zu erteilen oder, sofern die Einkünfte bekannt gewesen sind, Unterhalt zu zahlen.
2.
Für die Berechnung des Trennungsunterhalts kommt es auf die Einkünfte der letzten zwölf Monate an. Aus den Einkünften der letzten zwölf Monate kann man das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen errechnen. Das gilt sowohl für Ihren Ehemann als auch für Sie.
3.
Aus Ihrer Sachverhaltsschilderung lässt sich nicht exakt feststellen, was Ihr Ehemann und was Sie in den letzten zwölf Monaten verdient haben.
Sie geben Ihr Gehalt für 2019 mit 1.400 € netto pro Monat an. Als Ihr Ehemann die Scheidung beantragt hatte, belief sich Ihr Gehalt auf monatlich 2.000 € netto. Das war im Mai 2020. Ich vermute, dass Sie den Betrag von 2.000 € ab Januar 2020 erzielt haben. Ab wann sie 2.333 € netto verdient haben, ergibt sich allerdings aus der Sachverhaltsschilderung nicht.
Wichtig wäre es auch zu wissen, wann, d.h. in welchem Monat, Ihre Rechtsanwältin Ihren Ehemann aufgefordert hatte, Auskunft über seine Einkünfte zu erteilen bzw. Trennungsunterhalt zu zahlen.
Was Sie eventuell im nächsten Jahr verdienen können, ist derzeit für die Unterhaltsberechnung ohne Bedeutung.
Ihr Ehemann hat im Jahr 2019 2.000 € verdient. In Ihrer Sachverhaltsschilderung geben Sie an, er verdiene 2.500 € netto. Hier müsste man wissen, ab wann der Betrag von 2.500 € verdient wird.
Da sich die Einkünfte aus Ihrer Schilderung nicht monatsgenau ergeben, kann man nur eine ungefähre Berechnung aufstellen, der fiktive Annahmen zu Grunde liegen. Das macht natürlich keinen Sinn.
Ihre Rechtsanwältin wird aber die genauen Zahlen kennen und anhand der Zahlen auch sagen können, ob Ihnen Trennungsunterhalt zusteht.
Lege ich - beispielhaft - die Einkünfte aus dem Jahr 2019 zu Grunde, haben Sie 600 € weniger verdient als Ihr Ehemann. Dabei sind berufsbedingte Aufwendungen, wie Fahrtkosten usw. oder Schulden und sonstige absetzbare Aufwendungen unberücksichtigt, weil Sie hierzu keine Angaben machen.
Legt man die Differenz der Einkünfte von 600 € zu Grunde, stehen Ihnen hier von 3/7 als Aufstockungsunterhalt zu, das sind pro Monat 257 €.
Die Einkommenssituation hat sich im Jahr 2020 allerdings geändert. Sowohl Sie als auch Ihr Ehemann erzielen höhere Einkünfte.
Aus Ihrer Schilderung ergibt sich aber, dass Ihr Ehemann immer ein höheres monatliches Nettoeinkommen erzielt hat als Sie. Sofern nicht abzugsfähigen Positionen das Einkommen des Ehemanns nennenswert verringern, haben Sie einen Anspruch auf Trennungsunterhalt in Form des Aufstockungsunterhalt.
4.
Anhand der Zahlen, die Sie hier nennen, sehe ich auf der Seite Ihrer Rechtsanwältin keinen Fehler, den man ihr zum Vorwurf machen könnte. Nach den vorliegenden Zahlen haben Sie einen Anspruch auf Trennungsunterhalt. Also macht es durchaus Sinn, Trennungsunterhalt zu verlangen.
Für eine Antragsrücknahme des gerichtlichen Verfahrens sehe ich daher keine Veranlassung.
Nur zur Vervollständigung Ihrer Frage: Würden Sie Ihren Antrag auf Zahlung von Trennungsunterhalt zurücknehmen, müssten Sie die Kosten des Verfahrens tragen, also auch die Rechtsanwaltskosten Ihres Ehemanns.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Raab
Rechtsanwalt
Antwort
vonRechtsanwalt Gerhard Raab
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Sehr geehrter Herr Raab,
herzlichen Dank für die ausführliche Antwort, Sie haben mir sehr weitergeholfen!
Ich möchte nur noch die fehlenden Angaben hier einmal nachreichen:
Meine Anwältin hat meinen Ehemann am 19.08.20 aufgefordert, Auskunft über seine Einkünfte zu erteilen. Das heißt, ich müsste die Einkünfte von Juli 2019 bis Juli 2020 berücksichtigen, richtig? In dem Fall wäre es:
Meine Einkünfte von Juli 19 bis Juli 20: 24.172€
Seine Einkünfte von Juli 19 bis Juli 20: 25.198€
Allerdings muss ich sagen, 100€ von meinem monatlichen Einkommen entspricht einem Essenzuschuss von der Firma, wo ich arbeite. Wenn ich 100€ in Mittagessen ausgebe, erhalte ich diese zurück. Werden diese 100€ als Teil meines monatlichen Einkommen berücksichtigt? Sonst wären die Zahlen anders und meine Einkünfte würden 23.572€ betragen.
Monatlich wären diese 2.014€ (ohne Essenzuschuss: 1.964) für mich und 2.099€ für ihn. Sieht schlecht aus. Leider hat Sie die Unterhaltsklage zu spät eingereicht. Obwohl er immer höhere Einkünfte erzielt hat als ich, war er zwei Monate arbeitslos und hat nur die Hälfte Novembers 2019 gearbeitet.
Anhand Ihrer Antwort verstehe ich, dass meine Situation jetzt leider schlecht aussieht.
Vielen Dank nochmal für Ihre Antwort, ich wünschte, ich hätte Sie früher gefunden. Sicherlich machen Sie eine ausgezeichnete Arbeit.
Viele Grüße
Sehr geehrte Fragestellerin,
zu Ihrer Nachfrage nehme ich wie folgt Stellung:
1.
Wenn die Abrechnung für August 2020 noch nicht vorlgelegen haben, wären die Einkünfte für die Monate August 2019 bis einschließlich Juli 2020 heranzuziehen.
2.
Den Essenszuschuß können Sie nach überwiegender Meinung nicht abziehen, weil Sie dadurch Ausgaben für die Verpflegung zu Hause sparen.
3.
So schlecht muss Ihre Situation aber dennoch nicht aussehen.
Ich würde argumentieren, dass man die beiden Monate der Arbeitslosigkeit nicht heranziehen dürfe, weil sie für die ehelichen Lebensverhältnisse nicht prägend gewesen sind.
Man könnte die Einkünfte Ihres Ehemanns nach der Arbeitslosigkeit, also wohl ab Dezember 2019, bis heute, d. h. bis einschließlich November 2020, heranziehen. Ebenso würden Ihre Einkünfte für diese Zeit zugrunde gelegt. Und dann könnte man neu (und realitätsnah) rechnen.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Raab
Rechtsanwalt