Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Nach § 912 Abs. 1 BGB hat der Nachbar einen Überbau zu dulden, wenn der Eigentümer bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut hat, ohne dass ihm Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last fällt, es sei denn, dass der Nachbar sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben hat.
Ich gehe davon aus, dass Sie nicht absichtlich über die Grenze gebaut haben. Es kommt dann entscheidend darauf an, ob Sie zum Zeitpunkt des Überbaus bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt objektiv hätten erkennen können, dass die tatsächliche Grenze nicht mit der Grenze im Grundbuchamt übereinstimmen.
Da in Ihrer Frage nichts dazu mitgeteilt wird, weshalb es zu einem Abweichen der tatsächlichen Grenze von der Grenze im Grundbuch kam, und ob dies für Sie erkennbar war, kann ich nicht beantworten, ob Sie das Nachbargrundstück fahrlässig überbaut haben. Sollte dies der Fall gewesen sein, hätten Sie fahrlässig gehandelt. Ein Anspruch des Nachbars gegen Sie auf Beseitigung des Überbaus (§ 1004 BGB) wäre nach 20 Jahren zwar verjährt. Dieser Anspruch verjährt nach den allgemeinen Vorschriften, d.h. nach drei Jahren, beginnend mit dem Schluss des Kalenderjahrs der Kenntniserlangung vom Anspruch, spätestens jedoch nach zehn Jahren, §§ 195, 199 Abs. 1 und 4 BGB. Nicht verjährt wäre aber der Anspruch des Nachbarn auf Herausgabe des überbauten Grundstücksteils gegen Sie. Dieser verjährt erst nach 30 Jahren (§ 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Nach erfolgter Herausgabe könnte der Nachbar den Überbau dann selbst beseitigen.
Sollten Sie beim Überbau nicht fahrlässig gehandelt haben, wäre der Nachbar verpflichtet, den Überbau zu dulden, könnte aber im Gegenzug von Ihnen die Zahlung einer jährlich im Voraus zu entrichtenden Überbaurente fordern (§§ 912 Abs. 2, 913 BGB).
Grundlage für die Höhe der Überbaurente sind der Verkehrswert der überbauten Fläche (für den die konkreten Nutzungsmöglichkeiten zu berücksichtigen ist) und die durch den Überbau bewirkte Beeinträchtigung für den nicht überbauten Teil des Grundstücks zum Zeitpunkt der Grenzüberschreitung. Lässt sich ein Verkehrswert nicht ermitteln, ist das übliche Nutzungsentgelt geschuldet.
(Der Anspruch auf Zahlung der Überbaurente verjährt nach den allgemeinen Vorschriften, d.h. für jedes Jahr nach drei Jahren, beginnend zum Schluss des Kalenderjahres der Kenntniserlangung vom Anspruch, spätestens jedoch nach zehn Jahren, §§ 197 Abs. 2, 195, 199 Abs. 1 und 4 BGB.)
Der Nachbar - aber nur er - hat nach § 915 Abs. 1 BGB im Fall seiner Duldungspflicht das Recht,
von Ihnen als Rentenverpflichteter jederzeit zu verlangen, dass Sie ihm den Wert des überbauten Teils des Grundstücks in der Höhe ersetzen, den der Grundstücksteil zum Zeitpunkt der Grenzüberschreitung hatte. Im Gegenzug wäre er dann verpflichtet, Ihnen den Grundstücksteil zu übertragen. Auf eine solche Übereignung gegen Wertersatz finden die Vorschiften über den Kauf Anwendung (§ 915 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dieser Anspruch des Nachbarn ist unverjährbar (§ 924 BGB).
Wenn der Nachbar von diesem Recht nicht Gebrauch macht, bleibt es dabei, dass er den Überbau gegen Zahlung einer Überbaurente dulden muss. Er kann dann von Ihnen keinen Rückbau oder Beseitigung verlangen, und auch keine Herausgabe.
Am vernünftigsten für alle Beteiligten wäre es vorliegend, wenn Sie Ihren Nachbarn dazu überreden könnten, dass er von seinem Recht nach § 915 Abs. 1 BGB Gebrauch macht.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt C. Norbert Neumann
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Rechtsanwalt C. Norbert Neumann
Vielen Dank für die Antwort, ist der Nachbar auch zu einer Duldung der Gebäude verpflichtet, wenn es sich um einfache Holzhütten handelt?
Er hat vor Zeugen zugegeben, dass er sich der fehlerhaften Grenzen bewußt war und zwar schon beim Kauf des Hauses, was rund 5 Jahre her ist, er hätte nur deshalb nichts unternommen, da er dachte, es wäre nur ein meter, jetzt het der Vermesser allerdings 3 meter festgestellt, darum will er jetzt sein Recht durchsetzen, hat er damit die 3 Jahresfrist überschritten und überhaupt noch Anspruch auf die Grenzverschiebung?
Sehr geehrter Fragesteller,
gern beantworte ich Ihnen Ihre Nachfrage.
Beim "Überbau" muss es sich um ein Gebäude handeln. Gebäude ist ein Bauwerk, das durch räumliche Umfriedung gegen äußere Einflüsse Schutz gewährt und den Eintritt von Menschen gestattet (BGH, NJW 2015, S. 2489 Tz. 29). Eine völlige Umschlossenheit ist nicht notwendig. Aus welchem Material die Gebäude sind, ob aus Holz oder Stein, spielt daneben keine Rolle. Auch Holzhütten sind demnach Gebäude und können einen Überbau im Sinne von § 912 BGB bilden.
(Keine Gebäude sind z.B. bloße Zäune, Mauern, Gruben oder seitenoffene Carporte.)
Für die Duldungspflicht kommt es allein auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Errichtung des Überbaus an. eine Duldungspflicht besteht, wenn
- der grenzüberschreitende Eigentümer den Überbau nicht schuldhaft fahrlässig oder vorsätzlich errichtet hat;
- der damalige Eigentümer der Grenzüberschreitung nicht sofort widersprochen hat.
Der Widerspruch muss vom damaligen Eigentümer vor oder nach der objektiv erkennbaren Grenzüberschreitung so rechtzeitig erhoben worden sein, dass die Beseitigung ohne erhebliche Zerstörung möglich war (BGHZ 64, S. 273). Auf die subjektive Kenntnis des Widerspruchsberechtigten zum Zeitpunkt der Grenzüberschreitung kommt es nicht an (BGHZ 97, S. 292).
Darauf, was Ihr jetziger Nachbar beim Kauf des Hauses 15 Jahre später gewusst (oder gewollt) hat, kommt es für die Duldungspflicht rechtlich nicht an. Er muss sich das Verhalten seines Rechtsvorgängers, also des früheren Eigentümers, der das Grundstück an ihn verkauft hat, zurechnen lassen.
Ihr Nachbar hat keinen Anspruch auf Grenzverschiebung in Ihre Richtung, wie er das offenbar will.
Nach § 915 BGB besteht lediglich ein Anspruch des Nachbarn auf eine Grenzverschiebung zu Ihren Gunsten, d.h. dass Sie ihm den überbauten Teil seines Grundstücks abkaufen. Dadurch würde die Grenze in umgekehrter Richtung zu Lasten Ihres Nachbarn verschoben werden. (Im Gegenzug könnte Ihr Nachbar dann von Ihnen Wertersatz für den an Sie zu übertragenden Teil seines Grundstücks beanspruchen.) Dieser Anspruch ist unverjährbar (§ 924 BGB).
(Hintergrund dieser Regelung ist, dass Ihr Nachbar den Überbau dulden muss und mit dem überbauten Teil seines Grundstücks nichts mehr anfangen kann. Dann soll er die Möglichkeit haben, den überbauten Teil seines Grundstücks gegen Wertersatz an Sie "abzustoßen".)
Ich hoffe, dass ich Ihnen Ihre Nachfrage verständlich beantworten konnte. Gern bin ich bereit, Sie in dieser Angelegenheit auch weiter zu beraten oder zu vertreten.
Mit freundlichen Grüßen,
Carsten Neumann
Rechtsanwalt