Sehr geehrter Fragesteller,
Lassen Sie mich Ihre Anfrage wie folgt beantworten:
„Aber der Erbfolgeabstand ist in diesem Fall kurz, nur 6 Wochen! Da frage ich, ob es einen Mindesterbfolgenabstand gibt und die Konstellation anders aussieht, wenn die Erbfolge zu kurz ist und die Erbin viel zu schnell verstorben ist."
Nein, so etwas gibt es nicht. Sobald die Stiefmutter auch nur 1 Sekunde später als der Vater gestorben ist greift die im Testament angeordnete Erbfolge. Einen „Mindestabstand" oder Ähnliches sieht das Gesetz nicht vor.
„Habe ich einen Anspruch auf einen Pflichtanteil?"
Ja.
Sie haben zu mindestens einen Anspruch auf einen Pflichtteil nach dem Tode des Vaters. Da Sie durch das gemeinschaftliche Testament des Vaters und der Stiefmutter enterbt wurden haben Sie gemäß § 2303 BGB
einen Pflichtteilsanspruch in Höhe der Hälfte des Wertes ihres gesetzlichen Erbteils. Ihr gesetzlicher Erbteil wäre die Hälfte des Vermögens des Vaters gewesen wenn dieser mit der Stiefmutter im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet gewesen wäre. Der Pflichtteilsanspruch wäre in diesem Fall ein Viertel des Wertes des väterlichen Vermögens. Dieser Anspruch ist ein reiner Geldanspruch. Zunächst hat er sich gegen die Stiefmutter als Alleinerbin gerichtet. Durch deren Tod hat sich für Sie nur insoweit etwas geändert als deren Erben auch die Verbindlichkeit aus dem Pflichtteilsanspruch geerbt haben.
Sie als Berechtigter haben also durch den Tod der Stiefmutter nun die Möglichkeit, den Pflichtteilsanspruch gegen deren Erben, also ihre beiden Kinder, geltend zu machen.
„Und im Testament steht es geschrieben, dass es eine gesonderte Liste von Vermögen aufgestellt wird."
Das kann gut sein. Es ist allerdings nicht verbindlich und abschließend. Ihr Pflichtteilsanspruch berechnet sich aus dem gesamten Vermögen des Vaters zum Zeitpunkt von dessen Tod. Darunter fallen also alle „bekannten" Vermögenswerte, aber auch das unter Umständen „unbekannte" Konto und auch alle weiteren „unbekannten" Werte.
Weiterhin haben Sie gemäß § 2314 BGB
einen Anspruch gegen die Erben auf Erstellung eines vollständigen Nachlassverzeichnisses sowie Bewertung der Nachlassgegenstände. Anhand dieses Verzeichnisses (inklusive des neu aufgetauchten Kontos und aller anderen Werte) ist dann der Wert des Pflichtteilsanspruchs zu berechnen.
„Sollte das Konto meines Vaters siehe oben sich tatsächlich nicht in der Liste der Vermögen befinden oder als vergessen gelten, habe ich die Frage, ob ich das Geld von seinem Konto erhalten könnte, um es dann für die Renovierung und Sanierung des Hauses meines Vaters für Vermietung auszugeben, falls es eine größere Summe ist."
Das ist leider nicht so. Wie oben dargestellt haben Sie ausschließlich einen Anspruch auf Geldzahlung gegen die Erben, basierend auf dem Wert des Vermögens des Vaters zu dessen Todeszeitpunkt. Das Konto als solches und das darauf befindliche Guthaben gehört zunächst einmal den Erben und niemandem sonst. Allerdings kann man sich selbstverständlich – je nach Höhe des Pflicht des Anspruchs – untereinander darauf einigen, dass dieses Konto (unter Umständen neben anderen Dingen) statt einer Geldzahlung zur Begleichung des Pflichtteilsanspruchs übertragen wird. Das ist aber alles Verhandlungssache und hängt natürlich von den konkreten Gegebenheiten ab. Diese kenne ich natürlich nicht.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Achtung Archiv
Diese Antwort ist vom 20.02.2015 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
Jetzt eine neue Frage stellen
Diese Antwort ist vom 20.02.2015 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
Jetzt eine neue Frage stellen
Ergänzung vom Anwalt
20.02.2015 | 12:32
Sehr geehrter Fragesteller,
Noch eine kurze Ergänzung der Vollständigkeit halber: einen Pflichtteilsanspruch für Sie nach der Stiefmutter gäbe es nur dann, wenn Sie von dieser adoptiert worden wären.
Mit freundlichen Grüßen,
Lars Winkler
Rechtsanwalt