Sehr geehrte Fragestellerin,
zunächst vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich auf der Grundlage der von Ihnen gemachten Angaben gerne beantworte.
Bitte beachten Sie, dass durch das Weglassen oder Hinzufügen von Sachverhaltsangaben Ihrerseits die rechtliche Beurteilung anders ausfallen kann, so dass die Beratung innerhalb dieses Forums grundsätzlich immer nur eine erste rechtliche Orientierung in der Sache darstellen kann und keinesfalls den Gang zu einem Kollegen oder zu einer Kollegin vor Ort ersetzt.
Im Hinblick auf Ihre Fragestellung möchte ich Sie vorab nicht vor den Kopf stoßen, wenn nach diesseitiger Ansicht, der Gegenstandswert zu Ihren Gunsten sogar zu niedrig angesetzt wurde.
Den entgegen Ihrer Ansicht waren die bestehenden Verbindlichkeiten nicht in Abzug zu bringen.
Ich möchte dies an einem einfachen Beispiel unjuristisch verdeutlichen. Angenommen die Verbindlichkeiten würden in Ihrem Fall den Wert des Anwesens übersteigen, so hätte dies nach Ihrer Auffassung zur Folge, dass der Gegenstandswert 0€ bzw. sogar neagtiv ausfallen könnte verbunden mit der Folge, dass die Tätigkeit eigentlich kaum noch zu vergüten wäre bzw. nur noch mit einem Mindestsatz.
Hierbei würde man jedoch völlig außer Acht lassen, dass durch die Ablösung der bestehenden Verbindlichkeiten in Ihrem Vermögensstand auch eine Mehrung (eigentlich Vermögensumschichtung) stattfindet, sie somit auch einen entsprechenden Gegenwert erhalten. Der Gegenstandswert ist nicht mit dem bei Ihnen letztlich verbleibenden "Gewinn" bzw. dem bei Ihnen verbleibenden Bargeld zu verwechseln.
Der Gegenstandswert ist nach der Legaldefinition gemäß §2 Abs.1 RVG der Wert den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat. Dies ist letztlich, dass Interesse des Auftraggebers an der Angelegenheit.
In Ihrem Fall wollten Sie aus der Haftung des Hauses entlassen werden, dies ist aber natürlich nicht der Wert des Hauses abzüglich der Verbindlichkeiten, sondern vielmehr die Addition aller Verbindlichkeiten die Sie gegebenfalls im Falle der Haftung zu erfüllen hätten, wobei dieser Wert nicht negativ ist, da im Falle einer Haftungsentlassung Ihrerseits diese Verbindlichkeiten sich positiv auf Ihr Vermögen auswirken. Selbstverständlich war Ihr Interesse wahrscheinlich auch auf einen eventuellen Mehrerlöss gerichtet, so dass der Gegenstandswert mindestens dem Wert des Hauses entspricht. In dem Falle das die Summe der Verbindlichkeiten sogar den Wert des Hauses übersteigt, wäre letztlich diese Summe maßgebend.
Insoweit ist der Gegenstandswert zu Ihren Gunsten deutlich niedriger ausgefallen und wurde unter Umständen sogar mit einem gewissen wohlwollen zu Ihren Gunsten korrigiert.
Ich gehe bei dem vorstehenden davon aus, dass die mögliche Haftung gesamtschuldnerischer Natur ist, so dass Sie im Falle der Haftung sogar vollständig in Anspruch genommen hätten werden können und das Ihrerseits bestehende Interesse deswegen auch nicht hinsichtlich Ihrem Exmann hälftig anzusetzen ist.
Dies für Sie zunächst unbefriedigende Ergebnis mag Sie überraschen, ist aber erkennbar sachgerecht, wenn Sie sich verdeutlichen, dass Sie die Kollegin bei einer gegebenenfalls fehlerhaften Beratung in Höhe des bei Ihnen entstehenden Schadens in Anspruch nehmen könnte, was den Wert des Hauses weit übersteigen bzw. dem Wert Ihrer Verbindlichkeiten entsprechen könnte.
Hinsichtlich des Schätzwertes ist die Frage somit zunächst eigentlich subsidär, da selbst im Falle der nierigeren Schätzung dieser Wert immer noch weit über dem angesetzten Gegenstandswert liegt, selbst wenn man sogar diesen Wert nur hälftig ansetzen würde.
Ungeachtet dessen, möchte ich die Frage so beantworten, dass selbstverständlich der anzusetzende Gegenstandswert sich objektiv bestimmt und vorliegend selbstverständlich dem Verkehrswert entspricht. Hierbei ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass der Wert einer Immobilie von vielen Faktoren abhängig ist und auch die Angabe des Maklers letztlich nur einer Schätzung entspricht, die zugegebenermaßen jedoch als zutreffender einzustufen ist. Bei einer Schätzung wird man aber auch zugestehen müssen, dass diese letztlich auch prozentual höher ausfallen kann, so dass ein gewisser Spielraum einzuräumen ist. Ob nun in dem konkreten Beispiel diese Grenzen eingehalten wurden lässt sich jedoch ohne weitere Kenntnis der genauen Umstände nicht sagen, eine Überschreitung von 25% dürfte aber grenzgängig sein und ich würde auch dahingehend tendieren den vom Immobilienmakler angesetzten Schätzwert zugrunde zu legen, insbesondere als Sie daruf hingewiesen haben, dass Sie Ihrerseits kein Fachmann sind. Umgekehrt kann aber auch in Ihrer Schätzung sich Ihr wirtschaftliches Interesse wiedergespiegelt haben -in der Hoffnung eines entsprechenden Veräußerungserlöses-, so dass es insoweit auch nicht völlig abwegig ist diesen Schätzwert dem Gegenstandswert zugrunde zu legen.
Ich bedauere Ihnen keine positivere Antwort geben zu können, hoffe aber Ihnen einen ersten Überlick verschafft zu haben.
Selbstverständlich stehe ich Ihnen im Rahmen der kostenlosen Rückfragefunktion weiterhin gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Holger Roosen
Rechtsanwalt