Sehr geehrter Fragesteller,
da auch Dritte diese Antwort lesen können, möchte ich erstmal die Kernpunkte des Sachverhalts zusammen fassen, ehe ich ihre Fragen beantworte.
Sie wollen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans ein Einfamilienhaus (Rohbau) samt Grenzgarage bauen. Sie haben einen Baugenehmigungs- bzw. einen Freistellungsbescheid auf der Basis des ursprünglichen Bebauungsplans bekommen. Dann wurde der Bebauungsplan geändert, vor allem was die Zulässigkeit der Grenzbebauung angeht bzw. es wurde ein neuer Bebauungsplan erlassen. Ursprünglich durften Sie bis 1,5 Meter an die Grenze bauen, jetzt weniger. Von dem neuen Bebauungsplan haben Sie erst bei der beschriebenen Vorsprache beim Bauamt erfahren. Die Garage steht aber schon und hält die neue Festsetzung über Grenzbebauung nicht ein. Deswegen haben Sie eine Abrissverfügung für diese bekommen, weil ihr Vorhaben auf der Basis des geänderten bzw. neuen Bebauungsplans baurechtswidrig sei. Ich unterstelle nachfolgend, dass sich ihre Frage nur auf die Grenzgarage bezieht nicht auf Rohbau.
Eine Gemeinde kann natürlich einen Bebauungsplan ändern. Da es hier vermutlich um einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil gehen dürfte und mit den Grenzflächen nur das Maß der baulichen Nutzung verändert wurde, steht ihr dazu auch ein vereinfachtes Verfahren zur Verfügung (§ 9 BauGB
). Deshalb war die Gemeinde hier auch nicht verpflichtet Ihnen von sich aus mitzuteilen, dass sich der Bebauungsplan geändert hat, sondern ein Auslegen der Planänderung dürfte gereicht haben (§ 9 Abs.2 Ziff. 2 BauGB
).
Andererseits ist die Änderung eines Bebauungsplanes genau wie dieser selbst natürlich das Ergebnis eines Abwägungsprozesses (§1 Abs.7 BauGB
). In diesem können auch Abwägungsfehler passieren, auf welche der Abwägungsprozess gerichtlich überprüfbar ist, ohne dass aber das Gericht seine Abwägung an die Stelle der Gemeinde setzen wird.
So wie sie den Sachverhalt beschreiben, klingt es, als hätte hier gar keine Abwägung stattgefunden, sondern als wäre der Plan nur geändert worden, um explizit ihren Bau zu verhindern. Wenn das beweisbar sein sollte, wäre das ein Abwägungsfehler in Form des Abwägungsausfalls. Ob das beweisbar ist, hängt etwa auch davon ab, was in dem Protokoll der Gemeinderatssitzung über dieser Änderung steht. Es hängt auch vom Textteil des geänderten bzw. neuen Bebauungsplans ab. Die Änderung müsste auch städtebaulich erforderlich gewesen sein (§ 1 Abs.3 BauGB
).
Da die Sache für sie evident sehr wichtig ist, ohne bauen zu dürfen, könnte man das Grundstück wohl auch verkaufen, werden Sie nicht umhin kommen hier entweder einen Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht oder einen für allgemeines Verwaltungsrecht, von dem das öffentliche Baurecht ein Unterfall ist, in Ihrer Nähe zu beauftragen. Gegenüber Verbrauchern sind die Kosten für eine Erstberatung beschränkt auf € 190,- (plus 19% und Auslagen). Ich würde allerdings hier nicht davon ausgehen, dass es dabei bleiben wird. Da Sie in Bayern sind, ist es richtig, dass Ihre Rechtschutzmöglichkeiten auf den Klageweg beschränkt sind und kein Widerspruch möglich ist (Art 15 AG-Bay-VWGO).
Die Gerichts- und Anwaltskosten bemessen sich vor dem Verwaltungsgericht nach dem Gegenstandswert. Dieser hängt hier auch davon ab, ob es nur um eine Anfechtungsklage bzw. die entsprechende einstweilige Verfügung gegen die Abrißverfügung geht oder auch um einen Normenkontrollantrag (§ 47 VwGO
) gegen die Änderung des Bebauungsplanes bzw. gegen den neuen Bebauungsplan, wobei man vermutlich sogar alles Drei verbinden muss. Für Anfechtungsklagen gegen Abrißverfügungen betreffend Garagen nehmen etwa die Bausenate des OVG- Niedersachsen regelmäßig einen Gegenstandswert von € 4000,- bis € 7000.- an. Nimmt man einfach € 5000 (§ 52 Abs.2 GKG
), die auch der Auffangstreitwert sind, ergeben sich Gerichtskosten von €146 x 3=€438.
An Anwaltskosten fallen eine 1,3 Geschäftsgebühr und Terminsgebühr an 393x2. Sie sollten also zumindest mit ca.€ 1.300,- rechnen. Real wird es deutlich mehr werden. Falls es prozessual erforderlich ist, hier alle drei Maßnahmen (Anfechtungsklage, Normenkontrollantrag und einstweilige Verfügung) zu verbinden, kann man auch schnell beim doppelten und mehrfachen davon landen, sofern keine Vergütungsvereinbarung abgeschlossen wird.
Die Kosten vor den Verwaltungsgerichten richten sich nach dem Maß des Obsiegens (§-§ 154
, 155 VwGO
). Wenn sie gewinnen, bekommen sie alles zurück, auch die Gebühr des Landratsamtes, wenn sie verlieren, bleiben sie auf den Kosten auch denen des Landratsamtes sitzen.
Es ist verständlich, dass sie stocksauer auf die Bauamtsmitarbeiter sind. In rechtlicher Hinsicht ist es aber sinnvoll, den Streitstoff zu sortieren. In erster Linie geht es einmal darum, ob sie Abrißvergügung vor Gericht weg bekommen oder nicht. Theoretisch denkbar ist natürlich auch Amtshaftungsansprüche (§ 839 BGB
) gegen die Bauamtsmitarbeiter anzuprüfen. Das ist hier aber einfach eine nachrangige Frage und sollte erstmal zurückgestellt werden, zumal das praktisch kaum je Erfolg hat.
Sie sollten diesem Anwalt in Bayern vorab zu kommen lassen: Kopien aller Bescheide, die beiden Bebauungspläne samt deren Textteilen und das Protokoll der Gemeinderatssitzungen, in denen die Änderung bzw. der neue Plan beschlossen wurde.
Ich hoffe im Rahmen einer Art von „Online-Notfallversorgung" ist Ihnen hiermit erstmal geholfen. Falls etwas unklar sein sollte, können Sie auch die kostenlose Nachfragefunktion nutzen.
Mfg Ra. Jahn
Diese Antwort ist vom 30.07.2014 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Hallo, Danke für die schnelle Anwort.
Aber meine Kernfrage ist , mein Plan ist ein Freisteller, ich habe eine Woche bevor ich meine Pläne eingereicht habe, persönlich in der Gemeinde den aktuellen Plan angefordert. Und da war der aktuelle Bebauungsplan schon 5 Monate rechtskräftig und mein Baufenster geändert.( hier musste ich nun 4 Meter von der Grenze weg). Alle bis dahin von der Gemeinde an mich verschickte Pläne waren mit vorgeschriebener Grenzbebauung oder max 1,5m von der Grenze weg.
Der Mitarbeiter hat mir/Bauzeichner wieder den alten Plan zukommen lassen ( per E-mail + PDF Datei mit Bebauungsplan)
Wir haben die bis dahin erhalten Bebauungspläne verglichen und sind zu dem Schluss gekommen das sich nichts an der zwingenden Grenzbebauung geändert hat.
Auf das hin haben wir geplant, weil wir nie was anderes bekommen haben. Bin ich Schuld wenn mir dir falschen Pläne zugeschickt werden.
Sehr geehrter Fragesteller,
okay, ich verstehe jetzt hoffentlich etwas besser, was passiert zu sein scheint und was Sie wissen wollen.
Was ergänzt oder klar gestellt haben, ändert so erst mal nichts an der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Abrissverfügung, für die es eben nur auf den aktuell geltenden Bebauungsplan ankommt, unabhängig davon, wer Ihnen wann was gesagt oder gemailt hat.
Es mag ja sein, dass das Verschicken der alten B-Pläne hier sogar tatsächlich eine Amts-pflichtverletzung darstellt. Das führt nur nicht zu dem was, sie vorrangig wollen dürften, nämlich weiterbauen dürfen. Damit kriegt man die Abrissverfügung nicht weg, die einfach deswegen rechtmäßig ist, weil das Vorhaben aktuell baurechtswidrig ist.
Damit kann man vielleicht irgendwann einen Amtshaftungsprozess auf Schadensersatz gegen die Gemeinde lostreten, nachdem (!) man die Abrissverfügung befolgt hat aber nicht vorher. Vorher gibt es auch keinen Schaden.
Nach meiner Erfahrung scheitern die meisten Amtshaftungsprozesse einfach daran, dass die Gerichte im Zweifel immer irgendjemanden finden, den man vorher verklagen muss (§ 834 Abs.2 BGB
). Hier vielleicht sogar den Bauzeichner, falls er Bau-Ing ist, oder ein etwaig beteiligter Architekt, falls er die aktuellen Bebauungspläne nicht selbst eingesehen hat.
Mit freundlichen Grüßen
Ra Jahn
oben war natürlich § 839 und nicht § 834 BGB
gemeint. beachten Sie bitte auch das die oben angebenen Prozesskostenkalkulation damit hinfällig ist, weil das dann ein reiner Zivilrechtsstreit vor dem Landgericht wird, der an der Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit der Abrißverfügung nichts ändern würde.
§ 839 BGB
lautet:
Haftung bei Amtspflichtverletzung
(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
(2)...
(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
Wobei hier Abs.3 von § 839 BGB
sie förmlich dazu zwingt, auch vorher vor dem Verwaltungsgericht gegen die Abrissverfügung zu klagen. Mir ist nach dem Oben Gesagten zwar so nichts ersichtlich, das etwas an deren Rechtsmäßigkeit ändern würde, aber Sie brauchen für den Amtshaftungsprozess quasi das abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts, damit das Zivilgericht ihnen glaubt, dass sie auch wirklich alle Rechtsmittel ausgeschöpft haben.