Sehr geehrter Fragesteller,
ich beantworte Ihre Frage wie folgt. Man muss zunächst zwischen Melderecht, Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht unterscheiden.
1.) Melderecht
Das Meldegesetz-NRW enthält keine Regelung darüber in NRW eine Nebenwohnsitz zu haben und im Ausland einen Hauptwohnsitz. Es gibt nur die Regelung des § 16 Meldegesetz-NRW. Dieser ist aber auf mehrere Wohnungen im Inland beschränkt.
Er lautet: „Mehrere Wohnungen (1) Hat ein Einwohner mehrere Wohnungen im Inland, so ist eine dieser Wohnungen seine Hauptwohnung. (2) Hauptwohnung ist die vorwiegend benutzte Wohnung des Einwohners. Hauptwohnung eines verheirateten oder eine Lebenspartnerschaft führenden Einwohners, der nicht dauernd getrennt von seiner Familie oder seinem Lebenspartner lebt, ist die vorwiegend benutzte Wohnung der Familie oder der Lebenspartner….. (4) Der Einwohner hat der Meldebehörde bei jeder Anmeldung mitzuteilen, welche weiteren Wohnungen nach Absatz 1 er hat und welche Wohnung seine Hauptwohnung ist. Er hat der Meldebehörde der neuen Hauptwohnung jede Änderung der Hauptwohnung mitzuteilen.
Ich würde daraus die Schlussfolgerung ziehen, dass melderechtlich betrachtet ihr Hauptwohnsitz auch dann in Deutschland bleibt, wenn sie eine weitere Wohnung in Belgien innehaben. Es besteht allerdings ausweislich Abs. 4 dieser Norm keine Rechtspflicht den belgischen Wohnsitz auch der deutscher Meldebehörde anzuzeigen, da ausdrücklich nur auf „Wohnung nach Absatz 1", also solche im Inland, verwiesen wird. Praktisch sinnvoll mag es trotzdem sein.
Da Sie länger als drei Monate in Belgien wohnen wollen, sind Sie verpflichtet trotz unterstellter Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedsstaates verpflichtet sich auch bei der dortigen Gemeinde als Ausländer registrieren zu lassen und uch dort einen dortigen Meldewohnsitz zu nehmen.
Zu diesem Verfahren gibt es auch eine ganze Reihe deutschsprachiger Merkblätter z.B. der deutschen Botschaft in Brüssel, die man lesen sollte. Beachtenswert ist, dass die belgische Polizei anders als die deutsche bei Ausländern tatsächlich kontrolliert, ob man an seinem belgischen Meldewohnsitz auch wohnt oder nicht, was ich aus eigener Anschauung bestätigen kann.
2.) Steuerrecht
Steuerrechtlich bleiben Sie einfach deswegen in Deutschland steuerpflichtig, weil sie Ihren Wohnsitz hier beibehalten wollen (§ 1 EStG
). Selbst wenn sie ihn aufgeben würden, würde auch Art 15 Abs.1 des deutsch-belgischen Doppelbesteuerungsabkommens, das Steuerrecht bezüglich der Lohn/Einkommenssteuer für Einkünfte aus unselbstständiger Arbeit regelt, das Besteuerungsrecht hier dem deutschen Tätigkeitsstaat zuweisen. Für andere Steuerarten kommt es darauf an, wo man im Sinne dieses DBA "ansässig" ist. Das ist man zusammenfassend gesagt dort, wo man den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hat. Kann dieser nicht festgestellt werden, kommt es als allerletzte Konfliktregelung sogar wieder auf die Staatsangehörigkeit an (Art. 4 Abs.1 und Abs. 2 Ziff.1 bis Ziff. 3 DBA-Dtl.-Belgien).
Die belgische Gemeindesteuer entsteht tatsächlich mit der polizeilichen Meldung dort. Für die Zwecke der Berechnung dieser Gemeindesteuer wird allerdings so getan, als ob ihre Einkünfte aus selbstständiger Arbeit in Deutschland in Belgien zu versteuern wären. Um einen gewissen Ausgleich dafür zu schaffen, ist es allerdings möglich, dass in Deutschland 8% weniger Lohn/Einkommenssteuer durch den Arbeitgeber einbehalten werden (Art. 2 des Zusatzabkommens zum DBA-Deutschland Belgien vom 14. November 2003). Das könnte in Ihrem Fall allerdings etwas schwierig werden, weil sich Ihre deutsche Steuerpflicht ja gar nicht aus dem DBA ergibt, sondern aus dem beibehaltene Wohnsitz hier, versuchen sollte man es trotzdem.
3.) Sozialversicherungsrecht
Bezüglich des Sozialversicherungsrechts (Krankenkasse, Rente, Arbeitslosen-, Kinder –und Elterngeld) kommt es hier auf die EU-Verordnungen 883/2004 und 997/2009, die als unmittelbar geltende völkerrechtliche Verträge den Regelungen der §3 SGB IV
und § 30 SGB I
vorrangig sind gem. § 6 SGB IV
und § 3 SGB I
Abs.2. Dabei wäre genau genommen auch noch nach Art der Sozialleistung zu unterscheiden.
Auch auf der Basis dieser EU-Verordnungen landet man allerdings letzten Endes, falls es jemals zu einem Konflikt zwischen deutschen und belgischen Sozialleistungsträgern kommen sollte, im Rahmen der insoweit maßgeblichen Gesamtumstände des Einzelfalles (Art. 11 von EU-Verordnung 987/2009) hier wohl solange bei einem deutschen Wohnort, wie in Deutschland eine überwiegende, berufliche Tätigkeit ausgebübt wird und auch hier der steuerliche Wohnsitz ist. Das ist allerdings nur eines von mehreren Kriterien. Art. 11 Abs.1 Buchstabe b Ziff. i bis vi nennt auch engste "familiäre Bindungen" als Kriterium und andere Kriterien. Zu einem belgischen Wohnort im Sinne dieser Konfliktnorm könnte man vorliegend etwa kommen, wenn Familienangehörige nur in Belgien wohnen etc.
Beachten Sie bitte auch, dass diese Verordnungen anders als das DBA-Deutschland-Belgien teilweise noch besondere Bestimmungen für Grenzgänger enthalten (Art. 1 Bucht f von EU-Verordnung 883/04).
Ich hoffe damit einen Überblick über zumindest vorstellbare, zukünftige Problempunkte gegeben zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Ra. Jahn LL.M.