Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Frage 1:
"Kann die zwei Jahresregelung umgangen werden (bzw. könnten evtl. höhere Instanzen z.B. Bauamtleiter oder Landrat dies sondergenehmigen)?"
Eine gesetzliche "Zwei-Jahresregelung" gibt es nicht. Gesetzlicher Aufhänger ist vorliegend § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 Bau-Gesetzbuch (BauGB). Nach dieser Vorschriften kann im Außenbereich "den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen
(...)
3. die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle"
Es geht hier um die Frage, wie das gesetzliche Tatbestandsmerkmal "alsbaldige Neuerrichtung" auszulegen ist.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat hierzu folgende "Orientierungshilfe" entwickelt:
[Der zuständige Senat des BVerwG] hat in seiner Rechtsprechung zur erleichterten Zulassung der "alsbaldigen Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle" ein Zeitmodell entworfen, das auf die Beurteilung der Fortdauer des Bestandsschutzes übertragbar ist. Im ersten Jahr nach der Zerstörung eines Bauwerks rechnet die Verkehrsauffassung stets mit dem Wiederaufbau. Eine Einzelfallprüfung erübrigt sich. Im zweiten Jahr nach der Zerstörung spricht für die Annahme, daß die Verkehrsauffassung einen Wiederaufbau noch erwartet, eine Regelvermutung, die im Einzelfall jedoch entkräftet werden kann, wenn Anhaltspunkte für das Gegenteil vorhanden sind. Nach Ablauf von zwei Jahren kehrt sich diese Vermutung um. Es ist davon auszugehen, daß die Grundstückssituation nach so langer Zeit für eine Neuerrichtung nicht mehr offen ist. Der Bauherr hat besondere Gründe dafür darzulegen, daß die Zerstörung des Gebäudes noch keinen als endgültig erscheinenden Zustand herbeigeführt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. August 1981 - BVerwG 4 C 65.80
- BVerwGE 64, 42
[BVerwG 21.08.1981 - 4 C 65/80
]; Beschluß vom 17. Mai 1988 - BVerwG 4 B 82.88
- Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 248).
Daraus folgt:
Nach mehr als zwei Jahren Zeitablauf nach der Zerstörung des Gebäudes spricht die Vermutung gegen Sie als Bauherrn, dass die Grundstückssituation nach so langer Zeit für eine Neuerrichtung noch offen ist. Sie müssen bzw. können die Vermutung entkräften durch Darlegung besonderer Gründe, dass die Zerstörung des Gebäudes noch keinen als endgültig erscheinenden Zustandes herbeigeführt hat.
Wenn es Ihnen gelingt, die Vermutung zu entkräften, dann können die in § 35 Abs. 2 BauGB
genannten Gründe der Genehmigung des Ersatzbaus nicht entgegen gehalten werden.
Hier können Sie vorbringen, dass Sie das Gebäude lediglich auf Drängen der Gemeinde nicht selbst bewohnt haben, dies nach Auszug der Mieter aber immer beabsichtig war. Im Übrigen hat die Gemeinde die Erforderlichkeit eines Ersatzbaus selbst (mit)herbeigeführt, indem sie Sie dazu überredete, in ihrem Auftrag "Messies" in den Altbau einzuquartieren, deren Verhalten voraussehbar zur Zerstörung des Altbaus führte (allgemeiner, aus § 162 Abs. 2 BGB
folgender Rechtsgedanke: Wird der Eintritt einer Bedingung von einer Partei, der sie zum Vorteil gereicht, herbeigeführt, gilt der Eintritt der Bedingung als nicht erfolgt. Dieser Rechtsgedanke gilt auch im öffentlichen [Bau]recht.)
Die Argumentation des LRA bezieht sich auf § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB
:
"die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf,
c)
das vorhandene Gebäude wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und
d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird".
In diesem Fall wäre tatsächlich eine längere Zeit der Selbstnutzung durch den Eigentümer bis zum Zeitpunkt der Errichtung des Ersatzbaus erforderlich (Buchstabe c).
Für die Frage, ob sich die Genehmigungsfähigkeit des Ersatzbaus nach Nr. 2 oder Nr. 3 richtet, ist entscheidend:
Ist der Altbau bereits durch Naturereignisse oder "andere außergewöhnliche Ereignisse" zerstört worden? Dies wird man wohl bejahen müssen, da das Gebäude unbewohnbar (Deckendurchbruch) geworden ist und schon teilweise gesperrt wurde. Eine "Sanierung" würde hier einem Neuaufbau gleichkommen. Holzschwamm und Schimmelbefall kann man als "Naturereignisse" ansehen; ebenso das zur Hauszerstörung von "Messies" führende Wohnverhalten als "andere außergewöhnliche Ereignisse".
M.E. besteht vorliegend ein Rechtsanspruch auf Genehmigung des Ersatzbaus aus dem Gesichtspunkt des Bestandsschutzes.
Frage 2:
"Kann man evtl. ältere Rechte geltend machen? Haus ist seit Anfang in unserem Besitz und ist älter als Flächennutzungsplan und älter als BauGes §35."
Die Dauer des Bestandsschutzes vor der Nutzungsunterbrechung hat keinen Einfluss auf die "Orientierungshilfe" des BVerwG zur Auslegung des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB
(von Ihnen als "Zwei-Jahresregelung" bezeichnet).
Frage 3:
"Kann man irgendwie aufgrund der bestehenden Siedlung und der untergeordneten Rolle des Hauses begründen und somit eine Genehmigung erhalten?"
Dieses Argument spricht eher gegen Sie.
Danach ist eine Baugenehmigung im Außenbereich nämlich zu versagen, wenn die Errichtung oder Erweiterung einer bestehenden "Splittersiedlung" zu befürchten ist (§ 35 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 BauGB
).
U.a. dieser Einwand soll durch § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB
"abgeschnitten" werden.
Frage 4:
Die Gemeinden können für bebaute Bereiche im Außenbereich durch Satzung bestimmen, dass Vorhaben, die Wohnzwecken oder kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen, nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen (Rechtsgrundlage: § 35 Abs. 6 BauGB
).
Insoweit kann Ihnen eine Außenbereichssatzung helfen.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt C. Norbert Neumann
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Rechtsanwalt C. Norbert Neumann
Vielen Dank für die prompte und ausführliche Anwort.
Mit der zwei Jahresregelung meinte ich Punkt c) von § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB
. Das LRA schreibt uns 2 Jahre Eigennutzung vor (was ja nicht mehr möglich ist, da das Haus nicht mehr bewohnbar ist). Kann dies umgangen werden (evtl. durch höhere Instanz)? Bzw. greift die dieser Punkt auch bei
3. die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle".
Welche Aussichten auf Erfolg, haben wir Ihres Erachtens und sollen wir dies mit Rechtsbeistand einfordern oder können wir dies mit Ihrer Erörterung durchboxen?
Sehr geehrter Fragesteller,
das Gesetz schreibt in Nr. 2 lediglich eine Selbstnutzung des Eigentümers "für längere Zeit" vor. Dass es sich hier um eine Mindestdauer von zwei Jahren handeln müsse, ergibt sich nicht aus dem Gesetz. Das ist nur eine Auslegung durch das LRA, an die ein Gericht nicht gebunden ist.
Die Selbstnutzung für längere Zeit ist bei Nr. 2 indes ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal, das nicht umgangen werden kann.
Bei Nr. 3 ist eine vorangegangene Selbstnutzung durch den Eigentümer nicht vorgeschrieben oder erforderlich. Die "zwei Jahre" sind hier lediglich eine von der Rechtsprechung aufgestellte Orientierungshilfe: Wenn ein zerstörtes Gebäude länger als zwei Jahre nach seiner Zerstörung nicht mehr wiederaufgebaut wurde, spricht die Vermutung dafür, dass die Verkehrsauffassung nicht mehr mit dem baldigen Wiederaufbau des Hauses rechnet- der Wiederaufbau eines zerstörten Gebäudes muss nach dem Gesetz "alsbald" erfolgen. Der Bauherr kann diese Vermutung durch Darlegung besonderer Gründe jedoch widerlegen.
Das LRA wirft in Ihrem Fall die Voraussetzungen für die Nrn. 2 und 3 "durcheinander".
Mit freundlichen Grüßen,
Carsten Neumann
Rechtsanwalt
Sehr geehrter Fragesteller,
es kommt lediglich im Rahmen einer Genehmigungsfähigkeit nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB
auf eine längere Eigennutzung durch den Eigentümer an, wobei diese nicht zwingend zwei jahre betragen muss.
Im Rahmen des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB
ist eine vorherige Eigennutzung durch den Eigentümer überhauot nicht erforderrlich. Hier kommt es allein auf den seit der Zerstörung des Gebäudes erfolgten Zeitablauf an. Die Zeitdauer von zwei Jahren ist insoweit lediglich eine von der Rechtsprechung zur Auslegung der gesetzlichen Vorschrift entwickelte "Orientierungshilfe": Auch mehr als zwei Jahre nach der Zerstörung kann die Errichtung eines Ersatzbaus noch zulässig sein, wenn der Eigentümer hierfür besondere Gründe darlegt.
Mit freundlichen Grüßen,
Carsten Neumann
Rechtsanwalt