Sehr geehrter Ratsuchender,
vielen Dank für Ihre Frage, diese beantworte ich aufgrund Ihrer Angaben wie folgt.
Vorrangig gilt es in einem solchen Fall zu klären, ob das Testament des Erblassers für einen solchen Fall Regelungen enthält. Der erklärte Wille des Erblassers geht bei allen Fragen rund um die Festlegung der Erbfolge in jedem Fall vor.
Hat der Erblasser beispielsweise in seinem Testament ausdrücklich erklärt, dass die Abkömmlinge des eingesetzten Erben nicht dessen Ersatzerben sein sollen, dann ist klar, dass sich die Ausschlagung des testamentarischen Erben nicht zugunsten seiner Kinder auswirken kann. Die Kinder des ausschlagenden Erben bleiben in diesem Fall außen vor, es tritt im Regelfall Anwachsung nach § 2094 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) ein.
Der Erbteil des ausschlagenden Erben wird auf die verbleibenden Testamentserben verteilt.
Die gesetzliche Erbfolge kommt erst in Betracht, wenn es keine Testamentserben mehr gibt, also alle ausgeschlagen haben.
Ich hoffe Ihre Frage beantwortet zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt Andreas Wehle /Aachen
Antwort
vonRechtsanwalt Andreas Wehle
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Rechtsanwalt Andreas Wehle
Sehr geehrter Herr Wehle,
besten Dank zunächst für Ihre schnelle Antwort! Wie in meiner Ursprungsfrage geschrieben, gibt es im Testament keine Aussage zu Ersatzerben - auch keine Erklärung dazu, wer nicht Ersatzerbe sein soll.
Tritt auch dann, wenn im Testament keine Erklärung zu Ersatzerben getroffen wurde, Anwachsung nach §2094 BGB ein - oder doch eher §2069 BGB, dass im Zweifels anzunehmen ist, dass die Abkömmlinge des ausschlagenden Sohnes an seine Stelle treten würden?
Herzlichen Dank und beste Grüße!
Sehr geehrter Ratsuchender,
vielen Dank für Ihre Nachfrage.
Sie haben völlig Recht, das Gesetz hält hier Auslegungsregeln in der §§ 2066 ff. BGB vor.
Aus der Formulierung „im Zweifel" wird klar, dass diese gesetzliche Auslegungsregel in § 2069 BGB nur dann greift, wenn es keine anderweitigen Regeln im Testament und auch kein anderweitiges und vorrangiges Auslegungsergebnis gibt.
Gerichtsurteile zu der Frage, ob Kinder (oder sonstige Abkömmlinge) bei Ausschlagung eines Elternteils als Erben nachrücken, gibt es viele.
So wurde ein Nachrücken von Kindern als Erben wiederholt verneint, wenn ein Elternteil vom Erblasser als Nacherbe eingesetzt war und das Elternteil die Erbschaft mit dem Ziel ausgeschlagen hat, seinen Pflichtteil zu erlangen, § 2306 BGB.
Es sei, so die die Meinung der Gerichte, in solchen Fällen nicht anzunehmen, dass der Stamm des ausschlagenden Erben zweimal an dem Nachlass (Einmal durch den Pflichtteil des Ausschlagenden, einmal durch das Erbe des nachrückenden Kindes) beteiligt wird.
Das ist aber nicht der von Ihnen geschilderte Fall.
So keine anderweitige Auslegung (§ 133 BGB) möglich erscheint, wäre vorliegend auf § 2069 BGB abzustellen und die Kinder des Ausschlagenden als "Ersatzerben" anzusehen.
Mit freundlichen Grüßen
RA A. Wehle /Aachen
Auszug Kommentierung zu § 2069 BGB
Zitat:Ein Abkömmling des Erblassers ist im Zweifel (vgl Ddorf ErbR 21, 423) als Repräsentant seines Stammes begünstigt (München ZErb 17, 199). § 2069 greift bei Wegfall eines (auch des einzigen, BayObLGZ 71, 386) Abkömmlings (§ 1589), nicht nur durch Tod (Ddorf ZEV 15, 549), sondern auch aus rechtlichen Gründen nach Errichtung der Verfügung (bei Tod vor Errichtung: § 2068) zB durch Ausschlagung (RGZ 95, 97, vgl aber Rn 5), Erbunwürdigkeit (Frankf ZEV 95, 457) oder bei auflösender Bedingung, wenn die Bedingung ein Ereignis in der Person des Bedachten und vor Anfall der Zuwendung eingetreten ist (Staud/Otte § 2069 Rz 17), nicht jedoch bei Erbverzicht gegen Abfindung, weil der Stamm des Verzichtenden sonst sachwidrig begünstigt würde (BGH NJW 74, 43 [BGH 24.10.1973 - IV ZR 3/72]; Braunschw NJW-RR 20, 1082 [OLG Braunschweig 13.05.2020 - 3 W 74/20]). Zu den Abkömmlingen gehören auch außereheliche Kinder (BayObLG NJOZ 04, 3827) iSd § 1592 Nr 2 und 3 sowie Adoptivkinder (BayObLG FamRZ 85, 426), nicht aber Pflege- oder Stiefkinder (vgl aber München NJW-RR 17, 907 [OLG München 24.04.2017 - 31 Wx 128/17]). § 2069 hilft, wenn sich im Wege der Auslegung nicht ermitteln lässt, wie der Erblasser beim Tod eines bedachten Abkömmlings verfahren wollte.