Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Es liegt möglicherweise eine sog. Ersatzerbschaft der Abkömmlinge der Schwägerin vor: Die Erblasserin kann für den Fall, dass eine Erbin vor oder nach dem Eintritt des Erbfalls wegfällt, andere als Erben einsetzen (Ersatzerben), § 2096
des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Das hat sie hier nicht ausdrücklich getan für den Fall, dass die Erblasserin das Erbe ausschlägt.
Wenn es sich bei der vorgesehenen Erbin um einen Abkömmling der Erblasserin handelt, beinhaltet § 2069 BGB
die gesetzliche Vermutung, dass bei deren Wegfall (was nach einhelliger Auffassung auch durch Ausschlagung der Erbschaft geschehen kann) deren Abkömmlinge bedacht sind, soweit diese bei gesetzlicher Erbfolge den als Erbin eingesetzten Abkömmling beerben würden. Eine solche Vermutungsregel gibt es aber nicht für andere Verwandtschaftsverhältnisse, und § 2069 BGB
ist nach allgemeiner Auffassung auch nicht auf andere Konstellationen analog anzuwenden.
Findet sich im Testament keine Regelung, wer nach Wegfall einer Erbin, die nicht Abkömmling ist, ersatzweise erben soll, bedarf es damit der Auslegung des Testaments nach dem mutmaßlichen Willen der Erblasserin (§§ 133
, 2084 BGB
), hilfsweise der ergänzenden Testamentsauslegung:
Es ist zunächst zu ermitteln, ob die Erblasserin im Zeitpunkt der Testamentserrichtung an die Möglichkeit eines Wegfalls der von ihr eingesetzten Erbin gedacht hat und was sie für diesen Fall wirklich oder mutmaßlich gewollt hat (vgl. NK-BGB, 5. Auflage 2018, Selbherr, § 2069, Rz. 23, Fn. 56 mit Rechtsprechungsnachweisen).
Meist wird es dazu keinen nachweisbaren Willen des Erblassers geben, so dass es auf eine ergänzende Testamentsauslegung ankommt. Es ist danach der hypothetische Wille des Erblassers zu ermitteln, den dieser vermutlich gehabt hätte, wenn er an den Wegfall der Eingesetzten (hier: eine Erbausschlagung) gedacht hätte. Hierzu gibt es eine umfangreiche Kasuistik. Die Rechtsprechung sieht regelmäßig die für die formwirksame Erklärung erforderliche Andeutung im Testament bereits in der Einsetzung der weggefallenen nahestehenden Person als ausreichenden Anhaltspunkt für den Willen des Erblassers, dass bei Wegfall der Bedachten deren Abkömmlinge an ihre Stelle treten sollen (hierzu und zum Folgenden Selbherr, a.a.O., Rz. 24). Entscheidend sei danach, ob die Zuwendung der Bedachten als Erster ihres Stammes oder ihr persönlich gegolten hat. Im Ergebnis verschwimmen hier freilich die Grenzen zu einer analogen Anwendung des § 2069 BGB
. Eine solche Ersatzerbenstellung hat die Rechtsprechung z.B. angenommen beim Ehegatten, Geschwister, Stief- und Geschwisterkind, Elternteil sowie Lebensgefährten der Erblasserin/des Erblassers; für Schwägerschaft gibt es - soweit ersichtlich - keine Referenzentscheidung.
In Ihrem Fall dürfte schon die Auslegung nach dem mutmaßlichen Willen der Erblasserin (sog. wohlwollende Auslegung) ergeben, dass auch bei einer Ausschlagung der Erbschaft durch die Schwägerin deren Kinder erben sollen. Die Möglichkeit der Erbausschlagung wurde offensichtlich nicht bedacht, gleichwohl soll das Erbe bei Wegfall der Schwägerin (so der Oberbegriff) offensichtlich in deren Stamm bleiben.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben, und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen