Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Antwort
Ihre Frage hat einen erbrechtlichen, einen mietrechtlichen und einen familiären Aspekt.
Frage 1.)
Offensichtlich hatten Ihre Großeltern als Ehepaar ein Berliner Testament gem. § 2269 BGB
errichtet, und ich gehe einmal von der Wirksamkeit aus. Damit ist die gesetzliche Erbfolge durchbrochen worden und Ihre Mutter bzw. ihr Onkel haben beim Tod des Opas in 2010
nichts geerbt. Etwaige Pflichtteilsansprüche gegen die Oma waren nach 3 Jahren verjährt.
Das Berliner Testament ist eine gebräuchliche Form des Testaments, durch das Ehegatten sich gegenseitig als Alleinerben einsetzen und bestimmen, dass erst nach dem Tode des Überlebenden der Nachlaß an Dritten fallen soll. Das ist nicht zu beanstanden.
Mit dem Tod Ihrer Mutter sind Ihre Schwester und Sie an deren Stelle getreten, und zwar zu gleichen Teilen, je zu ½ (§ 1924 Abs. III BGB
mit § 1924 Abs. IV BGB
), falls Ihre Mutter kein abweichendes Testament u.ä. errichtet hatte, wovon ich nicht ausgehe.
Mit dem Tod der Oma ist der (Großelter-)Erbfall abgeschlossen und aufgrund gesetzlicher Erbfolge würde Ihr Onkel 50% der Erbmasse erhalten und Sie und Ihre Schwester je 25%,
und zwar als Erbengemeinschaft. Diese Regelung gilt aufgrund des Testaments nicht mehr.
Nunmehr liegen 2 Testamente vor, ein Haupttestament und ein Nachtrag. Da der Nachtrag unvollständig ist, wird es erbrechtlich mehr als kompliziert, aber: Enterbt sind Sie nicht!
Dabei unterstelle ich, dass beide Großeltern bei Errichtung des Nachtrags noch klar waren.
Der einfache Falle wäre es anzunehmen, dass die Teilungsanordnung für das gesamte Erbe
von 60% zu 40 % auf 70 % zu 30 % abgeändert worden war. Dem widerspreche ich aber.
Die schwierigere Variante wäre, dass das Haupttestament aufgehoben werden sollte.
Dann sollte nur das große Haus 70 % zu 30 % verteilt werden (gem. § 2048 BGB
) und für den Rest sollte die gesetzliche Erbfolge gelten. Das könnte ein Vorausvermächtnis sein.
Die wahrscheinlichere Variante ist, dass das Haupttestament nicht aufgehoben werden sollte und nur das große Haus 70 % zu 30 % verteilt werden sollte (gem. § 2048 BGB
) und für den Rest sollte die früher bestimmte Erbfolge 60 % zu 40 % weiter gelten
In allen drei Fällen wären Sie aber Miterbe am Erbfall der Oma, nach meiner Auffassung
so wie Sie es auch vermuten: Ihr Onkel erbt 70% des großen Hauses und 60% des kleinen Hauses und Ihre Schwester und ich je 15 % des großen Hauses und 20 % des kleinen.
Frage 2.)
Nein! Mit dem Tod einer Person geht deren Vermögen auf den oder die Erben über
(§§ 1922
, 1942 Abs.
I BGB), kommt es weder auf die Kenntnis der Erben vom Tod des Erblassers an, noch bedarf es einer ausdrücklichen Annahmeerklärung des Erben.
Der Erbe müsste die Erbschaft ggf. aktiv ausschlagen, wenn er sie nicht will (Schulden).
Sie sollten zunächst Ihr Erbrecht reklamieren und einen Auskunftsanspruch geltend machen, der gegen den bzw. die Erbschaftsbesitzer besteht. Da sich Ihr Onkel als Erbe geriert, haben Sie gegen ihn umfassende Auskunftsansprüche gem. §§ 2018
, 985 BGB
, und zwar auch hinsichtlich des Erbfalls von Ihrem Opa. Der Auskunftsanspruch verjährt nach 30 Jahren.
Dieser Anspruch bezieht sich auch nicht nur auf die beiden (bekannten) Häuser sondern auch auf Wertgegenstände, Sammlungen, Fahrzeuge, Aktien und Wertpapierdepots usw.
Dabei ist auch der Verbleib bestimmter Gegenstände aufzuklären und diese sind ggf. zur Erbmasse zurückzuführen bzw. wertmäßig zu ersetzen und aufzuteilen.
Mietrechtlich
Soweit der Mietvertrag mit dem Sohn Ihres Onkels und ihm unter der Voraussetzung geschlossen wurde, dass auch Ihr Onkel sich als Alleierbe fühlte, kann die zurückliegende Zeit nicht mehr mit Erfolg beanstandet werden. Auch bezüglich des Besitzes hat Ihr Onkel ein 70%-Bestimmungsrecht und durfte im Zweifel bestimmen, wer das große Haus erhält.
Es scheint daher kaum möglich, dass sie das große Haus erhalten werden.
Bezüglich der Miete käme eine Anpassung in Frage (bezogen auch Ihren 30%-Anteil) und eine marktübliche Miete. Ob Sie das auch für die Vergangenheit fordern, entscheiden Sie.
Familienrechtlich
ist das eine sehr schwierige Lage. Ihr Onkel hätte sich Ihnen gegenüber fairer verhalten müssen (aber Sie hätten mich auch früher fragen können). Aber es steht zu vermuten,
dass er nicht teilen oder einen Ausgleich schaffen will, bzw. seine Kinder.
Eine Wertermittlung kann bezüglich nicht mehr vorhandener Gegenstände nur erfolgen, wenn Sie sich an diese erinnern und genau beschreiben können, ggf. wurde sie ja verkauft und es existieren Kaufverträge oder zumindest Kontoauszüge.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen