Sehr geehrter Fragesteller,
gerne beantworte ich diese überaus durchdachte Frage im Rahmen einer Erstberatung wie folgt.
Zunächst einmal ist es tatsächlich so, dass nach der aktuellen Rspr. und entgegen anderslautender, evtl. älterer Quellen im Netz –(und auch hier) - eine Abschichtungsvereinbarung auch dann nicht der notariellen Beurkundung bedarf, wenn zum Nachlass ein Grundstück gehört (OLG Hamm, Beschluss vom 12. November, 2013, Az. I-15 W 43/13
). Das ergibt sich nach diesem Beschluss insbesondere nicht aus § 313b BGB
, was ich selbst ansonsten stark vermutet hätte.
Ihr Vorhaben einer ich nenne es einmal „Kettenabschichtung" dürfte aber aus einem anderen konstruktiven Gründen entweder a priori zum Scheitern verurteilt sein oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die nächste obergerichtliche Entscheidung zur Thematik „Abschichtungsverträge" mit bestenfalls offenem Ergebnis nach sich ziehen, und da zu kann man ihnen nun wirklich nicht raten.
Meine Begründung ist wie folgt. Das OLG Hamm hat am angegebenen Ort in Rz. 47 seine Entscheidung wie folgt begründet: „…Der von den Beteiligten geschlossen Abschichtungsvertrag unterliegt keinem Formerfordernis. Durch einen Abschichtungsvertrag scheidet ein Miterbe einvernehmlich, ggf. unter Vereinbarung einer Abfindung, aus der Erbengemeinschaft aus. Diese Vereinbarung stellt keine formgebundene Verfügung über den Erbteil im Sinne des § 2033 Abs. 1 S. 1 u. 2 BGB
, sondern eine bloße Aufgabe der Mitgliedschaftsrechte in der Erbengemeinschaft dar. Es fehlt an der das Formerfordernis auslösenden Rechtsübertragung. Obwohl der Nachlass im Wesentlichen aus einem (SIC!) Grundstück besteht, ergibt sich ein Formerfordernis auch nicht aus § 311 b Abs. 1 BGB
. Denn es liegt kein auf Übertragung oder Erwerb eines Grundstücks gerichtetes Verkehrsgeschäft im Sinne dieser Norm vor. Die Aufgabe der Mitgliedschaftsrechte bewirkt vielmehr, vergleichbar der Reglung des § 738 BGB
, eine Anwachsung des Erbteils des Ausgeschiedenen bei den übrigen Miterben kraft Gesetzes (insgesamt: BGH, NJW 1998, 1557
f.; ebenso: LG Köln NJW 2003, 2993
)".
Diese ganze dogmatische Konstruktion bricht in sich zusammen, wenn man das sukzessive auf mehrere Grundstücke und mehrere Miterben bezieht. Nehmen wir mal an, damit es leichter vorstellbar wird, die ganzen Übertragungen passieren zeitlich eine sogenannte „denklogische" oder „juristische Sekunde" aufeinander folgend: In dem Moment, in dem der erste N sein Haus erhält und von den anderen eine Ausgleichzahlung erhält, ist er schon IM GANZEN aus der Erbengemeinschaft ausgeschieden und sein Erbanteil „wächst den anderen" an. Er geht, anders als Sie annehmen, keineswegs unter oder fällt aus der Erbengemeinschaft raus. N bleibt auch nicht Mitglied der Erbengemeinschaft. Er scheidet aus. An den folgenden Übertragungen wäre N überhaupt nicht mehr beteiligt. Schon an dieser Stelle vollzieht sich das anders, als Sie es sich oben vorstellen.
Es gibt sozusagen –zumindest bislang, soweit mir ersichtlich,- keine „Teilabschichtung einer Teilerbengemeinschaft."Schon aus diesem Grunde wird das Ganze leider so kaum funktionieren.
Sie sind hier auch im Interesse der eigenen Rechtssicherheit, wirklich nur gut beraten, wenn Sie einen Notar zumindest hinzuziehen. Falls der es schafft hier einen Abschichtungsvertrag zu entwerfen, der auch nicht der Beurkundung bedarf fallen auch nur die Kosen des Enwufs nicht die der eigentlichen Beurkundung an. Wenn Sie das Ganze sozusagen entgegen meinem Rat tatsächlich wirklich komplett selbst machen wollen, finden sie zu Beginn der zititieren Entscheidung des OLG Hamm zumindest Formulierungsvorschläge aus dem Vertrag, der dort streitgegenständlich war.
Mit freundlichen Grüßen
Andre Jahn
Rechtsanwalt LL.M.
Diese Antwort ist vom 19.12.2015 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Ich finde Ihre Antwort nicht sehr schlüssig.
Der Grund, warum der BGH die Abschichtung als nicht notarbedürftig erklärte, lag in der Tatsache, dass hier "eine bloße Aufgabe der Mitgliedschaftsrechte in der Erbengemeinschaft" vorliegt und nicht etwa eine explizite Übertragung von Grundstücks-Rechten vorgenommen wird, die nach BGB notar-bedürftig wäre.
An diesem Sachverhalt (also grundsätzlichen Unterschied zur Grundstücks-Übertragung) ändert sich doch auch dann nichts, wenn die Erbengemeinschaft zerlegt wird in drei Teil-Erbengemeinschaften (je 1 pro Immobilie) und in diesen Teil-Erbengemeinschaften getrennt verfahren wird.
Dass Abschichtungen von Teil-Erbengemeinschaften möglich sind (ohne gleichzeitige vollständige Auflösung der Gesamt-Erbengemeinschaft) geht auch diversen anderen Quellen im Internet hervor.
Da Sie (und damit vermutlich auch andere Juristen) aber offenbar die kostensparende "Abschichtung" nicht so recht mögen: ist es ggf. ratsam, die drei Teil-Abschichtungen tatsächlich mit beträchtlichem zeitlichem Abstand vorzunehmen (z.B. jeweils 1 Monat), damit der inhaltliche Zusammenhang nicht so ins Auge sticht?
Sehr geehrter Nachfragesteller,
der gedankliche Fehler liegt des Ganzen liegt im zweiten Absatz, weil Sie nicht beachten, dass eine Erbengemeinschaft eine Gesamthandsgemeinschaft ist. Es ist keine Kapital- z.B. Aktiengesellschaft, wovon der ganze Gedankengang inspiriert ist. Es findet da keine "Zerlegung" oder so etwas steht. Die Hingergrundmechanik funktioniert, wenn überhaupt wie unten dargelegt.
Worin der Fehler in ihrem Entwurf liegt, habe ich Ihnen auch schon mitgeteilt, es geht um die Anwachsung der Erbanteile. N scheidet aus.
Die Fundstellen im dritten Absatz hätte ich gerne, so sie denn zitierfähig sein sollten -(Kein Wikpedia, kein kollegialer Marketing-Text, kein Verbandsratgeber). Ich kann sagen, dass bei Sasse in "Die Erbengemeinschaft" etwas zur Zulässigkeit von Teilerbengemeinschaften stehen soll. Das gibt es aber nur in Buchform. Außerdem in einer Doktorarbeit, die es auch nur in Buchform gibt.
Hier ein Weg wie Ihr Modell der „Kettenteilabschichtung" vielleicht funktionieren könnte.
Zur Verdeutlichung der Mechanik muss man erstmal einen vereinfachten hypothetischen und bereinigten Sachverhalt bilden und sich dem realen Fall schrittweise annähren.
Ausgangsfall 1: Erbengemeinschaft (=Gesamthandsgemeinschaft) bestehend aus E1, E2, E3. Jeder hält 1/3 Erbanteile. Nachlass besteht aus Haus A im Wert von €500.000,- Haus B im Wert von €500.000,- und Bargeld im Wert von €500.000.
1.) Teilabschichtungsvertrag zwischen E1 einerseits und E2, E3 andererseits. E1 bekommt Haus A und scheidet unter Aufgabe seines Erbanteils aus der Erbengemeinschaft aus auch Haus A scheidet damit aus dem Gesamthandsvermögen aus.
Danach besteht nur noch eine Erbengemeinschaft aus E2 und E3. Aufgrund der Anwachsung des Erbanteils von E1 hat jetzt aber jeder einen Anteil von ½ bezogen auf das restliche Gesamthandsvermögen bestehend aus Haus B und dem Barvermögen im Wert von jeweils €500T.
2.) Teilabschichtungsvertrag zwischen E2 und E3. E2 bekommt Haus B und scheidet unter Aufgabe seines Erbanteils aus und auch Haus B scheidet aus dem Gesamthandsvermögen aus.
Danach besteht nur noch eine „Erbengemeinschaft" aus E3, an der E3 1/1 hält und das Gesamthandsvermögen nur noch aus dem Barvermögen. Die „Gemeinschaft" erlöscht einfach durch Kollusion der Erbanteile, die sich alle bei E3 vereinigt haben, und E3 wird Alleineigentümer des Barvermögens.
Im Ergebnis erhält damit jeder genau €500T.-- und das gewünschte Ergebnis ist erzielt, nur die dogmatische Mechanik der Transaktion ist etwas anders, als Sie es sich vorgestellt haben, weil die Verschiebung der Erbanteile durch Anwachsung nach jeder Teilabschichtung nicht beachtet wurde und das vollständige Ausscheiden von E1 und E2 nach Abschluss jedes Teilabschichtungsvertrags.
Sachverhaltsalternative 2). Genau wie Ausgangsfall 1) nur beträgt der Wert des Barvermögens jetzt €1,4 Mill, so dass sich der Gesamtnachlasswert auf €2,4 Mill erhöht, von dem am Ende jeder genau 1/3.also €0,8Mill erhalten soll.
Hier müssen jetzt in die Teilabschichtungsverträge Ausgleichszahlungen aus dem Barvermögen an die auscheidenden E1 und E2 eingeführt werden, weil ansonsten E3 am Ende €1,4 Mill erhält und nicht nur €0,8 Mill. Es muss also eine Ausgleichszahlung i.H.v. €0,3 Mill (=1,4Mill-0,8 Mill=0,6 Mill/2=0,3 Mill) an jeden der weichenden Erben E1 und E2 geleistet werden, damit am Ende jeder genau bei €0,8Mill. liegt
.
Sachverhaltsalternative 3) Genau wie Ausgangsfall 1) nur beträgt der Wert des Barvermögens jetzt genau €200.000,- - (damit nähert man sich Ihrem realen Fall an, weil das Grundvermögen –(Wert 1Mill) jetzt deutlich mehr wert ist als das Barvermögen).
Der Gesamtnachlasswert beträgt jetzt € 1,2 Mill., von denen jeder 1/3 erhalten soll. Das sind €0,4 Mill. Hier müssen jetzt der weichenden Erbe E1 und E2 ihrerseits Ausgleichszahlungen i.H.v. €0,1 Mill leisten (einmal E1 an die „Resterbengemeinschaft" aus E2 und E3, die auch an dieser Zahlung Gesamthandsvermögen begründen im ersten Teilabschichtungvertrag und E2 an E3 im zweiten Teilabschichtungsvertrag).
Wenn Sie dieses Modell jetzt durch Anpassung der Zahlenwerte auf ihren realen Fall übertragen, könnte es klappen.
Auch dann bestehen aber noch folgende Risiken:
Zunächst mal ist das Urteil aus NRW für Bayern natürlich nicht bindend, und ich bin mir sehr sicher, dass sich zumindest eines von offensichtlich drei oder vier real beteiligten Grundbuchämtern/Rechtspflegern quer stellen wird. Ein bayerisches OLG könnte hier auch zu einem anderen Ergebnis komme, müsste die Frage dann aber dem BGH vorlegen.
Auf jedem Fall sollten Sie das oben genannte OLG-Hamm-Urteil vollständig in Ihren Umschreibungsanträgen zitieren und am besten auch den Anträgen beilegen, damit die Rechtspfleger es selbst schnell finden können.
Ein anderes Risiko ist einfach, dass die Mitglieder der Erbengemeinschaft sich zu irgendeinem Zeitpunkt der ganzen Transaktion doch nicht mehr so vertragen, wie sie es vorgeben. Ein Anwalt für ein anderes Mitglied der Erbengemeinschaft könnte sich hier z.B. als aller erstes fragen, woher kommen eigentlich die Bewertungen des Grundvermögens? Gibt es wirklich aktuelle Verkehrswertgutachten für alle Grundstücke? (Vielleicht aus einem Besteuerungsverfahren?)
Ob sie die Beglaubigung der Unterschriften durch die Meldestelle oder durch einen Notar vornehmen lassen, ist dagegen gleichgültig. Sie haben in der Eile die Kosten der Beglaubigung der Unterschriften durch einen Notar, mit denen der notariellen Beurkundung der GANZEN Urkunde verwechselt, die allerdings vom Geschäftswert abhängen.
Die Beglaubigung einer Unterschrift kostet auch bei einem Notar nicht mehr als zwischen €25 bis €35,-, nach den letzten Rechnungen, die ich dazu gesehen habe und ist von Gesetzes auf maximal €70,- pro Unterschrift begrenzt (Wudy: „Einführung in das neue Notarkostenrecht" in: BNotZ 6/2013 auf Seite 209).
Beachten müssen Sie auch, dass hier selbst wenn diese durchaus nicht risikolose Konstrukt funktioniert, noch Grundbucheintragungskosten anfallen, die wiederum vom Wert des übertragenen Grundvermögens abhängen, weil die Zwei-Jahresfrist aus Nr 14110 Kostenverzeichnis zum GNotKG abgelaufen ist (Privilegierung von Eintragungen zugunsten von Erben), so dass ca. 1% des jeweiligen Verkehrswert eh ans jeweilige Grundbuchamt gehen, die man vermutlich hätte sparen können.
Vermeiden müssen Sich auch jedwede Bevollmächtigungen, weil dadurch wiederum, weil Grundvermögen betroffen ist, das notarielle Beurkundungserfordernis für die Vollmachten ausgelöst wird (§313b BGB
), die Beteiligten müssen die Grundbuchberichtigungsanträge also alle selbst stellen.
Ich habe keine Vorurteile gegen Abschichtungsverträge und ich bin auch kein Notar, so dass es mir merkantil ziemlich egal sein kann, in welcher Form sich Erbengemeinschaften gütlich auseinerandersetzen dürfen oder nicht. Meine Befürchtung ist nur, dass es Fälle geben mag, in denen sich manche Nicht-Juristen vielleicht doch ein wenig viel vornehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Andre Jahn (Rechtsanwalt LL.M.)