Sehr geehrte Fragestellerin,
1.
Von Ihrem Vater sind Sie als Erbe eingesetzt worden, sodass Sie zusammen mit Ihrer Mutter und Ihren Geschwistern hinsichtlich des Nachlasses Ihres Vaters eine Erbengemeinschaft bilden.
Durch den Tod Ihrer Mutter ist das Vermögen Ihrer Mutter ebenfalls zum Nachlass geworden.
Ihre Ansprüche gegenüber Ihrem Bruder hängen von der genauen Formulierung des Testamentes ab. Zum einen könnten Sie als Erbe in Höhe des Pflichtteils eingesetzt worden sein oder es könnte im Testament festgelegt worden sein, dass Sie nur den Pflichtteil erhalten sollen. Ihre obige Formulierung ist missverständlich, da Sie von "Pflichtanteil erben" schreiben, aber sich Erbe und Pflichtteilsansprüche gegenseitig ausschließen. Ich gehe davon aus, dass Ihre Mutter Sie auf den Pflichtteil beschränken wollte, Sie also nicht Erbe geworden sind.
Hinsichtlich des Nachlasses Ihrer Mutter haben Sie gegen den Erben einen Anspruch in Geld in Höhe des Pflichtteilsanspruchs, der Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs. Der Anspruch ist grundsätzlich sofort fällig und unabhängig vom Erbschein. D.h. Sie können diesen bzw einen Teil davon sofort verlangen.
Hinsichtlich der Erbengemeinschaft aus dem Nachlass Ihres Vaters gibt es keine Änderung. Nur der Anteil Ihrer Mutter an dieser Erbengemeinschaft geht auf Ihren Bruder über.
Einen Anspruch auf Auszahlung aus der Erbengemeinschaft haben Sie nicht. Sie können aber die Auseinandersetzung verlangen. D.h. die Teilung des Nachlasses und gegebenenfalls der Verkauf der nicht teilbaren Sachen; § 2042 Abs. 1 BGB
.
2.
Sind seit der Schenkung weniger als 10 Jahre vergangen erhöht sich der Wert aus dem der Pflichtteilsanspruch berechnet wird um den Wert der Schenkung; § 2325 BGB
.
3.
Das Testament wird nicht dadurch unwirksam, dass der Erbe den nicht im Testament festgehaltenen Willen zuwiderhandelt.
4.
Als Pflichhteilsberechtigte haben Sie Anspruch auf Erstellung eines Nachlassverezeichnisses; § 2314 BGB
. Im Zweifel müssten Sie jedoch nachweisen, dass bestimmte Gegenstände Ihrer Mutter gehörten. Selbst wenn Ihre Mutter jedoch bestimmte Gegenstände an Ihren Bruder verschenkt haben sollte, wird dadurch Ihr Pflichtteilsanspruch nicht beeinträchtigt.
5.
Ich rate Ihnen zunächst zur genauen Prüfung des Testamentes einen Rechtsanwalt Ihrer Wahl zu beauftragen. Sollten Sie Ansprüche gegen Ihren Bruder durchsetzen wollen, rate ich Ihnen ebenfalls frühzeitig einen Rechtsanwalt zu beauftragen, um formale Fehler zu vermeiden.
Desweiteren könnten Sie noch weitere Ansprüche gegen Ihren Bruder und dem Nachlass Ihrer Mutter haben, wenn Sie, was ich nach Ihrer Schilderung vermute, Miteigentümer des Hauses geworden sind. Dies bedarf allerdings einer ausführlichen Prüfung bei Kenntnis aller weiteren Umstände durch einen Rechtsanwalt.
Gerne steht Ihnen unsere Kanzlei dazu zur Verfügung, wobei die von Ihnen hier gezahlte Erstberatungsgebühr angerechnet wird. Auch eine größere örtliche Entfernung steht einer Mandatsübernahme nicht im Wege, da die Kommunikation auch gut über Telefon, EMail, Post und Fax erfolgen kann.
Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass diese Plattform eine ausführliche und persönliche Rechtsberatung nicht ersetzen kann,
sondern ausschließlich dazu dient, eine erste überschlägige Einschätzung Ihres Rechtsproblems auf Grundlage der von Ihnen
übermittelten Informationen von einem Rechtsanwalt zu erhalten.
Durch Weglassen oder Hinzufügen weiterer Sachverhaltsangaben Ihrerseits kann die rechtliche Beurteilung anders ausfallen.
Ich hoffe, mit der Beantwortung Ihrer Anfrage, weitergeholfen zu haben.
Für Rückfragen nutzen Sie bitte die Möglichkeit der kostenlosen Nachfrage.
Für eine weiterführende Interessenvertretung stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Ingo Bordasch
Rechtsanwalt
Tel.: 030 - 293 646 75
Fax.: 030 - 293 646 76
frag-einen-anwalt@RA-Bordasch.de
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Diese Antwort ist vom 18.05.2009 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Sehr geehrter Herr RA Bordasch,
vielen Dank zunächst für Ihre umfassende Antwort.
Richtig ist, dass mein weiterer Bruder und ich nur Pflichtteilsberechtigte (also keine Erben!) und mein Bruder Alleinerbe geworden ist in Bezug auf das gesamte Vermögen meiner Mutter (Anteil Haus + Barvermögen + Sachwerte). Wenn ich mir sofort den Pflichtteil auszahlen lassen kann, was muss der Bank als Nachweis vorgelegt werden, um an das Barvermögen heranzukommen? Reicht das Testament? Sollte man dabei anwaltliche Unterstützung in Anspruch nehmen?
Eine letzte Verständnis-Frage: Wenn mein weiterer Bruder und ich jetzt schon zusammen 50% am Haus halten und durch den zusätzlichen Pflichtteil unserer Mutter noch einmal jeder ca. 4% dazubekämen, haben wir dann mit einer gemeinsamen 58%-Mehrheit das Recht, unseren Bruder (Alleinerbe) "vor die Tür zu setzen"?
Vielen Dank für Ihre Hilfe!
Mit freundlichen Grüßen
Evelyn M.
Sehr geehrte Fragestellerin,
1.
der Pflichtteilsanspruch ist ein reiner Zahlungsanspruch gegen den Erben. D.h. der Anspruch ist unabhängig von der Bereitschaft der Bank, den Nachlass auf den Erben zu übertragen. Die Bank darf Ihnen aus dem Nachlass gar nichts auszahlen, da Sie nicht Erbe geworden sind.
Ob Ihr Bruder bereits selbst auf den Nachlass zugreifen kann ist unerheblich. Zur Durchsetzung Ihrer Ansprüche gegen Ihren Bruder rate ich Ihnen anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, insbesondere wegen der Prüfung der oben erwähnten, über den Pflichtteil hinaus gehenden, Ansprüche gegen Ihren Bruder.
2.
Da Sie nur Pflichtteilsansprüche, also Zahlungsansprüche, gegen Ihren Bruder haben, erhöht sich nicht Ihr Anteil an der Immobilie. D.h. Sie haben weiterhin einen Anteil von 25%.
Aber selbst wenn Sie, oder zusammen mit anderen, einen Anteil von mehr als 50% erhalten hätten, könnten Sie nicht Ihren Bruder einfach "vor die Tür zu setzen", da er Miteigentümer ist.
Mit freundlichen Grüßen
Ingo Bordasch
- Rechtsanwalt -