Sehr geehrte Ratsuchende,
gerne beantworte ich Ihre Anfrage unter Berücksichtigung Ihrer Sachverhaltsschilderung und Ihres Einsatzes wie folgt:
Die Ansprüche auf Elternzeit (§ 15 Abs.1 BEEG
) einerseits und auf Elternteilzeit (§ 15 Abs. 4 BEEG
) andererseits sind voneinander zu unterscheiden. Die Inanspruchnahme der Elternzeit führt - ohne Zustimmung des Arbeitgebers- unmittelbar zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses und damit auch zum Ruhen der Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers. Wer Elternzeit beanspruchen will, muss sie spätestens sieben Wochen vor Beginn schriftlich vom Arbeitgeber verlangen und gleichzeitig erklären, für welche Zeiten innerhalb von zwei Jahren Elternzeit genommen werden soll, vgl. §§ 15 Abs.1
, 16 Abs.1 BEEG
. Dies bedeutet aber auch, dass Sie zunächst nur 2 Jahre Elternzeit nehmen können, und diese Elternzeit bei Bedarf unter Einhaltung der 7-Wochenfrist nach Ablauf der ersten 2 Jahre um ein weiteres Jahr verlängern können. Nach herrschender Rechtsprechung und Literatur ist für eine solche Verlängerung keine Zustimmung des Arbeitgebers erforderlich. Allerdings ist dieser Fall noch nicht höchstrichterlich entschieden und zur Zeit beim Bundesarbeitsgericht anhängig (BAG - 9 AZR 290/11
), so dass ein gewisses Rechtsrisiko besteht.
Der Anspruch auf Elternteilzeit während der Elternzeit kann frühestens ab Beantragung der Elternzeit geltend gemacht werden, allerdings auch später bzw. erst während der Elternzeit, vgl. BAG mit Urteil vom 5.6.2007, 9 AZR 82/07
. Der Anspruch ist auf eine befristete Verringerung der vertraglichen Arbeitszeit gerichtet und erfordert einen zusätzlichen Beschäftigungsbedarf beim Arbeitgeber. Besteht dieser nicht, so kann der Arbeitgeber dem Elternteilzeitverlangen des Arbeitnehmers dringende betriebliche Gründe entgegenhalten und den Antrag ablehnen. Er ist nicht verpflichtet, einen sich in Elternzeit befindenden Arbeitnehmer bei fehlendem zusätzlichen Beschäftigungsbedarf in Teilzeit zu beschäftigen.
Der Anspruch auf eine Verringerung der Arbeitszeit nach der Elternzeit ergibt sich aus § 8
Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer die Verringerung seiner Arbeitszeit und den Umfang der Verringerung spätestens drei Monate vor deren Beginn geltend macht, § 8 Absatz 2 TzBfG
. Gemäß § 8 Abs.3 TzBfG
hat der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer die gewünschte Verringerung der Arbeitszeit mit dem Ziel zu erörtern, zu einer Vereinbarung zu gelangen und mit dem Arbeitnehmer Einvernehmen über die von ihm festzulegende Verteilung der Arbeitszeit zu erzielen. Die Entscheidung über den Wunsch auf Verringerung der Arbeitszeit hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer spätestens vier Wochen vor dem Beginn der Verringerung schriftlich mitzuteilen (§ 8 Abs. 5 Satz 2 TzBfG
). Trifft er diese Entscheidung nicht, so ist die Arbeitszeit entsprechend dem Wunsch des Arbeitnehmers zu verringern.
Allerdings kann der Arbeitgeber die Verringerung der Arbeitszeit aus betrieblichen Gründen ablehnen (§ 8 Abs. 4 TzBfG
). Solche betrieblichen Gründe, die einer Teilzeitarbeit entgegenstehen, liegen insbesondere vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. Der vom Arbeitgeber verlangte Nachweis einer „wesentlichen Beeinträchtigung" oder „unverhältnismäßiger Kosten" bedeutet im Umkehrschluss, dass bei Umsetzung des Teilzeitwunsches eine Beeinträchtigung des bisherigen Organisationsablaufs und zusätzliche Kosten in Kauf zu nehmen sind, sofern sie in einem angemessenen Verhältnis zum Teilzeitwunsch stehen. Vielmehr muss der Arbeitgeber zumutbare Anstrengungen unternehmen, insbesondere muss er von seinem Direktionsrecht insoweit Gebrauch machen, als es ihm möglich ist, innerbetrieblich durch Umorganisation und andere Verteilung der Arbeitszeit die Störungen im Arbeitsablauf sowie in der betrieblichen Organisation aufzuheben oder zu minimieren.
Daher knüpft das Bundesarbeitsgericht an den Nachweis solcher betrieblichen Gründe hohe Anforderungen: Der Arbeitgeber muss ein Arbeitszeitkonzept darlegen, das von vernünftigen und plausiblen wirtschaftlichen oder unternehmenspolitischen Gründen getragen wird. Der Arbeitgeber muss also begründen, warum eine Teilzeittätigkeit des Arbeitnehmers dem Konzept des Unternehmens widerspricht. So zum Beispiel, dass eine Kundenbetreuung nur aus einer Hand erfolgen soll, oder die Anwesenheit bestimmter Mitarbeiter laufend erforderlich ist. Das Organisationskonzept muss dabei die Arbeitszeitregelung bedingen. Weiter wird dann geprüft, inwieweit der Reduzierungswunsch dem Organisationskonzept entgegensteht. Es kommt also darauf an, ob das Organisationskonzept auch dann noch sinnvoll durchgeführt werden kann, wenn der Arbeitnehmer mit einer bestimmten Arbeitsverteilung in die Teilzeit geht. Sollte sich herausstellen, dass das Organisationskonzept tatsächlich dem konkreten Teilzeitwunsch entgegensteht, dann folgt in einem dritten Schritt noch eine Interessenabwägung. Hier werden das Interesse des Arbeitnehmers, also bei Ihnen z.B. die Notwendigkeit der Betreuung des Kindes, und die Interessen des Arbeitgebers gegeneinander abgewogen.
Zusammengefasst:
Unter dem Vorbehalt, dass das Bundesarbeitsgericht die herrschende Rechtsprechung bestätigt, reicht es aus, wenn Sie zunächst zwei Jahre Elternzeit nehmen, da Sie bei Bedarf 7 Wochen vor Ablauf der 2 Jahre um ein Jahr verlängern könnten. Den Teilzeitwunsch während der Elternzeit kann der Arbeitgeber ggf. wegen fehlendem Beschäftigungsbedarf ablehnen. Auch den Teilzeitwunsch nach der Elternzeit kann der Arbeitgeber theoretisch aus betrieblichen Gründen ablehnen, allerdings sind die Anforderungen an eine solche Ablehnung sehr hoch und können auch klageweise überprüft werden. Ob Sie alle Ansprüche sofort oder aber erst später (unter Einhaltung der oben genannten Fristen) geltend machen, bleibt Ihnen überlassen. Je früher sich der Arbeitgeber aber auf den Teilzeitwunsch einstellen kann, umso besser stehen wohl die Chancen, dass er die betriebliche Organisation z.B. in Hinblick auf eine Vertretung hierauf einstellt. Andererseits binden Sie sich mit Ihrem Wunsch auf Arbeitszeitverringerung nach der Elternzeit und könnten die Arbeitszeit nicht einseitig wieder verlängern, sodass ein zu früher Antrag bei nicht sicher voraussehbarer Entwicklung der eigenen Lebenssituation ggf. nicht zu empfehlen ist. Diese persönliche Entscheidung kann ich Ihnen leider nicht abnehmen.
Ich hoffe aber, Ihnen eine erste hilfreiche Orientierung ermöglicht zu haben. Bei Unklarheiten benutzen Sie bitte die kostenfreie Nachfragefunktion.
Bedenken Sie bitte, dass ich Ihnen hier im Rahmen einer Erstberatung ohne Kenntnis aller Umstände keinen abschließenden Rat geben kann. Sofern Sie eine abschließende Beurteilung des Sachverhaltes wünschen, empfehle ich, einen Rechtsanwalt zu kontaktieren und die Sachlage mit diesem bei Einsicht in sämtliche Unterlagen konkret zu erörtern.
Mit freundlichen Grüßen
Diese Antwort ist vom 28.02.2013 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Antwort
vonRechtsanwalt Jan Wilking
Brandsweg 20
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E-Mail:
Rechtsanwalt Jan Wilking
Sehr geehrter Herr Wilking,
herzlichen Dank für Ihr schnelle, ausführliche und aufschlussreiche Antwort.
Eine Nachfrage habe ich allerdings noch: Verstehe ich das richtig, dass mein AG in der Lage ist, mir Teilzeit während der Elternzeit zu versagen, wenn zusätzlicher Beschäftigungsbedarf nicht vorhanden ist? Ich meine gelesen zu haben, dass ein Betrieb, der mehr als 15 Mitarbeiter beschäftigt und es sich bei dem Arbeitnehmer um eine Person handelt, die mehr als sechs Monate am Stück im Unternehmen beschäftigt ist (zur Mitte des Jahres bin ich seit vier Jahren bei meinem AG beschäftigt) die "Verpflichtung" hätte, mir die Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung zu bieten bzw. der AG es durch gesetzliche Auflagen schwerer hätte, mir diese Möglichkeit zu versagen. Welche dringlichen betrieblichen Gründe könnten dies, außer dass kein Beschäftigungsbedarf für mich bestünde, noch sein?
Auch hier wieder ein Danke im Voraus für Ihre Zeit, Herr Wilking.
Vielen Dank für Ihre Nachfrage, die ich wie folgt beantworten möchte:
In der Tat kann der Arbeitgeber bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen des § 15 Absatz 7 BEEG
Ihren Teilzeitwunsch nur ablehnen, wenn dringende betriebliche Gründe entgegenstehen. Dies betrifft in der Praxis regelmäßig nur den fehlenden Beschäftigungsbedarf bzw. fehlende Einsatzmöglichkeiten. Das BAG hat ausgeführt, dass dringende betriebliche Gründe für die Verweigerung des Arbeitgebers bestehen, wenn er als Vertretung eine Vollzeitkraft eingestellt hat, die nicht bereit ist ihre Arbeitszeit zu verringern und wenn auch keine anderen Arbeitnehmer bereit sind, ihre Arbeitszeit zu verringern, so dass kein freier Arbeitsplatz besteht. Ihr Arbeitgeber muss insofern nachweisen, dass keine Teilzeitstelle vorhanden ist. Die Problematik der Vollzeitvertretung wird sich bei einem Teilzeitantrag gemeinsam mit dem Elternzeitantrag wohl nicht stellen. Es bleibt die Möglichkeit, dass ein Arbeitsplatz nicht "teilzeitfähig" ist, weil z.B. ständige Anwesenheit während der gewöhnlichen Geschäftszeiten erforderlich ist. Ich gehe nach Ihrer Schilderung aber davon aus, dass dies bei Ihnen nicht der Fall ist, sodass eine wirksame Ablehnung durch Ihren Arbeitgeber aus betrieblichen Gründen eher unwahrscheinlich ist.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen und verbleibe
mit freundlichen Grüßen