Sehr geehrte Fragestellerin,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich auf Grundlage der von Ihnen zur Verfügung gestellten Informationen im Rahmen einer anwaltlichen Erstberatung gerne beantworte.
Ich gehe nach Ihrer Schilderung davon aus, dass Ihrem Bekannten eine Einstellungsnachricht gem. §154 Abs. 1 Nr. 1 StPO
zugegangen ist. Die Voraussetzungen für eine Einstellung des Verfahrens nach dieser Vorschrift scheinen hier auch vorzuliegen: Ihr Bekannter ist bereits wegen anderer Taten rechtskräftig verurteilt worden (Straftat, welche zu einer Bewährungsstrafe führte und Strafbefehl wegen Beleidigung). Die nun zu erwartende Strafe für das Erschleichen von Leistungen (,,Schwarzfahren") dürfte im Vergleich zu der bereits ausgesprochenen Strafe nicht beträchtlich ins Gewicht fallen. Ab wann das der Fall ist, ist stets im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände zu beurteilen. Die ursprüngliche Einstellungsnachricht erscheint mir daher durchaus plausibel, da auf der einen Seite eine Bewährungsstrafe steht und auf der anderen Seite ,,nur" ein Erschleichen von Leistungen, wobei zu berücksichtigen ist, dass Ihr Bekannter auch nicht wegen einem solchen Delikt vorbestraft ist und somit als Ersttäter anzusehen ist, was wiederum zu seinen Gunsten spricht.
Ein solche eine Einstellungsnachricht ist im Regelfall eine endgültige Entscheidung. Es gibt jedoch höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach die Staatsanwaltschaft das Verfahren jederzeit – bis zur Verjährung – wieder aufnehmen kann, auch konkludent durch Anklageerhebung beziehungsweise durch Beantragung eines Strafbefehls (BGH NStZ-RR 07,20
). Dies kann sie auch tun - trotz entgegenstehender Zusage (BGH 37, 10). Allerdings kann die Staatsanwaltschaft nicht nach Belieben erst einstellen und dann das Verfahren wieder aufnehmen, hierzu wird ein sachlich einleuchtender Grund verlangt (BGH 54, 1
, 7; StraFo 08, 423). Nach Ihrer Schilderung kann ich einen solchen Grund nicht erkennen. Insofern sollte durchaus in Betracht gezogen werden, gegen diesen Strafbefehl Einspruch einzulegen.
Im Falle eines Einspruchs kann auch das Gericht gemäß §154 Abs. 2 StPO
das Verfahren einstellen oder ggf. eine Verwarnung unter Strafvorbehalt aussprechen (§59 StGB
).
Ihnen muss aber bewusst sein, dass im Falle eines Einspruchs der Richter in der dann anzuberaumenden Hauptverhandlung an die Rechtsfolgen im Strafbefehl nicht gebunden ist. Er kann also schärfere Rechtsfolgen verhängen, als die im Strafbefehl festgesetzten. Das gilt bei Geldstrafen nicht nur für die Anzahl der Tagessätze, sondern auch für die Höhe des einzelnen Tagessatzes. Dieser eventuelle Nachteil kann nur dadurch verhindert werden, indem der Einspruch gegen den Strafbefehl zurückgenommen wird. Dies ist bis zur Verkündung des Urteils im ersten Rechtszug möglich.
Ob hier auch mit einer Verlängerung bzw. Widerruf der Bewährung gerechnet werden muss, kann seriöser Weise nicht abschließend beantwortet werden. Das Erschleichen von Leistungen ist eine Straftat und nicht zwangsläufig als Bagatelle anzusehen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meiner ersten Einschätzung weiterhelfen. Bei Unklarheiten besteht selbstverständlich die Möglichkeit eine Nachfrage zu stellen.
Freundliche Grüße aus Berlin-Moabit
Martin Luft
Rechtsanwalt
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