Sehr geehrte Fragestellerin,
zu Ihrer Anfrage nehme ich wie folgt Stellung:
I.
In formaler Hinsicht sind Zeugnisabschlußnoten Verwaltungsakte, so daß schriftlich Widerspruch eingelegt werden muß. Die Widerspruchsfrist beträgt einen Monat, sofern das Zeugnis eine Rechtsbehelfsbelehrung enthält. Fehlt eine Rechtsbehelfsbelehrung, beträgt die Widerspruchsfrist ein Jahr.
Ich gehe davon aus, daß Sie mit Ihrem Hinweis, Sie hätten Einspruch gegen das Zeugnis eingelegt, diesen Widerspruch meinen.
Sie haben den Widerspruch auch unter Hinweis auf die Abschlußprüfungsordnung begründet. Ob die Begründung ausreichend ist, kann ich anhand der Sachverhaltsschilderung nicht feststellen.
Aufgrund des Widerspruchs muß die Schule die beanstandete Benotung überprüfen. Da eine Abänderung der Benotung von der Schule nach Ihrer Schilderung abgelehnt worden ist, muß die Schule Ihren Widerspruch der Schulaufsichtsbehörde vorlegen. Die Schulaufsichtsbehörde entscheidet sodann, ob sie Ihrem Widerspruch stattgibt oder den Widerspruch zurückweist. Weist die Aufsichtsbehörde den Widerspruch zurück, haben Sie die Möglichkeit, vor dem zuständigen Verwaltungsgericht Klage zu erheben.
II.
Nach Ihrer Schilderung befinden Sie sich in jenem Verfahrensabschnitt, in dem die Entscheidung der Schule vorliegt und in dem die Schule, weil sie die Note nicht abändert, den Widerspruch an die Schulaufsichtsbehörde weiterzuleiten hat.
Ihnen stehen nun zwei Möglichkeiten zur Verfügung:
Einerseits können Sie abwarten, wie die Schulaufsichtsbehörde Ihren Widerspruch bescheidet. Wird der Widerspruch negativ beschieden, haben Sie die Möglichkeit, zu überlegen, ob Klage erhoben wird.
Ggfls. kann es aber sinnvoll sein, Ihrer Widerspruchsbegründung noch weitere Gründe, weshalb Ihrer Meinung nach die Benotung fehlerhaft ist, „nachzuschieben“. Im letztgenannten Fall sollten Sie konkret darlegen, aus welchen Gründen (Vortrag von konkreten Tatsachen) Sie die Benotung für fehlerhaft erachten. Allgemeine Wertungen, wie das Verhalten der Deutschlehrerin sähen Sie als Mobbing an, sind mangels entsprechender Nachprüfbarkeit eher ungeeignet, Ihren Widerspruch zu tragen und Ihrem Anliegen zum Erfolg zu verhelfen.
III.
Nach Ihrem Sachverhalt ergeben sich einige Ansatzpunkte, die man - sofern noch nicht geschehen - in dem Widerspruchsschreiben aufführen könnte. Hier greife ich folgende Punkte heraus:
1.
Nach Ihrer Schilderung bekommen Schüler, die zwischen zwei Noten stehen, die Möglichkeit, eine Zusatzaufgabe zu bearbeiten, um die Note zu verbessern. Hier können Sie vortragen, daß sich Ihr Sohn zur Bearbeitung der Zusatzaufgabe gestellt habe, was die Lehrerin jedoch mit der Begründung: „Das ist nichts für Euch, Ihr steht sowieso ´Fünf´“, abgelehnt worden sei.
Diesbzgl. bestehen Zweifel, ob diese Beurteilung der Lehrerin aufgrund der Noten gerechtfertigt ist. Sie teilen mit, die Vornote sei 5, die schriftliche Note jedoch 4. Das bedeutet aber, daß man nicht davon sprechen kann, Ihr Sohn stünde im Fach Deutsch glatt „Fünf“.
2.
Weiterhin könnte man ausführen und ggfls. durch Zeugen unter Beweis stellen, daß die Lehrerin den Schülern keine Gelegenheit zur Verbesserung ihrer Note gegeben habe. Bei den Schülerinnen sei die Lehrerin aber anders verfahren. Damit liege eine Ungleichbehandlung vor, die sachlich nicht gerechtfertigt sei.
IV.
Allerdings ist, wenn es zu einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht kommen sollte, zu beachten, daß Schulnoten nur in einem bestimmten, eng gesetzten Umfang, der gerichtlichen Überprüfung unterliegen.
Jeder Lehrer hat einen Beurteilungsspielraum. D.h., das Gericht kann nur prüfen, ob sich die Benotung im Rahmen dieses Beurteilungsspielraums bewegt. So kann ein Lehrer durchaus milde oder auch streng urteilen, ohne daß die Note deshalb im Rechtssinn fehlerhaft wäre.
Diese Sach- und Rechtslage bedeutet aber auch, daß Klagen gegen Schulnoten keine hohe Erfolgsaussicht haben.
Nehmen Sie beispielsweise die Schulordnung in NRW und die Definition, wann eine Leistung als „mangelhaft“ gewertet werden kann. Danach ist eine Leistung mangelhaft, die den Anforderungen nicht entspricht, jedoch erkennen läßt, daß die notwendigen Grundkenntnisse vorhanden sind und die Mängel in absehbarer Zeit behoben werden können.
Sie sehen selbst, daß man diesbzgl. einen großen Auslegungs- und Beurteilungsspielraum hat.
Auf das Gerichtsverfahren angewandt heißt das, daß das Gericht eine Benotung durch den Lehrer nicht etwa durch eine eigene Benotung ersetzt, weil es meint, die Benotung des Lehrers sei nicht gerecht, vielmehr überprüft das Gericht nur, ob sich der Lehrer noch innerhalb des Beurteilungsspielraums bewegt hat.
Klassenarbeiten müßten vom Experten geprüft werden. Das man über das Ergebnis streiten kann, ersehen Sie schon aus meinen obigen Ausführungen. Ein Ansatzpunkt mag aber die von Ihnen geschilderte Bevorzugung der Mädchen in der Klasse gegenüber den Jungen sein. Ob man diese Bevorzugung jedoch beweisen kann, ist eine andere Frage, die sich aufgrund der Sachverhaltsschilderung nicht abschließend beurteilen läßt.
V.
Sie haben durch Einlegung des Widerspruchs gegen das Zeugnis bzw. gegen die Note im Fach Deutsch zunächst das getan, was erforderlich ist. Nun werden Sie die Entscheidung der Aufsichtsbehörde abwarten müssen. Allerdings möchte ich Ihnen keine allzu großen Hoffnungen dahingehend machen, daß die Aufsichtsbehörde zu Ihren Gunsten entscheiden wird. Im Regelfall wird sich die Aufsichtsbehörde vor die Schule stellen. Dann bliebe Ihnen nur noch der Klageweg.
VI.
Ich empfehle Ihnen jedoch dringend, einen Rechtsanwalt einzuschalten.
Selbstverständlich bin ich gern bereit, die Angelegenheit für Sie zu übernehmen. Sie können mit mir über meine E-Mail-Adresse (mail@ra-raab.de) korrespondieren.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Raab
(Rechtsanwalt)