Gerne zu Ihren Fragen, wobei ich die 6 Frage als Prämisse der Fallgestaltungen voranstellen möchte:
6. Soweit ich informiert bin, hat jeder Händler Hausrecht und muß mir deswegen überhaupt nichts verkaufen und kann mir somit einfach ohne Begründung Hausverbot erteilen - was in diesem Zusammenhang wohl des öfteren passieren könnte, oder ist das so nicht richtig?
Antwort: In der Tat unterliegt ein "normaler" Händler keinem allgemeinen Kontrahierungszwang und kann auch sein Hausrecht auf ihm nicht genehme Kunden ausüben. Allerdings im Rahmen bereichsspezifischer Gesetze und Verordnungen. Er darf z. B. nicht den Verkehr mit "Rotgeld", also den Zahlungsmitteln im untersten Bereich (Cent bis 5 Cent) ablehnen.
Sofern keine spezifischen Gesetz/Verordnungen vorliegen, darf im Rahmen der zivilrechtlichen Vertragsfreiheit die Eingehung eines Kaufvertrags ablehnen, wobei er das vorher in angemessener (deutlicher) Weise - nicht durch überraschende AGB! - anzukündigen hätte. Für aufgelegte Ware an der Kasse darf Sie der Händler nicht überraschend vor einer wartenden Schlange nicht kompromittieren. Das fällt unter das vorvertragliche Vertrauensverhältnis, vgl. § 311 Absatz 2 BGB
..
1. Darf das jeweilige Unternehmen von mir eine Unterschrift auf einem "elektronischen" Terminal verlangen, wenn dies nicht deutlich an der Kasse ausgewiesen ist?
Antwort: Ähnlich wie Frage 6.
2. Kann ich eine Unterschrift, die nicht auf Papier möglich ist, verweigern und trotzdem darauf bestehen, daß mir etwas verkauft wird?
und
3. Gibt es eine rechtliche Möglichkeit, darauf zu bestehen, daß der bezahl-Vorgang abgebrochen und neu gestartet wird, um die chance auf "PIN-Zahlung" zu erhalten?
Antwort: Beide Fragen führen zurück auf meine Ausführungen zur Eingangsfrage 6:
Es kommt entscheidend darauf an, ob der Vertragspartner seine vorvertraglichen Pflichten Ihnen gegenüber in angemessener Form erfüllt hat. Das heißt konkret, den jeweils umstrittenen Bezahlvorgang im Vorfeld der Vertragsschließung nach § 311 Absatz 2 BGB
ausgeschlossen, konkretisiert oder modifiziert hat. Und das im Rahmen der geltenden Gesetze. Denn einem Schuldner ist die Bezahlung einer Geldschuld mit einem anderen Zahlungsmitteln als dem gesetzlichen Zahlungsmittel - etwa Kreditkarte - nur dann erlaubt, wenn das zwischen den Parteien im Rahmen der Vertragsfreiheit vorher wirksam (!) vereinbart worden ist.
4. Ist es möglich, rechtlich gegen derartige Unterschriften vorzugehen, mit der Begründung, dass hier Betrug Vorschub geleistet wird? (oder gebe ich mit meiner Unterschrift bereits das Einverständnis zu einer "falschen Unterschrift")
Antwort: Ein Ausdruck einer nur digital gespeicherten Unterschrift erzeugt keine Urkunde, sondern lediglich eine Kopie. In Betracht kommt (aber) bei digital gefälschten Unterschriften eine Strafbarkeit nach § 269 StGB
, so das OLG Köln, Beschluss vom 1.10.2013 - 1 RVs 191/13
(LG Aachen, AG Schleiden) zum Thema Gefälschte Unterschrift auf digitalem Lesegerät.
Daraus folgt, dass Ihre Bedenken durchaus gerechtfertigt sind. ABER: Auch analoge Unterschriften können gefälscht werden. Jedenfalls ist Ihre digitale Unterschrift KEIN Einverständnis zu einer "falschen Unterschrift", wie Sie es formulieren.
5. Ist das jeweilige Unternehmen verpflichtet, mir die AGB (die ich mit meiner Unterschrift bestätige) auszudrucken?
Antwort: Die AGB müssen Ihnen in angemessener Form zugänglich sein, sonst entfalten sie keine Wirkung, weshalb das schon im eigenen Interesse des Geschäfts ist. Welche Form angemessen ist, ist sog. Tatfrage und kommt auch auf den Geschäftsbetrieb an. Das kann auch der Ausdruck oder der Druck z.B. häufig auf der Rückseite einer Rechnung sein.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Vielen Dank für die schnelle Antwort Herr Burgmer.
Aus Ihren Antworten schließe ich, daß es jeweils ein komplexer Einzelfall sein wird.
Konkret geht es mir darum: Habe ich einen rechtlichen Anspruch darauf, die Zahlung durch Unterschrift auf einem elektronischen terminal verweigern und auf Umstellung durch Zahlung mittels PIN oder Unterschrift auf Papier umzustellen? (ohne vom Händler vor die Tür gesetzt zu werden?)
Und konkret geht es darum, daß ich mit jeder weiteren Unterschrift auf einem elektronischen terminal jedesmal eine Unterschrift erzeuge, die nicht nach meiner Unterschrift aussieht.
Da von mir somit immer mehr absolut ungleiche Unterschriften erzeugt werden, könnte in einem Betrugsfall (Jemand unterschreibt mit meinem Namen) jeglicher Zahlungsdienstleister argumentieren, daß etliche meiner Unterschriften vorliegen, die jedesmal anders aussehen, weshalb man auch in diesem Fall (Betrugsfall) davon ausgehen dürfe, daß dies meine Unterschrift sei.
Das Gegenteil zu beweisen wäre für mich nach so viel vorliegenden Unterschriftsproben, die extrem von meiner Unterschrift (auf Papier) abweichen, wohl unmöglich.
Bisher ging ich davon aus, daß die eigene Unterschrift ein äußerst wichtiges Merkmal zur Identifikation ist, faktisch wird dies durch die Praxis der elektronischen terminals jedoch ausgehebelt.
Gibt es diesbezüglich eine rechtliche Handhabe dagegen?
Vielen Dank für Ihre Mühen im Voraus.
Gerne zu Ihrer Nachfrage:
Ich kann Ihre Besorgnis sehr gut verstehen, weil ich subjektiv auch der Meinung bin, dass vielfach der Kommerz über dem Sicherheitsgedanken steht. Hier in den USA ist es sogar so, dass man eine komplette Immobilie mit einer digitalen Unterschrift erwerben kann oder einer Versicherung quasi mit dem Fingernagel auf einem iPad.
Zurück zum objektiven Recht in Deutschland:
Die digitale Unterschrift ist ebenso leicht zu fälschen, wie eine analog. Sie haben aber Recht damit, dass Ihre Unterschrift quasi im Orbit völlig außer Kontrolle geraten kann. Deshalb mein Hinweis auf das OLG Köln, Beschluss vom 1.10.2013 - 1 RVs 191/13
, wonach diese Art der Unterschrift strafrechtlich als Kopie gewertet wird, dennoch aber der Missbrauch strafbar ist.
Zu Ihrer Frage: Bisher ging ich davon aus, daß die eigene Unterschrift ein äußerst wichtiges Merkmal zur Identifikation ist, faktisch wird dies durch die Praxis der elektronischen Terminals jedoch ausgehebelt.
Antwort: Hier wird man rechtlich folgendes dagegen halten:
Das Merkmal der wichtigen persönlichen Identifikation ist bereichsspezifisch teils stark verwässert "Abschleifungsprozess", nennt das der BGH.
Denken Sie an die Unterschriften der Ärzte auf dem Rezept. Oder bei Anwälten, für deren oft unleserliche Unterschriften sogar die Gerichte bemüht werden mussten, wenn es um sog. bestimmende Schriftsätze geht. Hier kann es um sehr hohe Berufshaftungsbeträge gehen, wenn etwa eine Berufung durch eine nicht anerkannte Unterschrift verfristet wurde.
Nach § 130 Nr. 6 ZPO
setzt der BGH (Beschluss vom 26.4.2012, VII ZB 36/10
) für diese Identität des Unterzeichnenden ausreichend erkennbaren Schriftzug voraus, der individuelle und entsprechend charakteristische Merkmale aufweist, und die Nachahmung erschweren. Die Wiedergabe eines Namens muss sichtbar und die Absicht einer vollen Unterschrift erkennbar sein.
Weiter geht es mit § 130 a ZPO
für die digitalen Unterschriften:
"Absatz 3 Das elektronische Dokument muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. 2Satz 1 gilt nicht für Anlagen, die vorbereitenden Schriftsätzen beigefügt sind".
Diese strengen Anforderungen an die Anwaltschaft lassen sich nicht 1:1 auf die Allgemeinheit bzw. Ihre Frage übertragen.
Auf der Tatsachenebene ist es aber so, dass der Kunde auch bei der digitalen Unterzeichnung auf ein Pad mit einer gewissen Sorgfalt doch eine erkennbare und zuordnungsfähige Signatur möglich ist, wenn man das nicht gerade mit dem Fingernagel machen muss.
Und wie schon gesagt: Als vom OLG in Strafsachen als Kopie gewertete Unterschrift, können sie bei Missbrauch zu Ihrem Nachteil jederzeit und gegenüber jedermann den Gegenbeweis analog führen.
Ansonsten kann Sie im alltäglichen Geschäftsverkehr an der Kasse niemand dazu zwingen, von dem "gesetzlichen Zahlungsmittel" des Bargeld abzuweichen, wenn Sie nicht im Vorfeld der Vertragsschließung wirksam (!) in angemessener Weise darauf hingewiesen wurden. Ein Ausdruck auf der Rückseite eines Kassenzettels reicht da nicht.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen einen Überblick über die in der Tat ziemlich kasuistische Problematik verschaffen und verbleibe mit freundlichen Grüßen aus Florida
Ihr
Willy Burgmer
- Rechtsanwalt