Sehr geehrter Ratsuchender,
vielen Dank für Ihre Anfrage!
Nachfolgend möchte ich gerne unter Berücksichtigung Ihrer Sachverhaltsschilderung sowie Ihres Einsatzes Ihre Frage wie folgt beantworten:
1. Ein wirksamer Vertragsschluss setzt voraus, dass zwischen den Parteien eine Einigung erzielt wurde, was auch telefonisch erfolgen kann.
Ein gültiger Tarifwechsel des DSL-Vertrages setzt daher nicht voraus, dass die Vertragsunterlagen im Kundenbereich des Anbieters abrufbar sind oder schriftlich übersandt werden. Erfolgt dies nicht, bleibt der Vertragsschluss davon unberührt.
Aus dem Vertragsschluss kann dann allenfalls ein Anspruch auf Übersendung der Vertragsunterlagen gefolgert werden.
2. Sind die Tarifbedingungen jedoch nicht so, wie sie im telefonischen Verkaufsgespräch dargestellt wurden, bestünde ein Rücktrittsrecht nach § 323 BGB
bzw. ein Anfechtungsrecht nach § 119 Abs. 2 BGB
.
3. Eine verbleibende Möglichkeit, sich dennoch vom neuen Tarif zu lösen, bestünde ggf. durch Widerruf des Tarifwechsels, denn bei einem telefonischen Vertragsschluss hat der Verbraucher nach § 312b BGB
ein Widerrufsrecht.
Für den Widerruf gilt zwar grundsätzlich nur eine 14tägige Widerrufsfrist, diese beginnt jedoch frühestens mit schriftlicher Belehrung über das Widerrufsrecht (§ 355 Abs. 3 BGB
), wobei ich davon ausgehe, dass anlässlich des Tarifwechsels keine solche Belehrung erfolgt ist.
Es kommt hier entscheidend darauf an, ob der Tarifwechsel als selbständiger Vertrag einzustufen ist, denn nach § 312b Abs. 4 BGB
besteht kein erneutes Widerrufsrecht, wenn innerhalb eines Vertrages lediglich geringe Änderungen vorgenommen werden.
Nur wenn der Tarifwechsel einen neuen Vertrag begründet, besteht ein Widerrufsrecht. Dabei stellt § 312 Abs. 4 BGB
jedoch die unwiderlegliche Vermutung auf, dass ein Vertragsänderung dann als neuer Vertrag anzusehen ist, wenn der ursprüngliche Vertragsschluss mehr als ein Jahr zurückliegt.
Wenn Sie also beim Tarifwechsel schon ein Jahr oder mehr bei 1&1 Kunde waren, dann hätten Sie über ein Widerrufsrecht bezüglich des Tarifwechsels aufgeklärt werden müssen. Wenn dies unterblieben ist, dann können Sie den Widerruf noch erklären.
Wenn Sie noch nicht ein Jahr Kunde waren, dann käme es auf eine Gesamtbetrachtung der vertraglichen Situation an. Für einen neuen, ein Widerrufsrecht begründenden Vertrag würde es sprechen, dass eine neue Mindestvertragslaufzeit ausgelöst wurde, was typisch nur für neue Verträge ist.
Auf der anderen Seite handelt es sich jedoch um gleichartige Leistungen (Internetanschluss) mit anderen Leistungs- und Preismerkmalen.
Hier wären die Erfolgsaussichten in einem Streitfall schwer einzuschätzen, da die Bewertung durch ein Gerichtkaum sicher zu prognostizieren ist.
4. Zusammenfassend würde ich Ihnen raten – falls Sie bereits ein Jahr Kunde waren – den Widerruf gegenüber dem Anbieter zu erklären.
Sie müssen sich jedoch – wie bei vielen Großunternehmen – darauf einstellen, dass dort auf Vertragserfüllung bestanden wird bzw. Ihr Anliegen ggf. sogar ignoriert oder nur schleppend bearbeitet wird. Daher sollten Sie einen Anwalt mit Vertretung Ihrer Interessen beauftragen, falls 1&1 nicht einlenkt.
Sollten Sie noch nicht so lange Kunde gewesen sein, sind die drohenden Kosten einer 24monatigen Vertragsbindung mit denen eines Rechtstreites abzuwägen. Bei einem Streitwert von z.B. 480 € (24 Monate x 20 €) wären die Kosten eines verlorenen Prozesses etwa genauso hoch.
Ich hoffe Ihnen eine erste rechtliche Orientierung ermöglicht zu haben und wünsche Ihnen viel Erfolg und alles Gute!
Ich möchte Sie gerne noch abschließend auf Folgendes hinweisen:
Die von mir erteilte rechtliche Auskunft basiert ausschließlich auf den von Ihnen zur Verfügung gestellten Sachverhaltsangaben. Bei meiner Antwort handelt es sich lediglich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes, die eine vollumfängliche Begutachtung des Sachverhalts nicht ersetzen kann.
Ich hoffe, dass Ihnen meine Ausführungen geholfen haben. Sie können natürlich gerne über die Nachfrageoption mit mir Verbindung aufnehmen, wenn noch Unklarheiten bestehen.
Mit freundlichen Grüßen
Ingo Driftmeyer
Rechtsanwalt
Achtung Archiv
Diese Antwort ist vom 05.05.2011 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
Jetzt eine neue Frage stellen
Diese Antwort ist vom 05.05.2011 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
Jetzt eine neue Frage stellen