Sehr geehrte(r) Fragesteller/in,
vorweg möchte ich Sie darauf hinweisen, dass diese Plattform eine ausführliche und persönliche Rechtsberatung nicht ersetzen kann. Es wird ausschließlich das Ziel verfolgt, eine erste überschlägige Einschätzung Ihres geschilderten Rechtsproblems auf der Grundlage der von Ihnen übermittelten Informationen von einem Rechtsanwalt zu erhalten. Die von mir erteilte rechtliche Auskunft basiert ausschließlich auf den von Ihnen zur Verfügung gestellten Informationen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen im Rahmen Ihrer Schilderung kann eine völlig andere rechtliche Beurteilung die Folge sein.
Nachfolgend nehme ich zu der/den von Ihnen gestellten Frage(n) Stellung, die ich unter Berücksichtigung Ihres Einsatzes wie folgt beantworte:
Hinsichtlich der strafrechtlichen Norm des § 174 StGB
haben Sie zutreffend erkannt, dass dieser nicht einschlägig ist. Dem von § 174 StGB
geschützten Personenkreis unterfallen nur Minderjährige unter 18 Jahren Alter, d.h. gleichsam 18jährige oder ältere Personen sind von dieser Vorschrift nicht erfasst, da diese mit Erreichen der Volljährigkeit in der Regel auch selbstbestimmend handeln dürfen.
Ein Strafbarkeit nach § 174 StGB
halte ich insoweit für ausgeschlossen.
Aber auch sexuelle Beziehungen zu Schutzbefohlenen über 18 sind verboten (moralische Tabuisierung) . Hier greift das Beamtenrecht mit Zurückstufung, Kürzung der Bezüge oder Entfernung aus dem Lehramt.
Bevor man seinen Dienst als Beamter antritt, schwört man einen Amtseid. Damit hat man Rechte und Pflichten. Maßgebend ist das Beamtenrecht, die Dienstordnung und die Disziplinarordnung des jeweiligen Bundeslandes (LBG).
Im jeweiligen Landesbeamtengesetz stehen ähnliche moralische weit gefasste Aussagen zu den Rechten und Pflichten und zu Dienstvergehen:
In der Regel dergestalt:
Ein Verhalten des Beamten außerhalb des Dienstes ist ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maß geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.
Nach dem Disziplinarrecht kann daher ein Beamter wegen eines während des Beamtenverhältnisses begangenen Dienstvergehens verfolgt werden. Die zuständige Stelle (Schulleitung/Schulaufsicht) bestimmt nach pflichtgemäßem Ermessen, ob wegen eines Dienstvergehens einzuschreiten ist.
Ist gegen den Beamten die öffentliche Klage im strafgerichtlichen Verfahren erhoben oder ein gerichtliches Bußgeldverfahren anhängig, kann zwar wegen derselben Tatsachen ein Disziplinarverfahren eingeleitet werden; es ist aber auszusetzen.
Das förmliche Disziplinarverfahren gliedert sich in die Untersuchung und in das gerichtliche Verfahren. Es wird durch schriftliche Verfügung der Einleitungsbehörde eingeleitet.
Die Einleitungsbehörde kann einen Beamten vorläufig des Dienstes entheben, wenn das förmliche Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet wird oder eingeleitet worden ist.
Zum Allgemeinen finden sich gleiche Regeln zur Eignung als Beamter:
Eignung sind „persönlichkeitsimmanente" Gegebenheiten wie Charakter, Gesundheit, Verfassungstreue. Befähigung sind allgemeine Fähigkeiten wie Lernfähigkeit, Aufgeschlossenheit, Einfallsreichtum, Fachkenntnisse und besondere Fähigkeiten wie Fremdsprachenkenntnisse. Fachliche Leistung beschreibt die Arbeitsmenge, -weise, -güte und -erfolg.
Ferner besondere Beamtenpflichten:
Der Beamte hat sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen. Er hat sein Amt uneigennützig nach bestem Gewissen zu verwalten. Sein Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert.
Diese Bestimmungen sind voll von unbestimmten Rechtsbegriffen. Dies ermöglicht ein reibungsloses Anpassen an Anschauungen und Wertungen, die sich im Lauf der Zeit ändern.
Auf diesen so genannten Grundtatbeständen "Achtung und Vertrauen" - "gerechtwerden des Berufsbilds" wird zurückgegriffen, wenn keine spezielle Regelung getroffen ist. Beispiele: Trunkenheit im Straßenverkehr, Diebstahl, sexuelle Verfehlungen jeweils inner- und außerdienstlich.
Der Beamte begeht ein Dienstvergehen, wenn er schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt. Ein Verhalten des Beamten außerhalb des Dienstes ist ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.
Es wird bei diesen Passagen deutlich, dass das Beamtenrecht nicht nur auf rechtlichen Standpunkten beruht, sondern auch moralische Vorgaben macht und Wertvorstellung beinhaltet:
Und genau diese moralischen Gesichtspunkt sind Hintergrund der Tabuisierung und des beamtenrechtlichen „Verbotes" der Beziehung zwischen einem Lehrer und einem Schüler – auch wenn kein strafrechtlich relevanter Verstoß vorliegt.
Das Disziplinarrecht behält sich vor, auch Verfehlungen zu verurteilen und zu bestrafen, die vor einem Strafgericht keine Relevanz haben.
Persönlichkeitsrechte:
Die freie Entfaltung der Persönlichkeit in sexueller Hinsicht fällt im Rechtsraum Schule auch in diesen Bereich, somit in das Schul- und Beamtenrecht, auch unter Erwachsenen. Denn nicht immer beruhen solche Beziehungen auf Freiwilligkeit, sondern werden aufgrund des Abhängigkeitsverhältnisses nur geduldet. Um erst gar keine Zweifel aufkommen zu lassen, muss man diese Einschränkung der Persönlichkeitsrechte hinnehmen, denn in einer Schule werden besondere Maßstäbe angesetzt, um die Schüler zu schützen, ihre Gesundheit nicht zu gefährden usw..
Dieses beamtenrechtliche hohe Wertungsgut, der Schutz der Schüler, verbunden mit dem pädagogischen Auftrag der Erziehung, ist daher die Begründung für die ermessensrechtliche Beurteilung einer dienstrechtlichen (moralisch weitgefassten) Verfehlung.
Insoweit ist die Stellung als Beamter und damit „Staatsdiener" werteorientiert dem Abhängigkeitsverhältnis Schüler-Lehrer gegenüber gestellt. Dabei wird regelmäßig der Beamte bei einer derartigen Beziehung den kürzeren ziehen, da die allgemeinen beamtenrechtlichen Wertevorstellung dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht überwiegen, um eine einheitliche Grundordnung und den einheitlichen ungestörten Schulbetrieb zu gewährleisten.
Wie Sie sehen, gibt es zwar keine beamtenrechtliche Vorschrift, die eine Schüler – Lehrerbeziehung verbietet oder gar noch bestraft. Gleichwohl gibt es jedoch einen beamtenrechtlichen kodifizierten Moral- und Wertekodex und insoweit allgemeine Verhaltensregeln ähnlich den Rechtsgrundsatz „Treu und Glauben". Diese Verhaltensregeln, auch wenn nicht schriftlich in Gesetzesform niedergeschrieben, können bei Verstoß disziplinarische Folgen nach sich ziehen, da die Beziehung Schüler – Lehrer zumindest unter dem Begriff Verfehlung subsumiert werden kann, da moralisch bzw. beamtenrechtlich betrachtet, der Lehrer ein Abhängigkeitsverhältnis ausnützen könnte (!). Auch wenn dies nicht der Fall sein sollte, so will das Beamtenrecht und die immanente Wertemoral allgemeingültig diese zumindest mögliche Form der Ausnutzung verhindern, sodass es der Beamtenaufsicht gebietet, bei Verstoß gegen diese Verhaltensregeln auch disziplinarische Maßnahmen zu ergreifen.
Jedoch ist dies immer im Einzelfall zu prüfen. Demzufolge obliegt der Behörde ein entsprechendes Ermessen. In der Regel wird dennoch mit den typischen disziplinarischen Maßnahmen zu rechnen sein, da eine einheitliche Entscheidung angestrebt wird und der persönlich emotionale Bereich der Beziehung Schüler – Lehrer bzw. deren Ursache Abhängigkeit oder Freiwilligkeit nicht endgültig ergründet werden kann, sodass man im Rahmen der Abschreckung ein derartiges, ich nenne es mal vorsichtig rein objektiv (ohne persönliche Wertung), beamtenrechtliches Fehlverhalten von vornherein unterbinden will, um eben keine Möglichkeit etwaigen Missbrauchs zu gestatten oder zu ermöglichen, was nämlich dann der Fall wäre, wenn es rechtlich zulässig wäre.
Damit ist gemeint, würde man selbst bei 18 jährigen dies tolerieren, kann es eben auch Probleme mit der Abstufung der Abhängigkeit geben. Z.B. Abstufung guter oder schlechter Schüler, Reife, Stellung in der Klasse, Ausnutzung des Lehrers oder persönliche Vorteile, Lehrertyp, Fach (problematisch Sport) etc..
Auch wenn dies nachher nur Vermutungen sind, ist damit der Ruf nicht nur des Lehrers, sondern auch der dies tolerierenden Schule gefährdet, da bei bekanntwerden auch nur gerüchteweise, der allgemeine Vertrauensruf der Lehranstalt oder des Berufsbildes gefährdet sein kann.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit meinen Ausführungen helfen konnte, einen ersten Eindruck in dieser Rechtsangelegenheit gewinnen zu können. Sie können sich auch gerne bei Fragen zur Antwort über die entsprechende Nachfrageoption des Portals mit mir in Verbindung setzen.
Antwort
vonRechtsanwalt Sascha Lembcke
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Rechtsanwalt Sascha Lembcke
Besten Dank für die informative und klärende Anwort.
Eine Nachfrage hätte ich:
Sie schreiben in Ihrer Antwort:
"Dabei wird regelmäßig der Beamte bei einer derartigen Beziehung den kürzeren ziehen, da die allgemeinen beamtenrechtlichen Wertevorstellung dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht überwiegen, um eine einheitliche Grundordnung und den einheitlichen ungestörten Schulbetrieb zu gewährleisten."
Wodurch ist rechtlich dieses Überwiegen der beamtenrechtlichen Wertevorstellungen vor den allgemeinen Persönlichkeitsrechten legitimiert? Gibt es hierzu eine gesetzlich fixierte Hierarchisierung?
Ihre Nachfrage möchte ich gerne beantworten:
Eine konkrete gesetzliche Fixierung gibt es hier bedauerlicherweise nicht.
Rechtlich Vorstellen muss man sich das als reine Interessenabwägung.
Auf der einen Seite steht das beamtenrechtliche bzw. staatsrechtliche Interesse, wie zuvor ausgeführt:
- Schutz der Schüler
- Wahrung des Berufsbildes
- Pädagogische Ziele
- Vermeidung Ausnutzung Abhängigkeitsverhältnis
- auch Schutz des Lehrpersonals
Widerrum auf der anderen Seite steht das reine Persönlichkeitsrecht des jeweiligen Lehrers und Schülers.
Nun kann man wahrlich philosophieren, welches Recht überwiegen kann oder sollte.
Andererseits obliegt dem Gesetzgeber die Aufgabe des Schutzes der Gemeinschaft bzw. insbesondere Schutzbedürftiger Minderheiten oder eben einzelner besonders Schutzbefohlener Personenkreise (Kinder und Jugendliche).
Dieses Allgemeingut wird regelmäßig vor dem Rechtsgut des Einzelnen überwiegen. Selbst nach hinreichender Abwägrung sämtlicher Gesichtspunkte, muss auch ich das Überwiegen des Allgemeinguts bedauerlicherweise befürworten, denn eine Verschiebung würde zu einem nicht zweckgerichteten Ergebnis führen.
Wie oben dargestellt, wäre bei einer Zulassung oder Duldung, die Folgen gleichwohl schwieriger zu bewerkstelligen, als das schlichte (moralische) Verbot bzw. die disziplinarischen Maßnahmen.
Denn die Abstufung des Abhänhigkeitsverhältnisses gegenüber der Freiwilligkeit und die Auswikungen auf die Schule und das Lehreramt sind kaum einzuschätzen, geweige denn die Folgen abzusehen.
Ich bin von Natur aus kein "Schwarzmaler", aber gleichwohl sehe ich bei einer Lockerrung dieser Wertevorstellung eine wachsende Gefahr des Missbrauchs, da die Sachverhalte gegenüber Jugendlichen und persönlich-emotionalen Beziehungen in Abhängigkeitsverhältnissen nur sehr schwer rechtlich aufzuklären noch nachzuvollziehen sind.
Gleichwohl kann ich die Problematik für den Lehrer durchaus verstehen. Andererseits hat er einen Lehrauftrag und eine pädagogische Zielsetzung.
Verallgemeinert ausgedrückt ohne Bezug auf Lehrer, gilt diese Wertevorstellung des Beamtenrecht auch im Verhältnis Dienstvorgesetzte zu Untergebenden. Insoweit darf der Behördenleiter auch nicht ohneweiteres mit einer dienstlich unterstellten Person eine Beziehung aufnehmen, soweit damit dienstliche Belange berührt werden.
Zwar spricht man hier von dienstlichen Belangen, gleichwohl gerade im Lehrerberuf, ist der Schüler kein Untergebender sondern ein Schutzbefohlener in einem gesonderten Abhängigkeitsverhältnis gleich welchen Alters.
Ich hoffe Ihre Nachfrage beantwortet zu haben, wenngleich es lediglich auf eine weitere Fülle unbestimmter Rechtsbegriffe und nicht gesetzlich fixierter Vorschriften bzw. Werten beruht. Jedoch handelt es sich bei diesem Thema um ein moralisches Tabu, welches direkt/indirekt durch den Dienstherrn als solches im Regelfall auch nicht geduldet sondern verhindert wird.