Sehr geehrter Ratssuchender,
gerne beantworte ich Ihre Frage aufgrund Ihrer Sachverhaltsschilderung wie folgt:
Im Hinblick auf eine etwaige Strafbarkeit Ihres Arbeitgebers, sofern dieser zuerst offene Lieferantenrechnungen anstelle der ausstehenden Gehaltszahlungen begleichen sollte, kann ein strafbares Verhalten Ihres Arbeitgebers Ihrer Sachverhaltsschilderung nicht entnommen werden.
Insoweit dürfte vorliegend insbesondere ein Betrug gemäß § 263 StGB ausscheiden, da es an der notwendigen Täuschungshandlung fehlen dürfte. Ein Betrug käme allenfalls dann in Betracht, wenn Ihr Arbeitgeber Ihre Arbeitsleistungen vorsätzlich entgegengenommen hätte, obwohl diesem bereits zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesen wäre, ein Arbeitsentgelt nicht zahlen zu können. Nach Ihren Angaben hat Ihr Arbeitgeber offensichtlich jedoch im Hinblick auf die offenen Gehälter geäußert, dass diese normalerweise gezahlt würden („normalerweise ja"), so dass ein Betrug nach § 263 StGB daher ausscheiden dürfte.
Auch der Straftatbestand der Untreue gemäß § 266 StGB dürfte ebenfalls nicht gegeben sein, da es nach der Rechtsprechung an einer Treuepflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer im Hinblick auf die Lohnzahlungen fehlt (Fischer, § 266 StGB Rn 37; Bay NJW 1957, 1683).
Ebenso dürfte ein Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt gemäß § 266a StGB vorliegend nicht einschlägig sein. Hierbei macht sich ein Arbeitgeber strafbar, wenn er Sozialversicherungsbeiträge bzw. Teile des Lohnes (z. B. Pfändungen, Vermögenswirksame Leistungen, Versicherungsbeiträge etc.) nicht abführt, sondern einbehält. Nach Ihren Angaben besteht jedoch nur die Befürchtung, dass Ihr Arbeitgeber vorrangig offene Lieferantenrechnungen begleicht, so dass eine Strafbarkeit nach § 266a StGB ebenfalls nicht ersichtlich ist.
Sofern Sie befürchten, die ausstehenden Gehälter für die Monate November und / oder Dezember nicht ausgezahlt zu bekommen, so sollten Sie Ihren Arbeitgeber schriftlich unter Fristsetzung (ca. 10 bis 14 Tage) zur Zahlung des Gehaltes auffordern. Sollte eine Zahlung innerhalb der gesetzten Frist nicht erfolgen bzw. Ihr Arbeitgeber ausdrücklich eine Zahlung verweigern, so müssten Sie Ihren Anspruch vor dem zuständigen Arbeitsgericht geltend machen.
Sollten Sie kurzfristig eine Klage im Hinblick auf Ihren November-Lohn einreichen, könnten Sie diese Klage selbstverständlich bei Fälligkeit des Dezember-Gehaltes problemlos erweitern. In diesem Zusammenhang möchte ich anmerken, dass ein Gehalt in Ermangelung anderweitiger (vertraglicher) Vereinbarungen gemäß § 614 S. 1 BGB erst fällig ist, nachdem der Arbeitnehmer seine Dienste erbracht hat. Der Arbeitnehmer ist insoweit grundsätzlich vorleistungspflichtig (Palandt / Weidenkaff, § 614 BGB Rn 2).
Aufgrund der Tatsache, dass es sich bei Ihrem Arbeitgeber nach Ihren Angaben um eine GbR handelt, ist darauf hinzuweisen, dass die Gesellschafter gemäß § 128 HGB analog persönlich haften.
Sollte das Gesellschaftsvermögen der GbR bei deren Liquidierung (Auflösung) im Hinblick auf die bereits bestehenden Schulden (Lieferantenverträge, Löhne, sonstige Posten) nicht ausreichen, so haften die Gesellschafter der GbR auch für diese Schulden gemäß § 128 HGB analog i. V. m. § 736 Abs. 2 BGB i. V. m. § 160 HGB in einem Zeitraum von 5 Jahren nach dem Ausscheiden bzw. der Auflösung der GbR (sog. Nachhaftung). Somit bestünde für Sie auch nach Auflösung der Gesellschaft die Möglichkeit, den ausstehenden Lohn durch die Inanspruchnahme der Gesellschafter mit Ihrem Privatvermögen geltend zu machen.
Hier könnte jedoch die Problematik bestehen, dass die Gesellschafter das private Insolvenzverfahren einleiten, so dass es für diesen Fall nur schwerlich möglich wäre, Ihre Lohnansprüche gegenüber den Gesellschaftern geltend zu machen bzw. insbesondere letztlich durchzusetzen.
Abschließend möchte ich Sie noch darauf hinweisen, dass Sie gegen die Kündigung vom 30.11.2012 gemäß §§ 4, 7 KSchG innerhalb von 3 Wochen ab Zugang der Kündigung beim zuständigen Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage erheben können. Allerdings kann ich die etwaigen Erfolgsaussichten einer solchen Klage aufgrund Ihrer Sachverhaltsschilderung leider nicht abschließend beurteilen. Insoweit käme es darauf an, ob Ihr Arbeitgeber ggfls. über eine weitere Niederlassung verfügt und es insoweit weniger schutzwürdige Arbeitnehmer geben würde.
Aufgrund der Komplexität und des Umfangs der Angelegenheit kann ich Ihnen nur dringend empfehlen, einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung Ihrer Interessen zu beauftragen. Gerne stehe ich Ihnen für eine etwaige Interessensvertretung zur Verfügung.
Ich hoffe, Ihnen insoweit einen ersten Überblick verschafft zu haben.
Ich weise abschließend darauf hin, dass es durch Hinzufügen und Weglassen wesentlicher Umstände im Sachverhalt durchaus zu einer komplett anderen rechtlichen Bewertung kommen kann.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Neubauer
Rechtsanwalt