Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre online-Anfrage, zu der ich wie folgt Stellung nehmen möchte:
Nach dem Familiengesetzbuch der Russischen Föderation i.d.F. v. 19. 12. 1995 ist die Unterhaltsverpflichtung der Ehegatten während Ehe und nach der Scheidung geregelt, wobei jedoch gegenüber deutschem Recht starke Einschränkungen bestehen. So gewährt Art. 90 russ. FamGB dem geschiedenen Ehegatten praktisch nur bei Arbeitsunfähigkeit, einem Kind bis zu 3 Jahren oder im Falle einer langdauernden Ehe einen Unterhaltsanspruch. Eine Unterhaltspflicht gegenüber der unverheirateten Kindesmutter, wie sie in § 1615 Abs. 1 BGB
festgelegt ist, kennt das russische Unterhaltsrecht – soweit meine Recherche ergeben hat - nicht.
Selbst bei fehlendem Unterhaltsanspruch der Kindesmutter nach russischem Recht, bedeutet dies nicht, dass die Mutter ihre Ansprüche nicht durchsetzen kann. Für eine entsprechende Unterhaltsklage vor einem deutschen Gericht der Kindesmutter nach ihrem Umzug nach Russland bestünde zunächst die internationale Zuständigkeit. Denn als Beklagter haben Sie Ihren allgemeinen Gerichtsstand in Deutschland (§ 13 ZPO
), wodurch nicht nur die örtliche, sondern auch die internationale Zuständigkeit begründet wird (BGH NJW 1998, 1321
).
Anwendbares Recht für die Unterhaltsbemessung ist nach Art. 18 Abs. 1 EGBGB
zunächst das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsberechtigten. Besteht hiernach kein Unterhaltsanspruch, gilt das gemeinsame Heimatrecht (Art. 18 Abs. 1 Satz 2 EGBGB
), und wenn auch dieses - wie in Ihrem Fall - keinen Anspruch gibt, ist deutsches Recht anwendbar (Art. 18 Abs. 2 EGBGB
). Bei einer Klage der Kindesmutter vor einem deutschen Gericht würde sie bei vorliegender Bedürftigkeit somit auch dann Betreuungsunterhalt gem. § 1615 Abs. 1 BGB
fordern können, wenn nach russischem Recht kein Anspruch bestünde. Denn Art. 18 EGBGB
verfolgt das Ziel, dass sich der Unterhaltsgläubiger auf eine ihm günstige Rechtsordnung berufen kann.
Lebt der Unterhaltsberechtigte im Ausland, so sind für die Höhe des Unterhaltsanspruchs die Geldbeträge maßgebend, die er an seinem Aufenthaltsort aufwenden muss, um den ihm gebührenden Lebensstandard aufrechtzuerhalten (KG FamRZ 2002, 1057
). Die Frage, welche Mittel dazu benötigt werden, beurteilt sich nach der Verbrauchergeldparität, die überwiegend durch Heranziehung der Ermittlung des statistischen Bundesamtes festgestellt wird. Auch die Gruppeneinteilungen nach § 33 a EStG
kann insofern herangezogen werden. Analog zu der Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs eines in Russland lebenden Kindes um 22 % gemäß des Urteils des OLG Zweibrücken vom 09.12.2003 halte ich eine entsprechende Herabsetzung bezüglich des Unterhaltsanspruchs einer unverheirateten Mutter für gegeben.
Eine Herabsetzung des Mindestbetreuungsunterhaltsanspruchs ( § 1615 Abs. 1 BGB
) nach der Düsseldorfer Tabelle in Höhe von EUR 770,- um den Anteil der Unterkunftskosten aufgrund des tatsächlichen mietfreien Wohnens der Kindesmutter halte ich für möglich. Denn nach der wohl überwiegenden Rechtsprechung sind Abzüge von den Bedarfssätzen dann gerechtfertigt, wenn der Bedarf anderweitig gedeckt ist. Da die Unterkunftskosten in den Mindestbedarf mit EUR 360,- eingerechnet werden (vgl. Düsseldorfer Tabelle Anm. A 5), wird ein entsprechender Abzug in Betracht kommen.
Weiterhin werden Sie die Ausreise der Mutter mit ihrem Kind nach Russland nicht verhindern können, nachdem dieser aufgrund des alleinigen Sorgerechts auch das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht zusteht. Eine Kürzung des Betreuungsunterhaltsanspruchs aus diesem Grunde sehe ich nicht.
Ich hoffe, Ihnen eine hilfreiche erste Orientierung gegeben zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Petry-Berger
Rechtsanwältin
Diese Antwort ist vom 26.07.2006 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Antwort
vonRechtsanwältin Jutta Petry-Berger
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Vielen Dank fuer die Antwort! Nur noch eine Nachfrage:
sollte die Kindesmutter jemanden anderen heiraten, verliert sie den Anspruch auf Betreuungsunterhalt?
Sehr geehrter Fragesteller,
nach dem Urteil des BGH vom 17.11.2004, Az.: XII 183/02 (NJW 2005, S. 503
, ist die Vorschrift des § 1586 Abs. 1 BGB
, nach der ein Anspruch auf nachehelichen Ehegattenunterhalt bei Wiederheirat des Unterhaltsberechtigten entfällt, auf den Unterhaltsanspruch aus Anlaß der Geburt nach § 1615 l Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1
und 2 BGB entsprechend anwendbar. - Sollte die Kindesmutter heiraten, fällt der Betreuungsunterhaltsanspruch daher weg.
Mit freundlichen Grüßen
Petry-Berger
Rechtsanwältin