Sehr geehrter Mandant,
gerne möchte ich Ihnen Ihre Fragen in der von Ihnen eingebrachten Reihenfolge beantworten:
1.
Grundsätzlich haben Sie natürlich von Gesetzes wegen ein Pflichtteilsrecht als leibliches Kind Ihres Vaters. Dieses Recht besteht auch dann, wenn ein Berliner Testament aufgesetzt worden ist.
Gelegentlich wird ein solches Testament zwar mit Strafklauseln verbunden, wodurch die Pflichtteilsberechtigten von der Geltendmachung Ihrer Ansprüche abgehalten werden sollen. Einem Verbot kommt dies jedoch nicht gleich.
Nun schreiben Sie nicht, in welcher Form Ihr Verzicht darauf nach dem Tod Ihres Vaters vonstatten gegangen ist. Sofern es einen ausdrücklichen Verzicht gegeben haben sollte, ist Ihr Recht verwirkt.
Sollten Sie "indirekt verzichtet" haben, indem Sie einfach nicht tätig geworden sind, kommt Ihnen die Verjährung in den Weg: Diese beträgt drei Jahre und ist mithin in jedem Fall abgelaufen.
In Bezug auf Ihre Stiefmutter haben Sie kein Pflichtteilsrecht, da Sie mit ihr nicht verwandt sind.
2.
Bezüglich der Frist (Verjährung von drei Jahren) verweise ich auf meine Antwort zu Frage 1.
3.
In der Tat haben Sie nur dann ein Einsichtsrecht, wenn Sie als Erbberechtigter in Frage kommen. Dies kann der Fall sein, wenn Sie im Rahmen des ursprünglichen Berliner Testaments als Erbe nach Ihrer Stiefmutter eingesetzt worden wären und zugleich angeordnet worden ist, dass der überlebende Ehegatte nicht befreit ist, nach dem Tod Ihres Vaters also keine Veränderungen der ursprünglichen Verfügung mehr veranlasst werden durften.
Um in Erfahrung zu bringen, ob Sie noch Rechte haben, können Sie daher einen Auskunftsanspruch gegen Ihre Stiefmutter geltend machen.
Für eventuelle Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Daniela Désirée Fritsch
Rechtsanwältin
Rückfrage vom Fragesteller
17.03.2017 | 22:18
"Um in Erfahrung zu bringen, ob Sie noch Rechte haben, können Sie daher einen Auskunftsanspruch gegen Ihre Stiefmutter geltend machen."
Da meine Stiefmutter bereits seit 2 Jahren tot ist, wird sich das schwerlich machen lassen, oder habe ich Sie vielleicht falsch verstanden?
Mit freundlichen Grüßen
P.S. Herzlichen Dank für Ihre unermüdliche Antwort zu so später Stunde. Für mich ist es nur ärgerlich zu erfahren, dass eine mögliche Fälschung eines Testaments durch mich nicht aufzudecken ist, da mir verwehrt wird, dieses in Augenschein zu nehmen. Da ich ca.600 km von meiner Stiefmutter entfernt wohne, war es mir nicht vergönnt gemeinsam mit dem o.g. Bekannten mich auf die Suche des Testaments zu machen.
Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt
17.03.2017 | 22:24
Sehr geehrter Mandant,
bitte entschuldigen Sie, da hat sich in der Tat ein Schreibfehler eingeschlichen. Ich meinte selbstverständlich den offensichtlich eingesetzten Erben Ihrer Stiefmutter, also bewussten "Bekannten", nicht Ihre Stiefmutter selbst.
Wichtig wäre wirklich - unabhängig von diesem letzten Testament - die Klärung der Frage, ob Ihre Stiefmutter nach dem Berliner Testament überhaupt dazu berechtigt war, nach dem Tod Ihres Vaters neue Verfügungen zu treffen, die von der ursprünglichen gemeinsamen Idee der Eheleute abweichen.
Sollten Sie also eine Möglichkeit haben, an dieses ursprüngliche Berliner Testament zu gelangen, kann eine davon abweichende spätere Verfügung unter Umständen ausgehebelt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Daniela Désirée Fritsch
Rechtsanwältin
Ergänzung vom Anwalt
18.03.2017 | 13:18
Sehr geehrter Mandant,
danke für die ergänzenden Informationen. Damit bestätigt sich nun leider meine Befürchtung: Im Endeffekt wurden Sie von Ihrem Vater und der Stiefmutter nicht gemeinsam als Schlusserben eingesetzt, so dass Ihre Stiefmutter zwar zur Erbin Ihres Vaters geworden ist, jedoch nicht daran gehindert war, sich später mit einem eigenen Testament frei zu entscheiden.
Die Bindungswirkung eines klassischen Berliner Testaments lag damit nicht vor.
Da Sie dieses Testament damals - wie Sie selbst beschreiben - per Post vom Nachlassgericht erhalten haben, kennen Sie das dortige Vorgehen ja bereits.
Der Umstand, dass Sie anlässlich des Todesfalls der Stiefmutter nicht informiert worden sind, spricht zusätzlich gegen Ihre Erbenposition.
Leider müsste man erheblich mehr über die Umstände wissen, unter denen der Bekannte der Verstorbenen zum Erben eingesetzt worden ist, um hieran berechtigte Zweifel nachweisen zu können.
Ich bedauere daher, Ihnen keine besseren Nachrichten vermitteln zu können.
Mit freundlichen Grüßen
Daniela Désirée Fritsch
Rechtsanwältin