Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
1.
Es handelt sich vorliegend um eine ungerechtfertigte Bereicherung im Dreicksverhältnis.
Bei dem Zeitungsbezug handelte es sich nicht um eine Schenkung seitens der KG, sondern um einen Bestandteil Ihres Gewinnbezugs als Komplementär in Form einer Sachleistung. Nach Ihrem Ausscheiden aus der KG bestand zwischen der KG und dem Zeitungsverlag weiterhin ein wirksamer Zeitungsbezugsvertrag, bei der der Verlag von der KG angewiesen wurde, die Zeitungen an Sie zu liefern. Da davon auszugehen ist, dass Sie keinen klagbaren Anspruch auf Lieferung der Zeitungen gegen den Verlag hatten, ist hier von einem sog. "unechten Vertrag zu Gunsten Dritter" auszugehen, bei dem allein der Zahlungsschuldner und Anweisende einen Anspruch auf die Leistung gegenüber dem Leistenden hat. Der Bezugsvertrag zwischen der KG und dem Zeitungsverlag ist das sog. Deckungsverhältnis, während das Verhältnis zwischen dem Zahlungsschuldner oder Anweisenden (hier die KG) und Ihnen als Leistungsempfänger als Valutaverhältnis bezeichnet wird.
Die ungerechtfertigte Bereicherung ist in diesen sog. Anweisungsfällen im gestörten Verhältnis abzuwickeln. Dies ist vorliegend das Valutaverhältnis zwischen Ihnen und der KG, denn mit deren Verkauf und Ihrem Ausscheiden hatten Sie keinen Anspruch mehr auf einen fortgesetzten Gewinnbezug. Insofern wurde die zahlungspflichtige Lieferung der Zeitungen an Sie durch die KG ohne Rechtsgrund veranlasst, so dass die KG dem Grunde nach einen Anspruch gegen Sie auf Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung hat, soweit die KG die Zeitungslieferungen bezahlt und Sie hierdurch auf Kosten der KG bereichert sind.
2.
Die KG hat Ihre Zahlungsforderung bereits auf einen rückwirkenden Zeitraum von drei Jahren begrenzt, da vor diesem Zeitraum liegende Bereicherungsansprüche verjährt sind. (Streng genommen ist die Verjährung für alle Ansprüche vor dem 01.01.2019 eingetreten, da die Verjährungsfrist immer erst mit dem Schluss des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist, § 199 Abs. 1 BGB.)
3.
Streng genommen sind Sie bereichert um die an Sie gelieferten Zeitungen. Da Sie diese aber nach dem Lesen entsorgt haben dürften, können Sie die Zeitungen nicht mehr herausgeben. In diesem Fall tritt an die Stelle der Herausgabe des Erlangten grundsätzlich ein Wertersatzanspruch in Geld (§ 818 Absatz 2 BGB).
Nach § 818 Absatz 3 BGB ist der Wertersatzanspruch ausgeschlossen, wenn der Leistungsempfänger nicht mehr bereichert ist.
Handelt es sich beim Erlangten um eine Leistung für den Lebensbedarf, die bereits verbraucht worden ist, besteht eine Bereicherung nur fort, soweit der Bereicherungsschuldner in kausalem Zusammenhang mit dem rechtsgrundlosen Erwerb noch vorhandene Vermögensvorteile sich geschaffen oder erworben hat, z.B. anderweitige Anschaffungen oder Ersparnisse vorgenommen hat, bzw. eigene Schulden getilgt hat (BGH, NJW 1992, S. 2415; NJW 2000, S. 740). Oder wenn er durch Verwendung des Erlangten Ausgaben erspart hat, die er auch sonst gehabt hätte, d.h. von denen anzunehmen ist, dass sie ansonsten mit anderen verfügbaren Mitteln getätigt worden wären (BGH, NJW 1984, S. 2095; NJW 2003, S. 3271). Es entscheidet der Einzelfall unter Berücksichtigung der Verhältnisse beim Schuldner.
Man könnte hier argumentieren, dass Sie um ersparte Gebühren für das Zeitungsabonnement bereichert sind. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, ob Sie im Fall der Beendigung des Bezugsvertrages durch die KG bei Ihrem Ausscheiden die Tageszeitung auf eigene Kosten weiter abonniert hätten. Dies wäre etwa dann nicht der Fall gewesen, wenn Ihnen der Bezug einer Tageszeitung nicht so wichtig gewesen war, dass Sie ihn im Fall der Kündigung des Abo durch die KG nicht mehr fortgesetzt hätten. Diese Möglichkeit scheidet aus, wenn Sie nach der Kündigung des Abos durch die KG dieselbe Tageszeitung "im fliegenden Wechsel" auf eigene Rechnung sofort weiter abonniert haben.
Es kommt hierbei auch auf Ihre Einkommensverhältnisse an: Die Rechtsprechung geht im Weg eines Anscheinsbeweises davon aus, dass Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen nach der Lebenserfahrung ungerechtfertigte Ersparnisse zur Verbesserung ihres Lebensstandards ausgegeben haben, wenn sie keine sonstigen erheblichen Einkünfte haben und keine Rücklagen oder Vermögenswerte haben (BAG; NJW 1996, S. 411; BGH, NJW 1992, S. 2415). Bei Besserverdienenden scheiden solche Beweiserleichterungen aus (BAG, NJW 1994, S. 2636). Der Gläubiger hat dann darzutun, dass zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit die Bereicherung noch bestand, der Schuldner also gemäß § 818 Absatz 4 BGB für den Wegfall der Bereicherung verantwortlich ist (BGH, NJW 1958, S. 1725; MDR 1959, S. 109).
4.
Erfolgversprechend scheint hier indes eine Berufung auf Anspruchsverwirkung nach § 242 BGB zu sein.
Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeitnicht geltend gemacht hat, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Vergalten des Berechtigten daraud eingerichtet hat und sich auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch nicht mehr geltend machen werde (BGH, NJW 2014, S. 1239).
Seit der Möglichkeit, das Recht geltend zu machen, muss längere Zeit verstrichen sein ("Zeitmoment").
Dies ist der Fall, wenn ein Recht 14 Jahre lang nicht geltend gemacht wird.
Während des für die Verwirkung erforderlichen Zeitraums darf der Berechtigte nichts zur Durchsetzung seines Rechts getan haben.
Der Verpflichtete muss sich auf Grund des Verhaltens des Berechtigten darauf eingerichtet haben, der Verpflichtete werde sein Recht nicht mehr geltend machen; ferner muss sich der Verpflichtete in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Geltendmachung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (BGH, NJW 2011, S. 202; NJW 2014, S. 1230).
Dies lässt sich hier nach einem Zeitraum von 14 Jahren auch behajen.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt C. Norbert Neumann
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Rechtsanwalt C. Norbert Neumann
Besten Dank für die fundierte und umfangreiche Beantwortung meiner Frage, insbesondere der wertvolle Hinweis auf § 242 BGB!
Zum Sachverhalt: Der Zeitungsbezug wurde im Juni 2022 beendet, ich habe danach kein neues Abonnement abgeschlossen. Da der Vorgang bis zum heutigen Tage nicht rechtshängig ist, scheint eine Haftung gem. § 818 Abs 4 aktuell gegenstandslos.
Ist eventuell auch der § 814 BGB relevant? Der Leistende hätte wissen müssen, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Es war letztlich eine Folge der Schlamperei seiner Buchhaltung, dass das Zeitungsabo jahrelang ohne Rechtsgrund bezahlt wurde.
Sehr geehrter Fragesteller,
damit § 814 BGB zur Anwendung kommt, muss der Leistende bewusst in Kenntnis seiner Nichtschuld geleistet haben. Letztlich handelt es sich hier um eine gesetzlich geregelte Fallgruppe des Verbots widersprüchlichen Verhaltens ("venire contra factum proprium"): Wer wissentlich auf eine Nichtschuld geleistet hat, soll die Leistung hinterher nicht mit der Begründung zurückfordern können, er sei zur Leistung gar nicht verpflichtet gewesen.
Vorliegend scheint es sich wohl eher so verhalten zu haben, dass schlicht und einfach vergessen wurde, das Zeitungs-Abo rechtzeitig zu kündigen und danach in der Buchhaltung niemand mehr bemerkt hat, dass es für die monatlichen Bezahlungen des Abos keine rechtliche Verpflichtung mehr gab.
Zahlungen, die nur aus Schlamperei und Vergesslichkeit erfolgen, sind kein Fall des § 814 BGB.
Im Rahmen des § 814 BGB hat der Bereicherungsschuldner die Beweislast für die positive Kenntnis der Nichtschuld durch den Leistenden.
Mit freundlichen Grüßen
Der für die Verwirkung neben dem Zeitmoment erforderliche sog. "Umstandsmoment" wird zwar nicht bereits durch bloßen Zeitablauf erfüllt - dies betrifft nur den Zeitmoment.
Allerdings lässt sich vorliegend argumentieren, dass Sie nach dem ungewöhnlich langen Zeitablauf von 14 Jahren nicht mehr mit der Geltendmachung von Bereicherungsansprüchen gerechnet haben und auch nicht mehr rechnen mussten - auch soweit Bereicherungsansprüche noch nicht verjährt sind - so dass Sie es unterlassen haben, für eine Geltendmachung von Bereicherungsansprüchen Rücklagen zu bilden, und die unerwartete Geltendmachung der Ansprüche für einen Zeitraum von mehreren Jahren für Sie zu einem unzumutbaren Nachteil bzw. finanziellen Belastung führt. Dadurch wird dann der Umstandsmoment erfüllt.