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Sehr geehrte Fragestellerin/sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Frage
Beitragsinkasso in der PKV - Notlagentarif ab 01.08.2013
beantworte ich unter Berücksichtigung Ihres Einsatzes und nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:
Sie sollten sich aufgrund der Bedeutung der Angelegenheit für Sie (drohende Insolvenz bei EV) sofort an einen Anwalt vor Ort wenden, der im Versicherungsrecht und Zwangsvollstreckungsrecht Spezialist ist.
Hier hilft Ihnen evtl. eine sog. Vollstreckungsabwehr- bzw. Gegenklage im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes. Gemäß § 769 ZPO kann das Prozessgericht, in dringenden Fällen das Vollstreckungsgericht, auf Antrag vorläufige Anordnungen zum Schutz des Schuldners erlassen. Gemäß § 770 ZPO können vorläufige Anordnungen im Urteil erlassen werden.
Mit diesem Rechtsbehelf kann versucht werden, die Einwendung, die Forderungshöhe Ihrer PKV habe sich drastisch reduziert und sich die Forderung somit bereits zum größten Teil, wenn nicht sogar ganz, erledigt hat, auch nach Rechtskraft noch geltend zu machen.
Einziges Problem könnte die sog. Präklusion nach § 767 II ZPO sein.
§ 767 II bestimmt, dass Einwendungen nur zulässig sind, wenn die Gründe, auf denen sie beruhen, nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung entstanden sind, in der Einwendungen nach der ZPO spätestens hätten geltend gemacht werden müssen und durch Einspruch nicht mehr hätten geltend gemacht werden können.
Hier sollte der Anwalt überprüfen ob die nachträgliche Erlass des „Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung (KVBeitrSchG)" nicht zu einer Veränderung der Rechtslage geführt hat und dies nicht vorher geltend gemacht werden konnte, (da das Gesetz eben erst jetzt in Kraft getreten ist, aber auch für Altfälle gilt, s. dazu sogleich).
Das Geld für den Anwalt – sei es auf der Basis von PKH – würd ich an Ihrer Stelle aber in jedem Fall aufwenden, denn:
Sie als Schuldner trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Einwendungen erst nachträglich entstanden sind (vgl. BGHZ 34, 274, 281; NJW-RR 06, 202, 203). Es kommt darauf an, wann genau für Sie die objektive Möglichkeit bestand, die Einwendung geltend zu machen. Unerheblich ist es, ob der Schuldner die Einwendung kannte oder schuldlos nicht kannte oder nicht beweisen konnte (vgl. BGHZ 61, 25, 26; NJW-RR 06, 229, 230).
Der Rechtsanwalt müsst dann in jedem Fall in der Klage ausführen, dass Sie in den Rechtsschutz des neuen Gesetzes fallen, da dieses auch für sog. Altfälle, also die schon Schulden angehäuft hatten, bevor das Gesetz am 091.08.2013 in Kraft getreten ist, gilt:
Vgl. unter http://www.buzer.de/gesetz/10789/index.htm:
„Artikel 5 Änderung des Einführungsgesetzes zum Versicherungsvertragsgesetz
Artikel 5 des KVBeitrSchG ändert mWv. 1. August 2013 EGVVG Artikel 7
Dem Einführungsgesetz zum Versicherungsvertragsgesetz in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 7632-2, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 2 Absatz 4 des Gesetzes vom 25. Juni 2009 (BGBl. I S. 1574) geändert worden ist, wird folgender Artikel 7 angefügt:
„Artikel 7 Krankenversicherung, Versicherungsverhältnisse nach § 193 Absatz 6 des Versicherungsvertragsgesetzes
Versicherungsnehmer, für die am 1. August 2013 das Ruhen der Leistungen gemäß § 193 Absatz 6 des Versicherungsvertragsgesetzes festgestellt ist, gelten ab diesem Zeitpunkt als im Notlagentarif gemäß § 12h des Versicherungsaufsichtsgesetzes versichert. Versicherungsnehmer gelten rückwirkend ab dem Zeitpunkt, zu dem die Leistungen aus dem Vertrag ruhend gestellt worden sind, als im Notlagentarif versichert, wenn die monatliche Prämie des Notlagentarifs niedriger ist als die in diesem Zeitpunkt geschuldete Prämie. Dies gilt unter der Maßgabe, dass die zum Zeitpunkt des Ruhendstellens aus dem Vertrag erworbenen Rechte und Alterungsrückstellungen erhalten bleiben und in Anspruch genommene Ruhensleistungen im Verhältnis zum Versicherungsnehmer als solche des Notlagentarifs gelten. Eine Anrechnung gebildeter Alterungsrückstellungen nach § 12h Absatz 2 Satz 5 des Versicherungsaufsichtsgesetzes auf die zu zahlende Prämie findet rückwirkend nicht statt. Der Versicherungsnehmer kann der rückwirkenden Versicherung nach Satz 2 widersprechen. Die Versicherer haben auf die Versicherung im Notlagentarif innerhalb von drei Monaten nach dem 1. August 2013 hinzuweisen und hierbei den Versicherungsnehmer über sein Widerspruchsrecht nach Satz 5 unter Hinweis auf die mit der rückwirkenden Versicherung verbundenen Folgen zu informieren; der Widerspruch muss innerhalb von sechs Monaten nach Zugang des Hinweises beim Versicherer eingehen.""
Ob sich, wie Sie schreiben dadurch die „Forderungshöhe drastisch reduzier(t hat) und somit bereits zum größten Teil, wenn nicht sogar ganz, erledigt hat" müsste der Rechtsanwalt dann aber vorweg prüfen. Dafür sollte er Kenntnisse im Krankenversicherungsrecht haben.
Ich hoffe Ihnen mit meinen Ausführungen einen ersten Überblick verschafft zu haben.
Ich weise abschließend darauf hin, dass die Beantwortung Ihrer Frage ausschließlich auf Grundlage Ihrer Schilderung erfolgt. Die Antwort dient lediglich einer ersten rechtlichen Einschätzung, die eine persönliche und ausführliche Beratung durch einen Rechtsanwalt in den seltensten Fällen ersetzen kann. Das Weglassen oder Hinzufügen weiterer Sachverhaltsangaben kann möglicherweise zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen. Eine endgültige Einschätzung der Rechtslage ist nur nach umfassender Sachverhaltsermittlung möglich.
Letztlich weise ich darauf hin, dass der Umfang meiner Beratung ebenfalls durch die zwingenden gesetzlichen Vorgaben des § 4 RVG begrenzt ist.
Mit freundlichen Grüßen
Aljoscha Winkelmann (Rechtsanwalt)