Sehr geehrter Fragesteller,
Vielen Dank für die gestellte Frage.
Sie stellen mehrere Fragen, die teilweise ausführlicher Begründung bedürfen.Im Einzelnen:
I. Zunächst sind Ihre Recherchen grundsätzlich richtig. Nach einem 1973 ergangenen Urteil des Bundesgerichtshofs (Az. VII ZR 196/72
) gilt "normale winterliche Witterung nicht als 'schlechtes Wetter' und darf deshalb nicht zu Verzögerungen beim Bau führen". Das ist der Grundsatz.Übliche, auch Winter-Witterung ist auch nach § 6 Nr. 2 Abs. 2 VOB/B
nicht als Behinderung, die den Verzug des Bauträgers ausschließt, anzusehen.
Nur ausnahmsweise können nicht vorhersehbare, außergewöhnliche Witterungsverhältnisse im Einzelfall nach § 6 VOB/B
zu einer Verlängerung der Ausführungszeit führen.Dazu zählen z.B. eine besonders lang anhaltende ungewöhnliche Kältewelle mit monatelangem durchgängigen Bodenfrost - also alles, was üblicherweise im Winter NICHT erwartet werden kann. Nicht jedes Schlechtwetter, sondern nur eine ganz außergewöhnliche Schlechtwetterlage führen nach der VOB/B daher zu einer Verlängerung der Ausführungsfristen.Dies ist logisch- denn dem Bauträger ist wie jedem anderen bekannt, dass der Winter irgendwann kommt.Dies muss er einkalkulieren.
Eine weitere Frage ist: Was genau regelt der Kaufvertrag?Wurde die VOB vereinbart?Ist in dem Kaufvertrag nur höhere Gewalt ausgeschlossen worden? Wird dort nach Wetterlagen differenziert?
Im Streitfall können die Schlechtwettertage, die zur Leistungsbehinderung führten, anhand von Aufzeichnungen des regionalen Wetteramtes nachgewiesen werden . Der Wetterdienst stuft das Wetter in grds.4 Kategoriern ein,siehe hier :
http://www.dwd.de/schlechtwettertage
Dort kann erstmal überprüft werden, ob die Behauptungen des Bauträgers überhaupt stimmen oder ob von vorn herein keine Wetterlage vorlag, die das Vorhaben behindern und seine Ausführungen untermauern konnte.
II. Daran schliesst sich folgender Punkt an: Witterungsbedingte Verzögerungen hat der Bauträger Ihnen gegenüber darzulegen und auch entsprechend zu beweisen.Er hat auch rechtzeitig schriftlich daraufhin zuweisen, sofern dieses im Vertrag vereinbart ist.
Ihnen liegen zwei Anzeigen ,nämlich vom 14.1.und 6.2 vor? Dann gilt es diese auf den Inhalt und Übereinstimmung mit der tatsächlichen Wetterlage zu überprüfen. Wie ausführlich sind die Anzeigen?
III. Betreffend der Bürgerinitiative sehe ich die Sache wie folgt: Ist vertraglich die Anzeigepflicht vereinbart, so muss der Bauträger dem nachkommen. Unterlässt er die Anzeige, so hat er nur dann Anspruch auf Berücksichtigung der hindernden Umstände, wenn dem Auftraggeber offenkundig die Tatsache und deren hindernde Wirkung bekannt waren. Bei der Bürgerinitiative müsste dies im Einzelnen geprüft werden, inwiefern Ihnen offensichtlich bekannt sein musste, dass es dadurch zu Verzögerungen kommen kann. Dies sehe ich nicht gegeben.Ich sehe auch keinen Zusammenhang zwischen der Initiative in 2011 und dem verspäteten Baubeginn im Juni 2012 - anstatt von April 2012. Den Baubeginn als verbindlich anzusehen bleibt jedoch auch einer genauen Prüfung anheim.
Wurde Ihnen der Baubeginn im April 2012 ausdrücklich zugesichert?Kann man aus der Anzeige verbindliche Angaben ableiten?
Dann sieht es für den Bauträger eher schlecht aus, denn Verzögerungen beim Baubeginn wird er in der Regel zu vertreten haben. Wenn bereits dort gute Gründe für eine Verzögerung vorlagen und die fristgerechte Fertigstellung erkennbar als gefährdet erschein, hätte er bereits damals Anzeige machen müssen, mit der Folge, dass nachgeschobene Gründe unbeachtlich wären.Dies würde ggf. zur Bejahung der notwendigen Kausalität führen.
Insofern wäre Ihre Vermutung richtig, dass bei rechtzeitigem Baubeginn das Schlechtwetter keine Verzögerung herbeigeführt hätte, so dass der Bauträger nach den Zurechnungsgrundsätzen die Verzögerung tatsächlich zu vertreten hat. Den Nachweis, dass ein Baubeginn zugesagt wurde, müssten Sie schon führen können, dass kein Zusammenhang besteht, darüber müsste sich der Bauträger entlasten.Auch dies ist im einzelnen zu prüfen, gründlicher, als dies hier möglich wäre.
IV.Die Erfahrung hat gezeigt, dass Sie in Baurechtsfällen ohne anwaltlichen Rechtsbeistand selten gute Karten haben. Bauträger sehen sich oft Regressforderungen gegenüber, und antworten oft nicht auf diese oder weisen sie grundsätzlich und immer als unbegründet ab.
Eine Pflicht zur anwaltlichen Vertretung besteht ab einem Streitwert von 5000 Eur (Verfahren vor dem Landgericht). Die Kosten können bei diesem Wert für die klagende Seite bis zu 1500 Eur betragen, die im Obsiegensfalle der Gegner zu tragen hat. Ein Anwalt wird daher genau prüfen, welche Rechte Ihnen zustehen. Dies kann gewissenhaft allerdings erst nach Einsicht in die genannten Vertragsunterlagen und weiteren Dokumenten, auch Wetterdaten sowie nach weiterer Beratung und Rücksprache erfolgen.
V.Sie können -grob gesagt- erfolgreich mit der Gegenforderung aufrechnen, wenn Sie diese auch in einem Gerichtsverfahren durchsetzen könnten. Diese Antwort klingt pauschal, richtet sich aber nach dem Sachverhalt: wenn Sie einen fälligen , durchsetzbaren Anspruch auf die Entschädigungssumme haben, können Sie mit dieser selbstverständlich aufrechnen.
Hält der Bauträger die Aufrechnung für ungerechtfertigt, wird er diese schon einklagen- letztlich wird dann ein Gericht entscheiden. Wenn sich der Bauträger weiterhin auf stur stellt, ist diese Lösung aber sowieso unumgänglich. Dass man dort nicht auf Ihre Fristsetzund und Aufforderun antwortet,untermauert nur die unter IV. genannten Erfahrungswerte.
Ich hoffe, Ihnen zunächst einige Orientierungspunkte gegeben haben zu können. Zögern Sie nicht, die kostenlose Nachfragefunktion, auch unter Angabe der offenen Fragen (z.B.unter I./III.) zu verwenden.
Bitte beachten Sie schließlich-wie immer-dass es sich hier um eine erste,grobe Einschätzung des Falles ohne Einsicht in Vertragsunterlagen handelt.
Mit freundlichen Grüßen aus Bielefeld
T.Asthoff
Achtung Archiv
Diese Antwort ist vom 24.03.2013 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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