Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Anfrage, welche ich anhand des von Ihnen geschilderten Sachverhalts wie folgt beantworte:
Frage 1:
"Hat meine Tochter vielleicht doch Anspruch auf ein elternunabhängiges BAfög? Zumindest noch für das letzte Jahr?"
Ihre Tochter hat dann einen Anspruch auf elternunabhängige Förderung, wenn die Voraussetzungen des § 11 II a, III BAföG erfolgreich begründet werden können.
Den Gesetzestext finden Sie unter:
http://www.gesetze-im-internet.de/baf_g/__11.html
Wie Sie selbst feststellen können, scheidet § 11 III BAföG nach Ihrer Schilderung bereits aus, sodass ein Anspruch grundsätzlich nur dann in Betracht käme, wenn Sie "rechtlich oder tatsächlich gehindert sind, im Inland Unterhalt zu leisten".
Daran habe ich aber nach Ihrer Schilderung Zweifel (siehe Frage 2).
Frage 2:
"Bin ich eigentlich noch zum Unterhalt verpflichtet?".
Das hängt davon, ab konkret bei Aufnahme des Studiums genau besprochen war.
Denn Eltern schulden ihren Kindern nur dann Unterhalt, solange die Kinder eine Schul- oder Berufsausbildung absolvieren und nicht über genug Einkommen verfügen, um sich selbst zu unterhalten (§§ 1601 ff. BGB
).
Eine Altersgrenze besteht dabei nicht. Die Unterhaltspflicht dauert also grundsätzlich so lange an, bis die Ausbildung des Kindes abgeschlossen ist.
Daher endete Ihre Unterhaltspflicht eigentlich mit dem Abschluss der ersten berufsqualifizierenden Ausbildung zur Reiseverkehrsfrau. Denn nach Beendigung der ersten Ausbildung erlischt nach Ablauf einer Bewerbungsfrist von drei Monaten die Unterhaltsverpflichtung und das Kind muss sich um eine Erwerbstätigkeit bemühen.
Eine zweite Ausbildung lässt die Unterhaltspflicht nur dann nicht entfallen, wenn
nach deren Abschluss im sofortigen Anschluss daran ein Studium aufgenommen wird, welches in inhaltlichem Zusammenhang mit der Ausbildung steht.
Indem Ihre Tochter aber sofort im Anschluss daran ein Studium aufnahm, welches mit der Ausbildung nach meinem Dafürhalten nicht direkt etwas zu tun hatte, haben Sie seitdem den Unterhalt auf freiwilliger Basis bzw. aufgrund der damals getroffenen Vereinbarung gezahlt.
Dabei ist auch zu beachten, dass einem jungen Menschen durchaus auch die Möglichkeit gegeben wird, sich bezüglich der Berufswahl umzuorientieren. Nicht immer ist dazu ein Abbruch der Ausbildung notwendig.
Summa summarum sprechen hier hier wohl die überwiegenden Gründe für die Annahme einer Unterhaltspflicht bis zum Abschluss des Masterstudiums.
Frage 3:
"Wäre jetzt der richtige Weg einfach einen Antrag auf Vorausleistung zu stellen und abzuwarten wie das BAfögamt meine Unterhaltspflicht prüft bzw. entscheidet? Wie sehen unsere Chancen aus?"
Das wäre eine Möglichkeit.
Allerdings muss bei einer Entscheidung gegen Sie beachtet werden, dass das als Vorleistung empfangene Geld zurückgezahlt werden müsste.
Wenn Sie begründen könnten, dass keine rechtliche Unterhaltspflicht mehr besteht, würden die Chancen steigen.
Frage 4:
"Haben wir eventuell den Anspruch auf elternunabhängiges Bafög mit meiner jahrelangen Unterhaltsleistung schon verwirkt (stillschweigende Anerkennung einer Leistungspflicht)?"
Diesem Einwand werden Sie sich sicherlich gegenübersehen. Dabei kommt es aber auf die Verwirkung nicht an, sondern darauf ob sie nach der Absprache mit Ihrer Tochter zu Beginn des Studiums die Unterstützung für Bachelor- und Masterstudiengang in Aussicht gestellt haben.
Zudem werden Sie auch begründen müssen, warum Sie bisher Unterhalt zahlten und diesen trotz Leistungsfähigkeit nun auf einmal einstellen wollen, obwohl das Studium noch nicht abschließend beendet wurde.
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Mit freundlichen Grüßen
Raphael Fork
-Rechtsanwalt-
Antwort
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Sehr geehrter Herr RA Fork,
vielen Dank für Ihre Antwort.
Nachfragen ergeben sich bei mir zu:
"rechtlich oder tatsächlich gehindert sind, im Inland Unterhalt zu leisten".
Was wäre so ein Grund? Ich dachte, dass eine Finanzierung der ersten abgeschlossenen Berufsausbildung ausreicht. Zumal ein sachlicher Aspekt ja auch in Ihrem Dafürhalten zwischen dem ersten erlernten Beruf und dem Studium nicht besteht. Außerdem war mein Kind auch in der JAV. Sie hätte nach der Ausbildung also eine problemlose Übernahme in ein Arbeitsverhältnis erhalten. Natürlich gab es keinerlei Absprachen über ein anderes Studium!
Wäre das nicht Grund genug?
Reicht hier nicht die Erklärung von beiden Seiten über diesen Tatbestand?
Als Begründung, warum ich bis heute den Unterhalt weiter finanziert habe:
Der Bafögantrag zu Beginn des Studiums wurde aufgrund meines Einkommens abgelehnt. Ich bin davon ausgegangen, dass ich mein Kind ja nicht verhungern lassen kann. Ich habe von diesem "Unterhaltsrecht bzw. -pflicht" bis vor Kurzem keine Kenntnis gehabt. Ich bin ja auch kein Rechtsanwalt. Kann man mir das zum Vorwurf machen? Heute habe ich Kenntnis darüber und verweigere jetzt den Unterhalt. Wäre das Begründung genug? Muss ich vielleicht Streitigkeiten mit meinem Kind nachweisen?
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Nachfrage:
"Was wäre so ein Grund?"
Sie müssten dann z.B. darlegen, dass keine Absprache über die Finanzierung des Studiums gab, sondern Sie sich über das Fortbestehen Ihrer Unterhaltspflicht geirrt haben.