Sehr geehrter Ratsuchender,
gerne nehme ich zu Ihrer Anfrage unter Berücksichtigung Ihrer Angaben und Ihres Einsatzes wie folgt Stellung:
Der Vertrag zur Herstellung oder Wiederherstellung des Putzes am Neubau ist rechtlich ein sog. Werkvertrag; es gelten die §§ 631 ff. BGB.
Ich gehe davon aus, dass ein Werkvertrag nach Ihren Angaben zunächst wirksam entstanden ist. Ein solcher kommt nach den allgemeinen Regeln, §§ 145 ff. BGB, durch Angebot und Annahme (= Willenserklärungen) zustande. Diese Willenserklärungen wurden telefonisch abgegeben und gelten, da sie quasi unter Anwesenden abgegeben wurden, als sofort zugegangen. Einer Schriftform bedarf es nicht; Werkverträge können auch mündlich geschlossen werden. Sie konnten das Angebot der Firma, das Werk zu einem bestimmten Quadratmeterpreis herstellen zu lassen, also mündlich annehmen, und zwar entweder ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten.
Für den Fall, dass Sie sich mit dem Angebot einverstanden erklärt haben sollten, wäre darin eine Annahme des Werkvertrages zu sehen. Es müsste allerdings Einigkeit über die vertragswesentlichen Bestandteile erzielt worden sein, wozu insbesondere Art und Umfang der Putzarbeiten zählen. Ich stelle mir das recht schwierig vor, wie Ihnen die Firma hier einen Preis anbieten konnte, ohne das Bauobjekt besichtigt zu haben. Dies könnte als Indiz dafür gewertet werden, dass noch keine endgültige Einigung erzielt wurde und zunächst nur ein unverbindliches Angebot abgegeben wurde.
Verlangt die Firma von Ihnen die Zahlung der Vergütung, also Erfüllung des Werkvertrages, müsste sie jedenfalls beweisen, dass ein solcher Vertrag zustande gekommen ist und dass die Vergütung in der geforderten Höhe auch tatsächlich vereinbart wurde. Das ist bei lediglich mündlich geschlossenen Verträgen regelmäßig schwer bis aussichtslos, wenn das der Anspruchsgegner bestreitet. Kann die Firma nur einen Vertragsschluss ohne konkrete Preisvereinbarung beweisen, ist die übliche Vergütung maßgeblich, vgl. § 632 Abs. 2 BGB, in diesem Fall also eine um 40 % geringere Vergütung, sollte diese an Ihrem Ort marktüblich sein.
Wenn Sie davon ausgehen, dass ein Vertragsschluss bewiesen werden könnte, bieten sich dennoch mehrere Möglichkeiten an, sich aus dem Vertrag wieder zu lösen. Sie können den Vertragsschluss bestreiten und HILFSWEISE widerrufen (1.) oder kündigen (2.). Eine Anfechtung würde ausscheiden, da ein Irrtum über die Attraktivität des Preises unbeachtlich wäre.
1.
Ihnen könnte das Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen nach §§ 312b, 312d, 355 BGB zustehen. Werkverträge sind als „Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen" vom Widerrufsrecht umfasst. Ein Widerrufsrecht würde hier davon abhängen, ob Sie den Auftrag als Unternehmer (§ 14 BGB) oder als Verbraucher (§ 13 BGB) erteilt haben. Handelt es sich bei dem Objekt um Ihr eigenes Privathaus, dann wäre der Auftrag weder einer gewerblichen noch einer selbständigen beruflichen Tätigkeit zuzurechnen, und Sie könnten ihn (HILFSWEISE) widerrufen.
2.
Hilfsweise, d. h. für den Fall, dass 1. ein Vertrag zustande gekommen und 2. ein Widerrufs ausscheiden sollte, könnten Sie den Werkvertrag bis zur Vollendung des Werkes jederzeit KÜNDIGEN. Ich darf den insoweit einschlägigen § 649 BGB zitieren:
„Der Besteller kann bis zur Vollendung des Werkes jederzeit den Vertrag kündigen. Kündigt der Besteller, so ist der Unternehmer berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen; er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Es wird vermutet, dass danach dem Unternehmer 5 vom Hundert der auf den noch nicht erbrachten Teil der Werkleistung entfallenden vereinbarten Vergütung zustehen."
Da die Firma noch nicht mit der Bauausführung begonnen hat, wird demnach vermutet, dass sie einen Anspruch auf 5 % der vereinbarten Vergütung hat. Es läge an Ihnen, nachzuweisen, dass die ersparten Aufwendungen tatsächlich höher sind.
Vorliegend hat die Firma lediglich ein Preisangebot telefonisch unterbreitet. Das ist kein Aufwand, der eine Vergütung rechtfertigen würde. Für einen Kostenvoranschlag darf der Auftragnehmer nur eine Vergütung verlangen, wenn das vorher so vereinbart wurde, § 632 Abs. 3 BGB. Von einer solchen Vereinbarung gehe ich in Ihrem Fall nicht aus. Die ersparten Aufwendungen der Firma würden demzufolge bei 100 % liegen. Sie müssten dann auch im Falle einer Kündigung gar nichts bezahlen.
Im Ergebnis empfehle ich Ihnen also, nichts zu zahlen.
Bestreiten Sie ggf. einen Vertragsschluss, wenn es diesen nicht gab.
Bestreiten Sie eine konkrete Preisvereinbarung in der geltend gemachten Höhe, wenn es eine solche nicht gab.
Widerrufen Sie ggf. hilfsweise Ihre auf Abschluss des Werkvertrags gerichtete Willenserklärung.
Kündigen Sie hilfsweise den Werkvertrag.
Tun Sie das alles per Fax (Sendebericht aufheben) und zusätzlich per Einschreiben/Rückschein.
Setzen Sie sich mit mir in Verbindung, wenn die Firma von ihren Forderungen nicht ablässt.
Ich hoffe, Ihnen hiermit einen ersten Überblick über die Rechtslage verschafft zu haben, und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Felix M. Safadi
Rechtsanwalt
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Allgemeine Hinweise:
Bitte erlauben Sie mir noch den obligatorischen Hinweis, dass es sich bei dieser Antwort lediglich um eine erste rechtliche Einschätzung des allein auf Ihren Angaben basierenden Sachverhalts handelt. Diese kann eine umfassende Begutachtung nicht ersetzen. Durch Hinzufügen oder Weglassen weiterer Angaben kann die rechtliche Beurteilung völlig anders ausfallen.