Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich auf der Grundlage der von Ihnen zur Verfügung gestellten Informationen wie folgt beantworte:
Wenn die Tochter faktisch bereits seit über einem Jahr bei Ihnen lebt, dann wird man das wohl so interpretieren können, dass die Mutter das bislang akzeptiert hat und von ihrem Aufenthaltsbestimmungsrecht insoweit vorläufig keinen Gebrauch macht, als sie die Tochter offensichtlich nicht zwingt, zurück zu kommen (was ihr rechtlich zustünde, in der Realität bei einer 17jährigen aber wohl kaum möglich wäre).
Sie müssen dann keinen Unterhalt mehr für die Tochter an die Mutter zahlen. Sie sollten daher die Zahlungen entsprechend kürzen. Auch der Familienkasse sollten Sie mitteilen, dass die Tochter bei Ihnen lebt, damit Sie das Kindergeld erhalten, denn wenn die Tochter bei Ihnen lebt und Sie die Tochter versorgen, dann steht Ihnen das volle Kindergeld zu.
Im Gegenteil: Ihre Ex-Frau müsste Ihnen dann Unterhalt für die Tochter zahlen, jedenfalls solange die Tochter noch minderjährig ist. Sie müsste dafür irgendeinen Job annehmen (Minijob, Aushilfe), denn den Kindesunterhalt für Minderjährige muss der Unterhaltsverpflichtete immer irgendwie ermöglichen. Auch die beliebte Ausrede, dass dann die Hartz-IV-Leistungen gekürzt werden, zählt nicht, denn nach § 11b Abs. 1 Nr. 7 SGB II
werden die Hartz-IV-Leistungen insoweit nicht gekürzt, als sie für Unterhalt verwendet werden, sofern dafür ein Titel besteht. Ihre Ex-Frau dürfte also so viel hinzuverdienen, wie sie Unterhalt zahlen muss, ohne dass ihr das Arbeitsamt die Leistungen kürzen darf. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass es einen entsprechenden Unterhaltstitel gibt. Sie müssten also Ihre Ex-Frau dann auf Unterhalt für die Tochter verklagen.
Aber Vorsicht: Falls es einen vollstreckbaren Titel über den Kindesunterhalt gibt, nach dem Sie der Ex-Frau gegenüber zur Zahlung von Kindeunterhalt verpflichtet sind, sollten Sie sofort (!) Abänderungsklage einreichen, denn ansonsten könnte die Kindesmutter den Unterhalt im Rahmen von Vollstreckungsmaßnahmen (Lohnpfändung, Gerichtsvollzieher etc.) bei Ihnen zwangsweise beitreiben. Eine solche Abänderung ist immer nur für die Zukunft möglich, daher zählt jeder Monat! Möglicherweise müsste man dies mit einem Antrag verbinden, der die weitere Nutzung des Titels zu Vollstreckungszwecken verunmöglicht.
Falls Sie nämlich jetzt zu viel zahlen, werden Sie es später von der Kindesmutter nicht mehr zurück erhalten, weil sie dann nichts mehr haben wird (die Juristen nennen das „Entreicherung" nach § 818 Abs. 3 BGB
).
Ob die Angaben dann gegenüber dem Arbeitsamt korrekt sind, muss nicht Ihr Problem sein, darum muss sich die Kindesmutter als Leistungsempfängerin selbst kümmern.
Vorsorglich sollten Sie auch einen Antrag auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts stellen, möglicherweise sogar im Wege der einstweiligen Anordnung. Anderenfalls wird die Kindesmutter versuchen, von ihrem Aufenthaltsbestimmungsrecht Gebrauch zu machen und versuchen, die Tochter (zumindest auf dem Papier) zu zwingen, zu ihr zurück zu kommen. Das könnte Auswirkungen auf den Unterhalt haben.
Andererseits wird es auch darauf ankommen, wie alt die Tochter genau ist. Sie wird ja bald volljährig. Wenn es nur noch um wenige Monate geht, könnte es sein, dass sich der Aufwand für das Gerichtsverfahren unter Kostengesichtspunkten nicht lohnt.
Das Sorgerecht bzw. Aufenthaltsbestimmungsrecht hat sich ab dem 18. Geburtstag ohnehin erledigt. Auch der Kindesunterhalt steht dann nicht mehr der Kindesmutter zu.
Zur Dauer des nachehelichen Unterhalts kann ich aufgrund Ihrer Informationen keine Angaben machen, denn das kommt auf die konkreten Umstände an. Nach jetziger Rechtslage geht man von einer Zahlungsdauer aus, die etwa einem Drittel der Ehedauer entspricht, aber das könnte ich nur beurteilen, wenn ich das Unterhaltsurteil bzw. die damalige Korrespondenz und die Gründe für die Unterhaltsfestsetzung kennen würde.
Vor 10 Jahren galt noch eine andere Rechtslage, so dass es schon Sinn machen könnte, das genauer zu prüfen.
Auch hier gilt: Solange ein vollstreckbarer Titel besteht und solange Sie nichts dagegen unternehmen, müssen Sie weiter zahlen. Da auch hier die Abänderung nur für die Zukunft möglich ist, zählt jeder Monat.
Auch die Frage der Unterhaltsabänderung wegen Selbständigkeit kann nicht so pauschal beantwortet werden, weil es auf Ihre konkrete Situation jetzt und damals bei der Scheidung ankommt. Grundsätzlich gilt, dass Sie eine berufliche Veränderung vornehmen können, wenn es dafür nachvollziehbare Gründe gibt und wenn es nicht vorrangig genutzt wird, um dem Unterhaltsberechtigten zu schaden.
Möglicherweise wird sich diese Frage aber erledigt haben, wenn wegen der Zeitdauer seit der Scheidung evtl. gar kein Anspruch auf Ehegattenunterhalt mehr besteht.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen eine erste Orientierung geben und Ihre Fragen zu Ihrer Zufriedenheit beantworten.
Mit freundlichen Grüßen
Karin Plewe
Rechtsanwältin
Diese Antwort ist vom 13.09.2013 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Sehr geehrte Frau Plewe!
Danke für Ihre ausführliche Antwort.
Leider bin ich nicht gleich mit der Funktion der "Nachfrage" zurecht gekommen und kann sie erst jetzt stellen.
Sie schreiben:
"Aber Vorsicht: Falls es einen vollstreckbaren Titel über den Kindesunterhalt gibt, nach dem Sie der Ex-Frau gegenüber zur Zahlung von Kindeunterhalt verpflichtet sind, sollten Sie sofort (!) Abänderungsklage einreichen, denn ansonsten könnte die Kindesmutter den Unterhalt im Rahmen von Vollstreckungsmaßnahmen (Lohnpfändung, Gerichtsvollzieher etc.) bei Ihnen zwangsweise beitreiben."
Und weiter:
"Andererseits wird es auch darauf ankommen, wie alt die Tochter genau ist. Sie wird ja bald volljährig. Wenn es nur noch um wenige Monate geht, könnte es sein, dass sich der Aufwand für das Gerichtsverfahren unter Kostengesichtspunkten nicht lohnt.
Das Sorgerecht bzw. Aufenthaltsbestimmungsrecht hat sich ab dem 18. Geburtstag ohnehin erledigt. Auch der Kindesunterhalt steht dann nicht mehr der Kindesmutter zu."
Wenn ich es richtig verstanden habe, ist unter "Titel" eine Gerichtsentscheidung gemeint. Über unsere Scheidung wurde 2002, vor allem wegen dem Umgangsrecht vor Gericht entschieden. Es wurde damals auch über die Höhe des Unterhalts für die Mutter und die Tochter bestimmt.
Es geht mir nicht um ein Paar Monate. Meine Tochter wird im September nächstes Jahres 18. Wenn sich damit das Thema "Sorge-/Aufenthaltsbestimmungsrecht und Kindesunterhalt" erledigt, werde ich in dieser Zeit den kompletten Betrag an die Mutter weiterzahlen. Ich möchte möglichst keine weiteren Konflikte provozieren, die die Tochter zusätzlich belasten würden.
Für die Zeit danach würde ich gerne ein paar verdeutlichende Fragen stellen.
Verstehe ich also richtig, dass:
1. Ich nach dem 18 Geburtstag der Tochter die Zahlung des Kindesunterhalts an die Mutter einstellen kann. Die Gerichtsentscheidung von 2002 ist dann quasi überholt und kann nicht mehr vollgestreckt werden.
2. Dabei der nachehelicht Unterhalt für die Ex-Frau neu berechnet werden muss.
3. Wenn die Ex-Frau mit neuer Höhe des nachehelichen Unterhalts nicht einverstanden ist, wird sie eine neue gerichtliche Entscheidung erwirken müssen.
Ich hoffe, dass diese Fragen den Rahmen der Nachfrage-Funktion nicht sprengen.
Vielen Dank im Voraus!
Sehr geehrter Fragesteller,
unter einem vollstreckbaren Titel versteht man entweder eine Gerichtsentscheidung (früher wurde das in Familiensachen „Urteil" genannt, mittlerweile heißt es „Beschluß"), einen im gerichtlichen Verhandlungsprotokoll vereinbarten Vergleich oder eine Urkunde des Jugendamts.
In Ihrem Fall dürfte das wohl das damalige Scheidungsurteil sein, wenn darin auch der Unterhalt geregelt wurde.
Nach dem 18. Geburtstag Ihrer Tochter ist die Gerichtsentscheidung nicht obsolet, sondern kann weiterhin vollstreckt werden, allerdings von Ihrer Tochter selbst. Die Mutter kann für die Zeit ab Volljährigkeit nicht mehr im Namen der Tochter handeln, sondern die Gerichtsentscheidung müsste auf den Namen der Tochter (als Anspruchsinhaberin) umgeschrieben werden. Die Tochter könnte dann den Titel gegen Sie nutzen. Sie müssen entscheiden, ob Sie darin ein Risiko für sich sehen.
Solange Sie gegen den vom Gericht festgesetzten Ehegattenunterhalt nichts unternehmen, gilt weiterhin der bisher festgesetzte Betrag. Um etwas zu ändern müssen Sie selbst aktiv werden und eine Abänderung von Ihrer Ex-Frau verlangen. Der 18. Geburtstag der Tochter könnte ein Anlass dafür sein. Allerdings könnte der Unterhalt auch aus anderem Anlass (z.B. weil die Tochter jetzt bei Ihnen wohnt) neu berechnet werden.
Sie werden also um die Konfrontation mit der Mutter nicht herumkommen. Dann wäre zu überlegen, ob Sie das nicht gleich machen, denn es gibt ja möglicherweise eine Chance, dass Sie keinen weiteren Ehegattenunterhalt mehr zahlen müssen, weil sich die Rechtslage seit Ihrer Scheidung geändert hat und weil der lebenslange Unterhalt die absolute Ausnahme darstellt.
Diese Änderung der Rechtslage, wonach Ehegattenunterhalt im Regelfall zu befristen ist, stellt selbst einen Abänderungsgrund dar.
Ich empfehle Ihnen deshalb, baldmöglichst Ihre gesamte Unterhaltssituation von einem Anwalt prüfen zu lassen und möglicherweise eine Abänderung (auch ab sofort, nicht erst in einem Jahr, wenn die Tochter volljährig wird) zu verlangen. Sie werden um diesen Schritt nicht herumkommen, wenn Sie nicht ewig zahlen wollen. Deshalb können Sie es auch gleich machen und sich evtl. das eine Jahr Kindesunterhalt auch noch gleich sparen. Falls Sie den Kindesunterhalt ausklammern wollen, um die Tochter nicht zu belasten, empfehle ich Ihnen jedoch dringend, die Frage des weiteren Ehegattenunterhalts bald klären zu lassen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit dieser Ergänzung weitere Hilfestellung bei Ihrem Rechtsproblem leisten.
Mit freundlichen Grüßen
Karin Plewe
Rechtsanwältin