Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
1. Ausgleich nach Aufmaß
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer Reihe von Entscheidungen (vgl. BauR 96, 846
; BauR 97, 304
, 643; BauR 99, 632
) die Abrechnungsgrundsätze bei der Kündigung des Pauschalvertrages aufgestellt.
Die Berechnung der erbrachten Leistungen hat regelmäßig in zwei Schritten zu erfolgen. Zunächst ist die gesamte Leistung in Einzelgewerke mit Einzelpreisen aufzuteilen. Hierbei kann auf die Einheitspreisangebote zurückgegriffen werden. Notfalls muss nachträglich eine Kalkulation erstellt werden, welche die Gesamtleistung und den Preis darstellt. In einem weiteren Schritt ist dann die Abgrenzung der erbrachten Leistungen von den nicht erbrachten Leistungen vorzunehmen. Hier sind die einzelnen Positionen und das Aufmaß heranzuziehen.
Dem Aufmaß der Bauleistungen nach der Kündigung kommt eine herausragende Rolle zu. Die oben dargestellten Berechnungen sind nicht mehr möglich, wenn das Bauvorhaben – ggf. durch Dritte – fertiggestellt worden ist. Es ist deshalb von erheblicher Bedeutung, unmittelbar nach Kündigung die Leistung durch ein Beweisverfahren (§§ 485 ff. BGB
) oder ein Privatgutachten zu bewerten, um so der Darlegungs- und Beweislast zu genügen.
Der Generalunternehmer wird kein Interesse an einem gemeinsamen Aufmaß haben und im Festpreis-Bauvertrag wird es hierzu keine Klausel geben.
Eine Abrechnung auf prozentualer Basis bei der Kündigung des Pauschalvertrages ist nach BGH unzulässig.
2. Erfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft
BGB und VOB/B sind nicht kompatibel.
Nur soweit BGB und VOB/B übereinstimmen, kann die Bürgschaft, die sich auf Ausführung und Mängelansprüche nach VOB Teil B § 4
und § 13
bezieht, greifen.
Mit der Kündigung erlischt der Erfüllungsanspruch und wandelt sich um in einen Schadenersatzanspruch (vgl. § 281 Abs. 1 BGB
). In der VOB/B sind solche Schadenersatzansprüche unter § 8 Abs. 2 Nr. 2 geregelt; es ist fraglich, ob sich die Bürgschaft darauf bezieht, oder nur auf die §§ 4
, 9 VOB/B
.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Diese Antwort ist vom 19.10.2014 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Sehr geehrter Herr Neumann,
vielen Dank für Ihre Beantwortung, die allerdings noch Rückfragen – bezogen auf den konkreten Sachverhalt – erforderlich macht.
1. Abrechnung der erbrachten Leistung
In Relation zu setzen sind also die einzelnen Leistungen zum vereinbarten Gesamtfestpreis, nicht zu dem tatsächlichen Wert der Gesamtwerkleistung, der sich aufgrund der Fehlkalkulation des GU höher darstellt. Richtig?
Richtet sich die Aufteilung in Einzelgewerke dann nach den vertraglich bereits (im Rahmen des Abschlagzahlungsplans) vereinbarten Werte? Meinen Sie das mit Ihrer Ausführung „Hierbei kann auf die Einheitspreisangebote zurückgegriffen werden." ?
Kann also definitiv ausgeschlossen werden, dass ein GU (der sich verkalkuliert hat) für ein Gewerk, welches er zu 100% geleistet hat und gemäß Vertrag mit 30.000 EUR zu 100% bezahlt wurde, nunmehr 50.000 EUR geltend macht (weil er diese tatsächlich gegenüber seinen Subunternehmern zu zahlen hatte)?
2. Vertragserfüllungsbürgschaft iHv. 5% der Bausumme
Wenn sich die Ausführung nicht auf Schadenersatz beziehen soll(wie Sie vermuten), wie kann diese Ausführungsbürgschaft dann(überhaupt) beansprucht werden kann?
Noch einmal: Der GU hat die Arbeiten eingestellt, die geschuldete Bauleitung zurückgezogen und rührt sich nicht mehr. Er kommt seiner vertraglichen Pflicht zur Ausführung nicht nach. Genau hier müsste doch eine Ausführungsbürgschaft greifen.
Wir müssen doch irgend etwas tun, es kann uns doch nicht zugemutet werden, auf die Insolvenz zu warten (und jahrelang passiert auf dem Bau nichts mehr!)
Es gibt doch nur zwei echte Möglichkeiten:
(1)Im Vertrag bleiben, Fristen setzen und bei Ablauf die Gewerke in Ersatzvornahme selbst durchführen.
(2)Aus dem Vertrag rausgehen (außerordentliche Kündigung), Bau selbst fertig stellen.
Doch in beiden Fällen basieren die Ansprüche dann auf Schadenersatz. Noch enmal: Wie wäre am besten vorzugehen, um die die Sicherheit aus der Bürgschaft zu wahren?
Dankeschön für Ihre Präzisierungen.
Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Rückfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen wie folgt beantworten:
1. Abrechnung der erbrachten Leistung
Wenn man die Umrechnungsmethode des BGH auf unterkalkulierte Pauschalpreisverträge überträgt, kommen oft absurde Ergebnisse heraus:
Legt man der Umrechnung marktübliche Einheitspreise zu Grunde, kann es passieren, dass der Rechnungsbetrag der Teilleistungen höher ist als der gesamte ursprüngliche Pauschalpreis.
Oder man versucht, der Unterkalkulation dadurch gerecht zu werden, dass man der Umrechnung so niedrige Einheitspreise zu Grunde zu legt, wie es sie auf dem Markt nirgends gibt.
Die Umrechnung muss sich aber im Rahmen des unterkalkulierten Pauschalpreises bewegen.
Auf (die) Einheitspreisangebote kann dann zurückgegriffen werden, wenn der Kalkulation des Pauschalpreises Einheitspreisangebote zu Grunde lagen. Gerade bei unterkalkulierten Pauschalpreisen ist dies häufig nicht der Fall.
Ein GU (der sich verkalkuliert hat) darf die Raten für ein Gewerk nicht einseitig nachträglich heraufsetzen.
2. Vertragserfüllungsbürgschaft
Um den Umfang einer Bürgschaft beurteilen zu können, muss man ihren Wortlaut kennen. Ich schlage vor, dass Sie mir den Text der Bürgschaft zuleiten (info@advoc-neumann.de).
Die Vertragserfüllungsbürgschaft dient in der Regel dazu, die vertragsgemäße Ausführung und Mängelansprüche gegenüber dem Auftragnehmer sicherzustellen, falls der Betrieb innerhalb der Zeit der Gewährleistung nicht mehr existiert oder insolvent ist. Die Vertragserfüllungsbürgschaft dient der Absicherung des Auftraggebers vor Insolvenz des Auftragnehmers. Die Vertragserfüllungsbürgschaft sichert die Ausführungsphase ab und geht über in die Gewährleistungsphase. Es ist somit eine Kombination aus Ausführungsbürgschaft und Gewährleistungsbürgschaft.
Was eine Kündigung des Pauschalvertrrages wegen Insolvenz anbelangt: Kündigt man zu früh (also bevor Insolvenz tatsächlich eingetreten ist) läuft man Gefahr, dass der Insolvenzverwalter Erfüllung wählt (§ 103 InsO
) und Schadenersatz wegen Nichterfüllung geltend macht.
Zu empfehlen ist eine außerordentliche Kündigung des Pauschalvertrages wegen Verzuges oder Baumängeln.
Mit freundlichen Grüßen,
Neumann
Rechtsanwalt