Sehr geehrte Ratsuchende,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich anhand des von Ihnen geschilderten Sachverhalts im Rahmen einer Erstberatung beantworten möchte:
---> Ist hier durch konkludentes Handeln von AN ein mündliches, befristetes Arbeitsverhältnis zustande gekommen oder gilt weiterhin der unbefristete Arbeitsvertrag von April 2012?
Der alte Vertrag gilt weiter.
Das hat zwei Gründe: Zum einen bedarf die Befristung eines Arbeitverhältnisses gemäß § 14 Abs.4
Teilzeit- und Befristungsgesetz zwingend der Schriftform. Mündliche Befristungsklauseln sind unwirksam. Ein mündlicher Vertrag wäre aus diesem Grunde ohnehin unbefristet; befristete Arbeitsverträge "per Handschlag" gibt es nicht.
Zum anderen liegt hier kein konkludentes (d.h. aus Sicht von AG schlüssiges) Handeln vor. AG hat ja ein schriftliches Angebot vorgelegt. Er erwartete dessen Annahme durch AN per Unterschrift unter den Vertrag - auch aus dem o.g. Grunde -. Die schlichte Nicht-Reaktion durch AN kann AG schon deshalb nicht als Zustimmung werten.
---> Ist diese Degradierung in dieser Art rechtens? Kann AN sich dagegen in irgendeiner Form wehren oder gar die Ausübung der minderen Tätigkeiten verweigern? Wenn ja: wie?
Der Arbeitnehmer hat aus dem Arbeitsvertrag ein Recht auf Beschäftigung in einer dem Vertrag entsprechenden, angemessenen Form. Dieses Recht ist vor dem Arbeitsgericht einklagbar. Bei einer "Reduktion der Aufgaben auf Null" wie hier stünden die Chancen von AN in solch einem Prozess gut. AN müsste also schlicht auf angemessene Beschäftigung klagen, Anspruchsgrundlage ist der Arbeitsvertrag.
Allerdings machen die Arbeitgeber dann häufig geltend, dass sie für den betreffenden Arbeitnehmer schlicht keine angemessene Tätigkeit hätten - und kündigen das Arbeitsverhältnis. Damit verlagert sich der Prozess de facto hin zu einem "normalen" Kündigungsschutzverfahren in dem AG versuchen könnte das Arbeitsverhältnis - natürlich möglichst kostengünstig - zu beenden.
---> Wenn weiterhin ein UNbefristeter Arbeitsvertrag vorliegen sollte, kann AG seinem Mitarbeiter AN dann mit der o. g. Kündigungsfrist kündigen, wenn er feststellt, dass er die Eintreibung des befristeten Vertrags versäumt hat? Und wenn ja: Muss hier eine Sozialauswahl stattfinden? Zu welchen Gunsten wird hier wohl entschieden werden können?
Da hier m.E. kein Fehlverhalten von AN vorliegt bliebe AG die betriebsbedingte Kündigung. Dabei sind bei der Sozialauswahl die Kriterien Lebensalter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung der betr. Arbeitnehmer. AN hätte hier keine schlechten Chancen; wenn der Ehepartner von NEU nicht dringend auf dessen Arbeitsentgelt als Unterhalt angewiesen wäre sogar sehr gute. Sofern AG die nötigen Kenntnisse für einen vakanten (auch schlechteren) Arbeitsplatz, welchen AG anbietet, besitzt, wäre die Kündigung gemäß § 1 Abs.2 S.2
,3 Kündigungsschutzgesetz ebenso sozial ungerechtfertigt. AG müsste lediglich das Einverständnis mit einer anderweitigen Beschäftigung erklären.
Abschließend weise ich darauf hin dass zusätzliche Angaben zum Sachverhalt die rechtliche Bewertung u.U. völlig ändern können.
Ich hoffe, meine Antwort hat Ihnen weitergeholfen. Über eine positive Bewertung würde ich mich freuen. Bei weiterem Vertretungsbedarf in der Sache können Sie mich gern kontaktieren.
Mit freundlichen Grüßen
Lars Winkler
Rechtsanwalt
Diese Antwort ist vom 14.10.2013 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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vonRechtsanwalt Lars Winkler
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Rechtsanwalt Lars Winkler
Sehr geehrter Herr Winkler,
vielen Dank für Ihre rasche Antwort.
1. Der alte Vertrag gilt weiter.
AN hat also ohne Unterschrift auf den neuen Verträgen KEIN befristetes Arbeitsverhältnis, auch wenn er E-Mails mit Andeutungen zum Auslauf seiner Beschäftigung sowie die Degradierung hinnimmt? Es wird deshalb gefragt, weil den Befristungshinweisen nicht widersprochen wurde und man als Laie vermuten könne, dass die stillschweigende Duldung dieser Hinweise ein Einverständnis wäre. AN geht also nach Ablauf des von AG gewünschten Enddatums wie gewohnt zur Arbeit und stellt seine Tätigkeit weiter zur Verfügung?
2. Der Arbeitnehmer hat aus dem Arbeitsvertrag ein Recht auf Beschäftigung in einer dem Vertrag entsprechenden, angemessenen Form.
AN muss also zwingend klagen? Eine außergerichtliche, schriftliche Mitteilung an AG, dass derart minderwertige Aufgaben nicht von AN ausgeführt werden, wäre nicht wirksam und hätte Konsequenzen (Abmahnung, Kündigung)?
3. Da hier m.E. kein Fehlverhalten von AN vorliegt bliebe AG die betriebsbedingte Kündigung
Kann denn NEU überhaupt in der Sozialauswahl Berücksichtigung finden, wenn sich dieser noch in der Probzeit befindet und die Wartezeit von 6 Monaten noch gar nicht erfüllt hat? Und wenn außer AN niemand für die Sozialauswahl zur Verfügung steht hat sie sich erledigt?
Danke!
Sehr geehrte Fragestellerin,
Lassen Sie mich die Nachfrage wie folgt
1. Der alte Vertrag gilt weiter.
AN hat also ohne Unterschrift auf den neuen Verträgen KEIN befristetes Arbeitsverhältnis, auch wenn er E-Mails mit Andeutungen zum Auslauf seiner Beschäftigung sowie die Degradierung hinnimmt? Es wird deshalb gefragt, weil den Befristungshinweisen nicht widersprochen wurde und man als Laie vermuten könne, dass die stillschweigende Duldung dieser Hinweise ein Einverständnis wäre. AN geht also nach Ablauf des von AG gewünschten Enddatums wie gewohnt zur Arbeit und stellt seine Tätigkeit weiter zur Verfügung?
Ja. Ein befristetes Arbeitsverhältnis gibt es nur mit schriftlichem Vertrag. Dieser aber setzt gem. § 126 BGB
eine Vertragsurkunde mit Unterschriften beider Parteien voraus. Diese gibt es nicht, ebensowenig bislang eine Kündigung seitens AG. (Auch diese müsste übrigens gem. § 623 BGB
schriftlich erfolgen.) Die Lage für AN ist somit klar: Nach Ablauf des "Enddatums" welches sich AG vorstellt, läuft der Vertrag weiter. AN sollte also zur Arbeit gehen und seine Leistung anbieten. Wie AG reagiert, wird man sehen müssen.
2. Der Arbeitnehmer hat aus dem Arbeitsvertrag ein Recht auf Beschäftigung in einer dem Vertrag entsprechenden, angemessenen Form.
AN muss also zwingend klagen? Eine außergerichtliche, schriftliche Mitteilung an AG, dass derart minderwertige Aufgaben nicht von AN ausgeführt werden, wäre nicht wirksam und hätte Konsequenzen (Abmahnung, Kündigung)?
Das habe ich nie behauptet! Selbstverständlich macht man bestehende Rechte zuerst gegenüber dem Adressaten geltend, etwa durch schriftliche Mitteilung oder durch persönliches Gespräch. Erst wenn das nicht fruchtet, darf und sollte man klagen. Ich hatte schlicht vorausgesetzt, dass Ihnen klar ist, dass AN sich zuerst an AG wenden muss...
Die Klagemöglichkeit habe ich v.a. deshalb betont, um klarzustellen dass der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers ein "echter", durchsetzbarer Anspruch ist.
Konsequenzen in Form von Abmahnung oder Kündigung wären in jedem Falle rechtswidrig und könnten/müssten angefochten werden. Ob AG so tatsächlich so handeln wird, kann natürlich niemand vorhersagen.
3. Da hier m.E. kein Fehlverhalten von AN vorliegt bliebe AG die betriebsbedingte Kündigung
Kann denn NEU überhaupt in der Sozialauswahl Berücksichtigung finden, wenn sich dieser noch in der Probzeit befindet und die Wartezeit von 6 Monaten noch gar nicht erfüllt hat? Und wenn außer AN niemand für die Sozialauswahl zur Verfügung steht hat sie sich erledigt?
Langsam... Sie haben mir an der Stelle überhaupt nicht die nötigen Daten geliefert. Im Einzelnen:
NEU muss in die Sozialauswahl bei einer Kündigung des AN einbezogen werden, auch wenn er selber noch in der Wartefrist für die Anwendung des Kündigungsschutzes ist, vgl. etwa BAG 2 AZR 140/84
. Arbeitnehmer sechsmonatigen Wartezeit dürfen aber in der Sozialauswahl nicht vor den länger betriebsangehörigen Arbeitnehmern landen und sind daher vorrangig zu entlassen. Eine Ausnahme gäbe es nur im Falle des § 1 Abs.3 S.2 KSchG
, wenn nämlich eine Weiterbeschäftigung des NEU, insbesondere wegen dessen Kenntnissen, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse läge. Darauf bestehen aber hier keinerlei Hinweise.
ABER: ENTSCHEIDEND IST DER ZEITPUNKT DER KÜNDIGUNG. Wenn also der Zeitpunkt einer evtl. betriebsbedingten Kündigung erst nach dem Auslaufen der Wartezeit läge, dann müsste NEU nicht mehr aus diesem Grunde in der Sozialauswahl zwingend hinter AN landen.
Da ich den Zeitpunkt einer evtl. zukünftigen Kündigung nicht kennen kann und Sie auch nicht angegeben haben, wann die "Befristung" nach den Vorstellungen des AG enden soll, waren Aussagen an diesem Punkt weder möglich noch angebracht.
Mit freundlichen Grüßen,
Lars Winkler
Rechtsanwalt