Sehr geehrte Fragestellerin,
zu Ihrer Anfrage nehme ich wie folgt Stellung:
1.
Ausschlussfristen sind im Arbeitsrecht häufig zu beachten. Ausschlussfrist heißt, dass Ansprüche innerhalb eines bestimmten Zeitraums geltend gemacht werden müssen. Macht der Arbeitnehmer seine Ansprüche nicht innerhalb dieser Fristen geltend, verfallen die Ansprüche.
Der genannte Manteltarifvertrag enthält eine solche Ausschlussfrist und sagt auch gleichzeitig, in welcher Form, nämlich schriftlich, Ansprüche geltend zu machen sind.
Tatsache ist, dass Sie Ansprüche, die aus den Guttagen erwachsen sind, definitiv nicht angemeldet bzw. geltend gemacht haben.
2.
Dies vorausgeschickt, stellt sich die Frage, wann Ansprüche aus den Guttagen geltend gemacht werden mussten. Hier handelt es sich um Ansprüche seit dem 01.10.2014, die sich – vermutlich – bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit angesammelt haben.
Sie sagen, dass die Guttage einerseits erfasst worden sind, dass es andererseits aber keine Regelung gegeben habe, wann eine Abgeltung dieser Guttage erfolgen sollte. Aus der Formulierung, dass die Abgeltung meist „nach geraumer Zeit" erfolgt sei, schließe ich, dass es keinen bestimmten Turnus gegeben hat, in dem die Abgeltung erfolgt ist, sondern dass die Guttage dann abgegolten wurden, wenn es irgend wie „passte".
3.
Im Prinzip handelt es sich bei den Guttagen um Überstunden. Überstunden sind mit dem Monat abzugelten, in dem sie abgeleistet wurden. Hätten Sie also im Oktober 2014 zwei Guttage angesammelt, hätten diese auch mit der Oktoberabrechnung abgerechnet werden müssen. Wann jeweils das Gehalt gezahlt wird, dürfte sich aus Ihrem Arbeitsvertrag ergeben.
Geht man von dieser Betrachtungsweise aus, wären Ansprüche, die länger als drei Monate zurückliegen, verfallen.
Allerdings ist auch eine andere Betrachtungsweise vorstellbar.
Weil Sie schreiben, die Auszahlung der Guttage sei nach geraumer Zeit erfolgt, gehe ich davon aus, dass die Guttage gerade nicht in den Monat abgerechnet worden sind, in dem sie angefallen waren.
Es könnte also eine betriebliche Übung gegeben haben, die Guttage irgendwann einmal auszubezahlen.
Wenn man diese Überlegungen zu Grunde legt und wenn man ferner berücksichtigt, dass es keine Gelegenheit gegeben habe, einen Freizeitausgleich in Anspruch zu nehmen, könnte man argumentieren, dass der Beginn der Ausschlussfrist mit dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit laufe. Dann wären Ansprüche noch nicht verfallen.
4.
Wenn das Arbeitsgericht streng danach urteilt, dass Überstunden in dem Monat ausbezahlt werden müssen, in dem sie abgeleistet worden sind, werden Ihre Ansprüche, soweit sie länger als drei Monate zurück liegen, verfallen sein.
Wenn das Arbeitsgericht aber berücksichtigt, dass die Auszahlung mehr oder weniger willkürlich zu irgendeinem beliebigen späteren Zeitpunkt erfolgt ist, könnte man sagen, dass der Lauf der Ausschlussfrist noch nicht in Gang gesetzt wurde.
Zu Bedenken gebe ich hier aber, dass man dann auch zu dem Ergebnis kommen müsste, dass bezüglich der Auszahlung eine betriebliche Übung vorhanden war, die zu einer Verschiebung des Beginns des Laufs der Ausschlussfristen führte.
Wahrscheinlicher ist, dass ein Arbeitsgericht der ersten Auffassung folgt.
Da das Arbeitsgerichtsverfahren aber zunächst einen Gütetermin vorsieht, in dem eine vergleichsweise Einigung zwischen den Parteien erzielt werden soll, ist es denkbar, dass man sich auf einen Vergleich verständigt.
Leider gibt es hier keine eindeutige Lösung.
Sie müssten prüfen, wie die Auszahlung geleistet wurde, und ob es eine gewisse Regelmäßigkeit gibt, welcher Zeitraum zwischen geleisteten Überstunden und Auszahlung gelegen hat. Daraus könnte man dann versuchen abzuleiten, ob eine betriebliche Übung vorliegt.
D.h., Sie könnten durchaus Forderungen geltend machen, ein Risiko wird aber stets bleiben, wie ich oben dargelegt habe.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Raab
Rechtsanwalt